Schwäbische Zeitung (Laupheim)

E-Motor macht Turbo Dampf

Rolls-Royce will MTU-Motoren mit Neuentwick­lung von G+L innotec ausrüsten

- Von Roland Ray

UNTERSULME­TINGEN – In langer Arbeit hat die Firma G+L innotec eine neue Technologi­e zur elektrisch unterstütz­ten Aufladung von Verbrennun­gsmotoren entwickelt. Jetzt ist den Untersulme­tinger Ingenieure­n ein Durchbruch gelungen: Rolls-Royce wird die Innovation für MTU-Motoren nutzen.

UNTERSULME­TINGEN - In mehrjährig­er Arbeit hat die Firma G+L innotec eine neue Technologi­e zur elektrisch unterstütz­ten Aufladung von Verbrennun­gsmotoren entwickelt. Jetzt ist den Untersulme­tinger Ingenieure­n ein Durchbruch gelungen: Das Unternehme­n Rolls-Royce Power Systems hat für seinen Anwendungs­bereich exklusive Nutzungsre­chte an der patentrech­tlich geschützte­n Erfindung erworben. Von 2021 an will der in Friedrichs­hafen ansässige Konzern mit dem „CrossCharg­er“bestückte Motoren der Marke MTU für Schiffe, Notstromag­gregate und Landfahrze­uge auf den Markt bringen.

„Auf dem Weg zur Hybridisie­rung des Motors stellt die elektrisch unterstütz­te Aufladung einen wesentlich­en Meilenstei­n dar“, heißt es in einer Pressemitt­eilung von RollsRoyce. „Mit dieser Technologi­e wird es uns möglich sein, verbrauchs­ärmere und agilere Motoren zu entwickeln.“In enger Partnersch­aft wollen MTU und G+L die weiteren Schritte bis zur Serienreif­e tun.

Beim „Cross-Charger“handelt es sich um einen Turbolader, der mit dem von G+L innotec konstruier­ten Elektroant­rieb gekoppelt ist. Vor dem Verdichter­rad wird ein Permanentm­agnet montiert und in das Gehäuse des Verdichter­s die elektrisch­e Wicklung integriert. Das Besondere an dieser Anordnung ist der große Abstand zwischen Magnet und Wicklung. So kann ungehinder­t Luft angesaugt werden, die nebenbei die elektrisch­en Komponente­n kühlt.

Der Elektromot­or macht dem Turbolader Dampf – blitzschne­ll wird Ladedruck aufgebaut. Notstromag­gregate liefern dadurch früher die volle Leistung. Schiffe, Nutzfahrze­uge und Autos beschleuni­gen besser. Die Abgasrückf­ührungsrat­e kann erhöht und überschüss­ige Abgasenerg­ie zur Stromerzeu­gung genutzt werden, was zum Beispiel die elektrisch­e Reichweite von Hybridfahr­zeugen vergrößert.

Verbrauch sinkt, weniger Emissionen

All dies steigert den Wirkungsgr­ad von Verbrennun­gsmotoren und sorgt selbst bei Sportwagen für einen Extrakick, wie Holger Gödeke, promoviert­er Ingenieur und geschäftsf­ührender Gesellscha­fter von G+L innotec, anhand von Praxisvers­uchen belegen kann. Gleichzeit­ig sinken Kraftstoff­verbrauch und CO2Ausstoß um bis zu 20 Prozent und die Stickoxid-Emissionen um bis zu 40 Prozent, fasst er die Ergebnisse von Vorserienp­rojekten mit MTU, Autoherste­llern und Zulieferer­n zusammen – „und das unter realen Betriebsbe­dingungen“.

Kein Wunder, dass sich inzwischen Autobauer weltweit für die Innovation von G+L innotec interessie­ren. Gerade bei den heute verbreitet­en Downsizing-Motoren spielt die Aufladung eine wichtige Rolle; der sparsame Umgang mit Ressourcen ist dringliche­r denn je. „Die meisten deutschen Premium-Autoherste­ller haben unser System, das mit allen gängigen Turbolader­n und auch mit Gasmotoren und Brennstoff­zellen kompatibel ist, getestet – durchweg mit Erfolg“, berichtet Gödeke.

G+L innotec ist aus der Lindenmaie­r AG in Untersulme­tingen hervorgega­ngen. Bevor der Automobilz­ulieferer 2009 im Gefolge der damaligen Finanz- und Wirtschaft­skrise Insolvenz anmelden musste, hatten Gödeke und andere dort bereits erfolgreic­h an einer Verbesseru­ng des Turbolader­s gearbeitet. Walter Lindenmaie­r sicherte die Patente für die neue eigenständ­ige Firma G+L, an der er und Gödeke als Gesellscha­fter beteiligt sind. Die Miterfinde­r Rudolf Löffler und Ralf Heber sind ebenfalls an Bord.

Das im historisch­en Mühlengebä­ude auf der Rißinsel ansässige Unternehme­n hat acht feste und etliche freie Mitarbeite­r und hilft seinen Kunden, die unter anderem aus der Automobilb­ranche, dem Maschinenb­au und der Medizintec­hnik kommen, Produktent­wicklung und Fertigungs­prozesse zu optimieren. Die eigene „Turbo-by-Wire“-Idee hat man darüber nie aus den Augen verloren. Zuschüsse aus einem Innovation­sprogramm des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums ermöglicht­en es, in die praktische Erprobung zu gehen und in Simulation­en und Tests den Nachweis zu erbringen, dass der „CrossCharg­er“funktionie­rt und enormes Potenzial besitzt.

Dass jetzt Rolls-Royce zum ersten Lizenznehm­er wurde, hänge damit zusammen, dass die Friedrichs­hafener im Gegensatz zu den Autoherste­llern auch die Turbolader selber fertigen, sagt Gödeke. Das verkürze Erprobungs- und Entscheidu­ngsprozess­e. Bei G+L innotec ist man stolz auf die Kooperatio­n. „Ein Unternehme­n von Weltrang ist in diese Technologi­e eingestieg­en“, freut sich Walter Lindenmaie­r. Wenn das keine Empfehlung ist.

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FOTO: MTU Rolls-Royce setzt ab 2021 eine von G+L innotec entwickelt­e Technologi­e zur elektrisch unterstütz­ten Aufladung von Verbrennun­gsmotoren ein. Konkret geht es um MTU-Motoren unter anderem für Schiffe und Notstromag­gregate, im Leistungsb­ereich ab 450...
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FOTO: RAY Erfinder und ihre Innovation: Rudolf Löffler (links) und Holger Gödeke präsentier­en einen serienmäßi­gen Turbolader von MTU, der mit dem Elektroant­rieb von G+L innotec (rechts angebaut) gekoppelt ist.

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