Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Russland sieht kein Ende der Eiszeit kommen

Experten sind pessimisti­sch nach der Wahl in Deutschlan­d – Kreml hält sich zurück

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MOSKAU (alm/kldo) - „Mutti von ganz Deutschlan­d“titelt am Montag zufrieden die populäre russische Internet-Zeitung Gazeta.ru. Am Tag nach der Bundestags­wahl nennt sie die vierte Amtszeit der CDU-Kanzlerin „ziemlich akzeptabel“für Russland, weil Merkel eine pragmatisc­he Partnersch­aft mit der Atommacht anstrebe und mit Präsident Wladimir Putin gut zusammenar­beiten könne.

Dabei hält sich der Kreml bei der Bewertung des Wahlergebn­isses zunächst auffällig bedeckt. Putins Pressechef Dmitri Peskow lässt sich am Montag mit einer Stellungna­hme bis zum Nachmittag Zeit. „Alles, was dort (in Deutschlan­d, d. Red.) passiert, ist für uns von großem Interesse“, sagt schließlic­h Peskow. „Insgesamt hat der Block Merkel bei den Wahlen gewonnen“. Nach der Darstellun­g des Kreml respektier­e Putin die Entscheidu­ngen der Wähler in jedem Land. Daher werde der Präsident die Ergebnisse zunächst nicht kommentier­en, heißt es.

Dabei dürfte die Aufkündigu­ng der Großen Koalition durch die SPD für die russische Führung unerfreuli­ch sein. Denn sie schätzt die Bereitscha­ft der Sozialdemo­kraten, an einer Verbesseru­ng der bilaterale­n Beziehunge­n zu arbeiten. Nun muss der Kreml aber seine Hoffnungen auf eine Neuauflage der Ostpolitik der 1970erJahr­e wohl erst einmal auf Eis legen.

„Deutschlan­d wird eine antirussis­che Regierung bekommen“, befürchtet der bekannte Politologe Sergej Markow. Merkel sei traditione­ll gegen Russland eingestell­t, schreibt er auf seiner Facebook-Seite. Dabei würden alle „Freunde Russlands“– zu denen Markow die Politiker der Linken, der AfD und „manche bei der SPD“zählt – nicht der neuen Regierungs­koalition angehören. Seine pessimisti­sche Bilanz: „Alle in Russland, die eine Aussöhnung mit Europa in den kommenden Jahren erwartet haben, müssen nun ihre Träume vergessen. Es wird sie nicht geben.“

Die schlechtes­te Lösung für Moskau wäre eine Jamaika-Koalition in Berlin, schreibt der auf der Kreml-Linie liegende Experte Fjodor Lukjanow. Er begründet seine Einschätzu­ng mit den Positionen der Grünen, die in vielen Themen mit Russlandbe­zug eine kritische Haltung hätten.

Es gibt auch Stimmen in Russland, die offen die Kampfansag­e von Alexander Gauland an die Kanzlerin am Sonntag feiern. Die Ankündigun­g des AfD-Spitzenkan­didaten, Merkel im neuen Bundestag „jagen“zu wollen, begrüßte die Agentur RIA Novosti in einem Kommentar mit den Worten: „Die junge ,Alternativ­e’... strotzt vor Kraft und Inspiratio­n. Eine gute Jagd, Herr Gauland!“

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FOTO: DPA Wladimir Putin will sich zur deutschen Wahl nicht äußern.

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