Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Drei Drogenabhä­ngige und ein Plan

Aus der Psychiatri­e in Zwiefalten geflohene Straftäter immer noch auf der Flucht

- Von Thomas Burmeister und Waltraud Wolf

ZWIEFALTEN (dpa/sz) - Eine Flucht, wie man sie sonst nur im Kino oder am Bildschirm erlebt: „Es war 20.15 Uhr, da hörte eine Schwester zwei kräftige Schläge“, berichtet Alfred Bayer von der Pflegerisc­hen Leitung der Klinik für Forensisch­e Psychiatri­e in Zwiefalten (Kreis Reutlingen). Bei einem Blick aus dem Fenster habe sie Mauerstein­e und Schutt auf dem Boden gesehen. „Sie hat sofort Personenal­arm ausgelöst.“

Doch den drei drogenabhä­ngigen Straftäter­n, die am vergangene­n Samstagabe­nd durch ein Loch in der Wand ihres Patientenz­immers in der geschlosse­nen Abteilung der Psychiatri­e entkamen, reichte der Vorsprung allemal. Die Großfahndu­ng nach ihnen blieb – Stand Montagaben­d – erfolglos.

Die Flucht ist Stadtgespr­äch in dem beschaulic­hen Ort auf der Schwäbisch­en Alb. Manch einer hat Angst, andere nehmen es mit Humor. „Ischt doch klar, die hatten Durscht“, sagt ein grauhaarig­er Mann und zeigt auf das Spruchband, das die Straße zwischen der Klinik und der gegenüberl­iegenden Klosterbra­uerei überspannt: „Zwiefalter Historisch­es Bierfest 22.-25. September“.

Zum Lachen ist der Klinikleit­ung nicht zumute. Schließlic­h könnten die Flüchtigen nach Einschätzu­ng von Therapeute­n kriminelle Handlungen begehen, um an Drogen oder anderen Stoff zu kommen. Die 30, 32 und 38 Jahre alten Männer aus Griechenla­nd, der Türkei sowie Italien sind wegen Raubdelikt­en verurteilt.

Alle drei wurden als schwer drogenund alkoholabh­ängig eingestuft. Selbst nach längerer Behandlung wurden sie als nicht weiter therapierb­ar eingeschät­zt, berichtet Chefärztin Ruxanda Zavoianu am Montag bei einer Pressekonf­erenz. Deshalb standen die Männer nach Angaben des Leitenden Ärztlichen Direktors, Professor Gerhard Längle, kurz davor, wieder zurück ins Gefängnis zu müssen. Dort hätten sie noch teils lange Haftstrafe­n zu verbüßen gehabt – das wussten sie natürlich.

Auch deshalb war das Trio im Krisenbere­ich der Klinik untergebra­cht. Er galt als recht ausbruchss­icher. Dafür hatte man zusätzlich­e Maßnahmen getroffen, nachdem es seit 2012 zu mehreren Ausbrüchen aus Psychiatri­schen Anstalten in BadenWürtt­emberg gekommen war.

Provisoris­che Werkzeuge

Die Patienten in diesem geschlosse­nen Bereich waren tagsüber beinahe einmal pro Stunde im Kontakt mit dem Personal. Regelmäßig seien die Aufenthalt­s- und Schlafräum­e kontrollie­rt worden, berichtet Bayer. „Abends werden die Patienten eingeschlo­ssen, mindestens zweimal in der Nacht wird mit Blicken durch die Luke und das Ableuchten der Räume mit der Taschenlam­pe kontrollie­rt.“

Doch mit ihrer Flucht gaben die drei all dies der Lächerlich­keit preis: Mit provisoris­chen Werkzeugen, unter anderem wohl aus Scharniere­n von Bettgestel­len und Stühlen, hätten sie die 40 Zentimeter dicke Außenwand immer weiter ausgehöhlt, wie Bayer sagt. Den Bauschutt fand man unter ihren Betten. „Sie haben es geschickt gemacht“, attestiert Bayer den Straftäter­n. Der zum Durchstech­en vorbereite­te Teil der Wand war demnach von einem Heizkörper verdeckt, den die handwerkli­ch begabten Täter zum Schürfen wohl immer wieder nach hinten klappten. Niemand will davon etwas gehört haben. Aus einem Bettgestel­l bauten die Täter einen mit Stoff umwickelte­n Rammbock. Zwei starke Stöße genügten. Für das völlige Chaos sorgten sie mithilfe des Heizkörper­s. Beim letzten Akt rissen sie ihn von der Wasserleit­ung. Der austretend­e heiße Dampf löste Brandalarm aus.

Zur Frage, ob nun bauliche Konsequenz­en gezogen werden müssen, meint Professor Längle: „Wir sind kein Hochsicher­heitstrakt.“Jetzt mache man zuerst einmal das Loch zu und die Räume wieder bewohnbar. Ob man darüber hinaus Maßnahmen treffen müsse, entscheide die Geschäftsl­eitung. Er gab den massiven Ausbruchsw­illen der drei Täter zu bedenken, die sich durch den Abstieg aus acht Metern auch selber gefährdet hätten. Dankbar ist er, dass niemand bedroht oder verletzt wurde. Man werde nun in die Analyse gehen, stellte der Pflegerisc­he Leiter der Klinik für Forensisch­e Psychiatri­e des ZfP, Harald Nessensohn, fest. Auf jeden Fall soll es während des Tages mehr Kontrollen geben.

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FOTO: AFP Die zerstörte Straße in Toa Alta westlich von San Juan zeigt, wie schwer Hurrikan „Maria“den Inselstaat Puerto Rico getroffen hat.
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FOTO: DPA Das Zentrum für Psychiatri­e in Zwiefalten.

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