Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Reanimation einer Kultsendung
RTL-Show „Der Preis ist heiß“kehrt zurück – mit neuem Moderatorengespann
KÖLN (dpa) - Vor 25 Jahren standen Harry Wijnvoord und Walter Freiwald in einer knallbunten, blinkenden Kulisse und brachten Fernseher, Kühlschränke und Gartenmöbel unter die Leute. „Der Preis ist heiß“gilt heute als Kult. RTL wagt nun eine Neuauflage. Ein Besuch.
„39!“, „29!“, „50!“, „Weniger!“, „Mehr!“. Es ist ein wüstes Geplärre, das durch das Studio in Köln-Ossendorf dröhnt. Das Publikum brüllt, als ginge es nicht um eine – ja tatsächlich – Küchenwaage mit „großer Wiegefläche“und die Frage, was das verdammte Ding wohl kostet. Vorne steht Moderator Wolfram Kons und grinst. Gerade ist eine totgeglaubte Show wiederauferstanden.
Wer vor etwas mehr als 20 Jahren an irgendeinem Vormittag den Fernseher laufen hatte, dürfte „Der Preis ist heiß“kennen. Die Show, in der es darum geht, den Preis eines bestimmten Produktes richtig zu schätzen. 1989 bis 1997 lief das Format bei RTL, moderiert vom rundlichen Niederländer Harry Wijnvoord, veredelt vom schwafelnden Walter Freiwald, der die zu gewinnenden Waschmaschinen und Gartenmöbel in den höchsten Tönen lobte.
Wijnvoord und Freiwald bleiben vorerst Geschichte. Aber „Der Preis ist heiß“, der kommt ab komnenden Montag zurück. „Familien-Duell“, „Ruck Zuck“, „Jeopardy!“und „Glücksrad“haben RTL und sein Kanal RTLplus bereits reaktiviert. Nun wagen sie sich an die Show, die vielleicht wie keine andere für eine Zeit steht, in der forsche Privatsender auftrumpften, in der Eurodance und Boybands angesagt waren und in der noch kein Mensch Angst um den Diesel hatte. Kurz: die 1990er-Jahre. Die Frage: Kann das funktionieren?
Der sichtbarste Unterschied ist die Besetzung der beiden Moderatoren. Es ist zugleich der heikelste, da „Der Preis ist heiß“ewig lief und schrullige Rituale hatte. Ständig warnte Wijnvoord seine Kandidaten: „Aber nicht überbieten!“. Ohne niederländischen Zungenschlag ist der Satz eigentlich undenkbar. Der neue Wijnvoord heißt nun Wolfram Kons, er kommt aus Düsseldorf. Bei RTL präsentiert er unter anderem das Morgenmagazin „Guten Morgen Deutschland“und den „RTL-Spendenmarathon“. Ihm wird Thorsten Schorn zur Seite gestellt, bekannt etwa als Reporter bei „Stern TV“und Stimme von „Shopping Queen“(Vox).
Retro-Charme wo möglich
Wer die Aufzeichnung der Show in Köln-Ossendorf verfolgt, erkennt allerdings gut, wie sich der Sender das Revival vorstellt: Auffrischung wo nötig, aber Retro-Charme wo möglich. Das Studio hat allen technischen Schnickschnack, greift aber die Jahrmarkt-Optik von früher auf. Die Gewinne sind aus der Neuzeit, werden aber in den Spielen von damals vergeben. Und am Ende erzählt Schorn wie einst Freiwald eine komplett abstruse Geschichte, in der alle im Finale vertretenen Produkte auftauchen. Kons arbeitet ebenfalls mit Zitaten von damals. Er lässt sich etwa zu Beginn von einer Assistentin das Mikro bringen – eine Geste, die schon Wijnvoord kultivierte, inklusive eines Plauschs ohne für den Zuschauer hörbaren Inhalt, über den aber am Ende beide lachten. Überhaupt geht der Nachrichten-Mann Kons in der Rolle des Spielleiters sichtlich auf. „Das Schöne ist: Geschenke machen Sie sich jetzt selber!“, sagt er, als ein Kandidat an der Reihe ist, der an diesem Tag Geburtstag hat. Alte Showmaster-Schule.
Den alten Triebkräften der Show lässt er zugleich freien Lauf – das Publikum wird in eine Stimmung zwischen Kirmes und Kapitalismus versetzt. Jeder im Studio kann Kandidat werden, wenn er aufgerufen wird. Deswegen haben alle ein Namensschild und rufen und klatschen wie wild. Bei der Aufzeichnung heißen die Leute Heidi, Günther, Guido oder Inge. Selbst das erinnert an die 90er.
„Reisen sind beim Publikum wahnsinnig beliebt. Eine Karibikreise ist das Größte. Kreuzfahrten sind auch sehr gefragt. Aber natürlich auch das nigelnagelneue Auto“, berichtet RTLplus-Leiter Jan Peter Lacher über die gefragtesten Preise. Die Stimmung kippt allerdings auch nicht, wenn am Ende nur ein Katzentrinkbrunnen auf der Habenseite steht. Lacher nennt das dann „ein Hauch von Schrottwichteln“.
Um das Original einzuholen, müsste allerdings viel gewichtelt werden. Das brachte es einst auf 1873 Folgen.
Die Sendung läuft bei RTLplus vom 9. Oktober an, täglich Mo-So, 17.45 Uhr.