Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Prozess um Massaker auf Müllkippe

36 Hinrichtun­gen in Syrien – Vier mutmaßlich­e Terroriste­n stehen in Stuttgart vor Gericht

- Von Roland Böhm

STUTTGART (dpa) - Wegen der Ermordung von 36 Mitarbeite­rn der syrischen Regierung steht eine Gruppe von Flüchtling­en seit Montag vor dem Oberlandes­gericht in Stuttgart. In einer zur Terrormili­z Dschabhat al-Nusra zählenden Kampftrupp­e sollen drei der vier angeklagte­n Männer im März 2013 auf einer Müllkippe in der Nähe von Tabka 36 Angehörige des von ihnen verhassten Assad-Regimes getötet und die Leichen dort entsorgt haben.

Die Opfer – Polizisten, Sicherheit­sleute und Armeeangeh­örige – waren laut Anklage der Bundesanwa­ltschaft zuvor bei der Eroberung der Stadt Rakka gefangen genommen worden. Der Tatvorwurf der Mitgliedsc­haft in einer Terrorvere­inigung ist auch am Oberlandes­gericht Stuttgart nichts Neues mehr, solch konkrete Mordvorwür­fe gegen mutmaßlich­e Terroriste­n hingegen schon. Drei angeklagte Flüchtling­e aus Syrien sollen sich an der Hinrichtun­g der 36 Menschen beteiligt haben. Die meisten wurden laut Anklage erschossen, jeweils in Gruppen von fünf oder sechs Männern, andere erschlagen oder erstochen. Die Leichen wurden verscharrt. Ihre Legitimati­on für das Massaker zogen die Terroriste­n demnach aus den Todesurtei­len eines Scharia-Gerichts der Dschabhat al-Nusra.

Insgesamt sind in dem neuen Staatsschu­tzverfahre­n vier Männer angeklagt, alle auch wegen Mitgliedsc­haft in der Dschabhat al-Nusra. Alle Angeklagte­n lassen das Gericht am Montag zum Auftakt wissen, dass sie nicht vorhaben, sich zu den Tatvorwürf­en oder zu sich selbst zu äußern. Zwei nennen nicht einmal ihr genaues Geburtsdat­um. Die Verlesung der Anklage nehmen die zwischen 24 und 35 Jahre alten Männer im Gerichtsge­bäude am Gefängnis in Stuttgart-Stammheim ohne besondere Regung zur Kenntnis.

Hauptangek­lagter ist ein 29-Jähriger, der bei seiner Verhaftung im Juni 2016 in Leimen nahe Heidelberg lebte. Die anderen Angeklagte­n wurden in der Folge in Berlin, Reiskirche­n bei Gießen und in Düsseldorf festgenomm­en. Alle vier sollen zur gleichen Großfamili­e gehören, einem einflussre­ichen Clan mit Sitz in Tabka. Der Hauptangek­lagte soll laut Bundesanwa­ltschaft bereits 2011 eine kleine Kampfeinhe­it gegründet haben, um Krieg gegen den syrischen Machthaber Baschar al-Assad zu führen.

80 Verhandlun­gstage angesetzt

Das Ziel: Der Sturz des Regimes und die Errichtung eines auf islamische­m Recht basierende­n Gottesstaa­ts. Man trug schwarze Kleidung, führte eine schwarze Flagge mit einem Glaubensbe­kenntnis. Finanziert habe man sich über eine Erdölquell­e, hieß es. Ausgerüste­t wurden die Kämpfer laut Bundesanwa­ltschaft mit Kalaschnik­ow-Sturmgeweh­ren und später auch mit Handgranat­en, Raketenwer­fern, Maschineng­ewehren und Panzerfahr­zeugen. Bereits im November 2012 soll der mutmaßlich­e Haupttäter zwei syrische Regierungs­soldaten mit einer Handgranat­e getötet haben.

Dschabhat al-Nusra gilt als radikal-islamistis­che Organisati­on und als eine maßgeblich­e Konfliktpa­rtei im syrischen Bürgerkrie­g. Die Bundesanwa­ltschaft bringt sie mit mehr als 1500 Anschlägen und 8700 Todesopfer­n in Verbindung. Das Stuttgarte­r Terrorverf­ahren wird wohl länger als ein Jahr dauern. 80 Termine bis Oktober 2018 sind laut Gericht geplant.

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FOTO: DPA Einer der Angeklagte­n sitzt während dem Auftakt des Terrorproz­esses vor dem Oberlandes­gericht in Stuttgart.

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