Schwäbische Zeitung (Laupheim)
E-Motor macht Turbo Dampf
Rolls-Royce will MTU-Motoren mit Neuentwicklung von G+L innotec ausrüsten
UNTERSULMETINGEN – In langer Arbeit hat die Firma G+L innotec eine neue Technologie zur elektrisch unterstützten Aufladung von Verbrennungsmotoren entwickelt. Jetzt ist den Untersulmetinger Ingenieuren ein Durchbruch gelungen: Rolls-Royce wird die Innovation für MTU-Motoren nutzen.
UNTERSULMETINGEN - In mehrjähriger Arbeit hat die Firma G+L innotec eine neue Technologie zur elektrisch unterstützten Aufladung von Verbrennungsmotoren entwickelt. Jetzt ist den Untersulmetinger Ingenieuren ein Durchbruch gelungen: Das Unternehmen Rolls-Royce Power Systems hat für seinen Anwendungsbereich exklusive Nutzungsrechte an der patentrechtlich geschützten Erfindung erworben. Von 2021 an will der in Friedrichshafen ansässige Konzern mit dem „CrossCharger“bestückte Motoren der Marke MTU für Schiffe, Notstromaggregate und Landfahrzeuge auf den Markt bringen.
„Auf dem Weg zur Hybridisierung des Motors stellt die elektrisch unterstützte Aufladung einen wesentlichen Meilenstein dar“, heißt es in einer Pressemitteilung von RollsRoyce. „Mit dieser Technologie wird es uns möglich sein, verbrauchsärmere und agilere Motoren zu entwickeln.“In enger Partnerschaft wollen MTU und G+L die weiteren Schritte bis zur Serienreife tun.
Beim „Cross-Charger“handelt es sich um einen Turbolader, der mit dem von G+L innotec konstruierten Elektroantrieb gekoppelt ist. Vor dem Verdichterrad wird ein Permanentmagnet montiert und in das Gehäuse des Verdichters die elektrische Wicklung integriert. Das Besondere an dieser Anordnung ist der große Abstand zwischen Magnet und Wicklung. So kann ungehindert Luft angesaugt werden, die nebenbei die elektrischen Komponenten kühlt.
Der Elektromotor macht dem Turbolader Dampf – blitzschnell wird Ladedruck aufgebaut. Notstromaggregate liefern dadurch früher die volle Leistung. Schiffe, Nutzfahrzeuge und Autos beschleunigen besser. Die Abgasrückführungsrate kann erhöht und überschüssige Abgasenergie zur Stromerzeugung genutzt werden, was zum Beispiel die elektrische Reichweite von Hybridfahrzeugen vergrößert.
Verbrauch sinkt, weniger Emissionen
All dies steigert den Wirkungsgrad von Verbrennungsmotoren und sorgt selbst bei Sportwagen für einen Extrakick, wie Holger Gödeke, promovierter Ingenieur und geschäftsführender Gesellschafter von G+L innotec, anhand von Praxisversuchen belegen kann. Gleichzeitig sinken Kraftstoffverbrauch und CO2Ausstoß um bis zu 20 Prozent und die Stickoxid-Emissionen um bis zu 40 Prozent, fasst er die Ergebnisse von Vorserienprojekten mit MTU, Autoherstellern und Zulieferern zusammen – „und das unter realen Betriebsbedingungen“.
Kein Wunder, dass sich inzwischen Autobauer weltweit für die Innovation von G+L innotec interessieren. Gerade bei den heute verbreiteten Downsizing-Motoren spielt die Aufladung eine wichtige Rolle; der sparsame Umgang mit Ressourcen ist dringlicher denn je. „Die meisten deutschen Premium-Autohersteller haben unser System, das mit allen gängigen Turboladern und auch mit Gasmotoren und Brennstoffzellen kompatibel ist, getestet – durchweg mit Erfolg“, berichtet Gödeke.
G+L innotec ist aus der Lindenmaier AG in Untersulmetingen hervorgegangen. Bevor der Automobilzulieferer 2009 im Gefolge der damaligen Finanz- und Wirtschaftskrise Insolvenz anmelden musste, hatten Gödeke und andere dort bereits erfolgreich an einer Verbesserung des Turboladers gearbeitet. Walter Lindenmaier sicherte die Patente für die neue eigenständige Firma G+L, an der er und Gödeke als Gesellschafter beteiligt sind. Die Miterfinder Rudolf Löffler und Ralf Heber sind ebenfalls an Bord.
Das im historischen Mühlengebäude auf der Rißinsel ansässige Unternehmen hat acht feste und etliche freie Mitarbeiter und hilft seinen Kunden, die unter anderem aus der Automobilbranche, dem Maschinenbau und der Medizintechnik kommen, Produktentwicklung und Fertigungsprozesse zu optimieren. Die eigene „Turbo-by-Wire“-Idee hat man darüber nie aus den Augen verloren. Zuschüsse aus einem Innovationsprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums ermöglichten es, in die praktische Erprobung zu gehen und in Simulationen und Tests den Nachweis zu erbringen, dass der „CrossCharger“funktioniert und enormes Potenzial besitzt.
Dass jetzt Rolls-Royce zum ersten Lizenznehmer wurde, hänge damit zusammen, dass die Friedrichshafener im Gegensatz zu den Autoherstellern auch die Turbolader selber fertigen, sagt Gödeke. Das verkürze Erprobungs- und Entscheidungsprozesse. Bei G+L innotec ist man stolz auf die Kooperation. „Ein Unternehmen von Weltrang ist in diese Technologie eingestiegen“, freut sich Walter Lindenmaier. Wenn das keine Empfehlung ist.