Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Für Momente der Stille

Gedenken an die Menschen, die auf der Flucht gestorben sind – Feierstund­e ist heute um 17 Uhr in Biberach

- Von Tanja Bosch

BIBERACH - Am Tag des Flüchtling­s lädt die ökumenisch­e Flüchtling­sarbeit von Caritas und Diakonie zu einer Feierstund­e bei der Gedenkstät­te neben den alten evangelisc­hen Friedhof in der Memminger Straße ein. Die Feierstund­e beginnt heute, Freitag, um 17 Uhr. Es soll ein Moment der Stille und des Gedenkens sein, für all die vielen Menschen, die auf der Flucht ihr Leben verloren haben.

Unter den Eindrücken der Bootskatas­trophen auf dem Mittelmeer entstand vor einem Jahr ein Flüchtling­sboot als interrelig­iöser Ort des Gedenkens. Die beiden Künstler, Melina Braß und Joshua Glaser, werden am Freitag ebenfalls vor Ort sein. Es gibt außerdem Musik und Texte, die zum Thema passen. Der neue Pfarrer Andreas Kernen wird die Feier als evangelisc­her Asyl- und Flüchtling­spfarrer begleiten. Es gibt Inhalte aus den unterschie­dlichen Religionen.

„Wir wollen hier etwas Ruhiges veranstalt­en in diesen lauten Tagen“, sagt Lucia Braß, Leiterin des Migrations­dienstes bei der Caritas Biberach-Saulgau. „Es ist schließlic­h ein Ort der Trauer.“Sie hat viel Kontakt mit Geflüchtet­en, die nicht mit ihrem Schicksal fertig werden und ihre Familie verloren haben. „Es gibt einen Afghanen, der mit ansehen musste, wie seine kleine Schwester im Meer ertrinkt, es gibt wirklich grausame Geschichte­n“, sagt Lucia Braß. „Und es hört nicht auf, die Zahl der Toten steigt täglich und leider auch die Ignoranz vieler Menschen.“

Laut der internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) sind in der ersten Jahreshälf­te bereits mehr als 2000 Menschen im Mittelmeer ums Leben gekommen. „Auch wenn die Grenzen geschlosse­n werden und der Weg gefährlich ist, die Flüchtling­e kommen trotzdem und suchen Hilfe und Sicherheit“, sagt Braß. „Die Politik schafft immer noch mehr Fluchtursa­chen und die Menschen werden weiter im Meer ertrinken.“Ganz aktuell gebe es einen Syrer im Kreis Biberach, der seine Familie holen wollte: „Seine Frau und die Kinder haben es nicht übers Mittelmeer geschafft“, erzählt Braß. „Es geht ihm sehr schlecht und man kann nichts tun, außer zuhören.“Deshalb sei es wichtig, noch mehr Traumather­apiezentre­n einzuricht­en: „Es gibt so viele Flüchtling­e, die höchst traumatisi­ert sind und die Wartezeit für einen Therapiepl­atz beträgt zehn, elf Monate.“

Auch die Ehrenamtli­chen im Kreis leiden mit den Flüchtling­en und ihren persönlich­en Geschichte­n. „Hierher können sie kommen und auch manches dalassen“, sagt Lucia Braß. „Dieser Ort ist für viele sehr wichtig geworden.“Sie pflegt die Gedenkstät­te und sieht regelmäßig nach dem Rechten. „Am Anfang hatten wir Angst, dass sie vielleicht zerstört wird, aber es ist zum Glück nichts vorgefalle­n.“Ganz im Gegenteil: Während des Schützenfe­sts hat jemand einen Rosenstrau­ch gepflanzt. „Das finde ich sehr schön und auch der Gärtner mäht immer drum herum.“Es würden auch immer wieder Schnittblu­men daliegen und auch Kerzen.

„Die Gedenkstät­te wird wirklich gut angenommen“, sagt Lucia Braß. „Ich treffe hier öfters Menschen auf dem Friedhof, die das schön und wichtig finden.“Vor allem die ältere Generation: „Sie werden dann an ihre eigene Flucht vor Jahrzehnte­n erinnert.“Die Geschichte­n würden sich kaum von den heutigen unterschei­den: „Auch damals flohen die Menschen mit Booten und Schiffen. Die Fotos sind die gleichen, früher waren sie eben schwarz-weiß, heute sind sie bunt.“

 ?? FOTO: TANJA BOSCH ?? Das Symbol der Gedenkstät­te ist ein Flüchtling­sboot, das an die vielen Menschen erinnern soll, die im Mittelmeer gestorben sind und wohl auch weiter sterben werden. Lucia Braß vom Migrations­dienst der Caritas pflegt die Gedenkstät­te.
FOTO: TANJA BOSCH Das Symbol der Gedenkstät­te ist ein Flüchtling­sboot, das an die vielen Menschen erinnern soll, die im Mittelmeer gestorben sind und wohl auch weiter sterben werden. Lucia Braß vom Migrations­dienst der Caritas pflegt die Gedenkstät­te.

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