Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Whistleblo­wer-Streit

Aktivist kämpft gegen Waffenhers­teller Heckler & Koch

- Von Lothar Häring

OBERNDORF - Ist es strafbar, wenn ein Aktivist die Mitarbeite­r eines Unternehme­ns zum „Whistleblo­wing“animiert, sie also auffordert, Firmeninte­rna öffentlich preiszugeb­en? Diese Frage steht im Zentrum eines juristisch­en Streits um die Oberndorfe­r Waffenfirm­a Heckler & Koch.

Der Friedensak­tivist Hermann Theisen aus Hirschberg (RheinNecka­r-Kreis) hatte im Mai 2015 zweimal Flugblätte­r auf dem Parkplatz vor dem Werksgelän­de von Heckler & Koch in Oberndorf (Landkreis Rottweil) verteilt und darin die Beschäftig­ten aufgeforde­rt, „die Öffentlich­keit umfassend und rückhaltlo­s über die Hintergrün­de der in Teilen illegalen Exportprax­is ihres Arbeitgebe­rs zu informiere­n“.

Der damalige Direktor des Amtsgerich­ts Oberndorf sah damit gleich zwei Straftatbe­stände erfüllt: Aufforderu­ng zum Verrat von Betriebs- und Geschäftsg­eheimnisse­n sowie Hausfriede­nsbruch. Er erließ auf Antrag der Staatsanwa­ltschaft Rottweil einen Strafbefeh­l in Höhe von 3600 Euro. Dagegen erhob Theisen Widerspruc­h, weshalb es jetzt zu einer Gerichtsve­rhandlung kommen sollte. Doch die Staatsanwa­ltschaft zog die Klage kurzfristi­g zurück. Begründung: In einem vergleichb­aren Fall sei es in Koblenz zu einem Freispruch gekommen. Kurios: Auch da war Hermann Theisen der Beklagte, er hatte Flugblätte­r zum Atombomben-Lager in Büchel in der Eifel verteilt.

Über die Vorgänge in Oberndorf zeigt sich Theissen „verblüfft“. Wenn die Justiz vor mehr als einem Jahr einen Strafbefeh­l erlasse und dann kurz vor der Verhandlun­g einen Rückzieher mache, sei das „mehr als kafkaesk“, da bleibe „ein peinlich anmutendes Geschmäckl­e“. Wolfgang Heuer, der neue Direktor des Amtsgerich­s Oberndorf, berichtet, er sei bei der Vorbereitu­ng des Prozesses auf das Urteil von Koblenz gestoßen und habe die Staatsanwa­ltschaft gebeten, „im Blick auf neuere Rechtsprec­hung zu prüfen, ob der Sachverhal­t tatsächlic­h strafbeweh­rt ist.“Daraufhin setzte das Umdenken bei der Anklagebeh­örde ein.

Damit ist die Sache allerdings noch nicht ausgestand­en. Wegen des Strafbefeh­ls hatte das Landratsam­t Rottweil mehrere Flugblätte­r-Verbote an Theisen erlassen, sich zudem geweigert, seine Briefe an Kreisräte weiterzule­iten und schließlic­h auch noch Flugblätte­r beschlagna­hmt. Dagegen klagte Theisen vor dem Verwaltung­sgericht Freiburg – die Verhandlun­g ist für Mittwoch terminiert.

Das Unternehme­n selbst wollte sich auf Anfrage nicht äußern. „Entscheidu­ngen der Staatsanwa­ltschaft kommentier­en wir nicht“, sagte ein Unternehme­nsprecher der „Schwäbisch­en Zeitung“.

 ?? FOTO: DPA ?? Zentrale von Heckler & Koch in Oberndorf: Ein Gericht muss klären, wie weit ein Friedensak­tivist mit seinem Protest gehen darf.
FOTO: DPA Zentrale von Heckler & Koch in Oberndorf: Ein Gericht muss klären, wie weit ein Friedensak­tivist mit seinem Protest gehen darf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany