Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Gemeinsam schmeckt auch der Brokkoli
Der Verein „Lernen fördern“ist von der Wielandschule in das frühere Volksbank-Gebäude in Baustetten umgezogen
Verein „Lernen fördern“betreut jetzt in Baustetten Kinder und Jugendliche.
BAUSTETTEN - „Wenn neue Kinder kommen, dann sind wir immer sofort alle Freunde“, erzählt der 13-jährige Deniz, während er seine Hausaufgaben macht. Im Mai ist der Biberacher Verein „Lernen fördern“mit seiner Laupheimer Zweigstelle von der Wielandschule nach Baustetten umgezogen. Zwei Gruppen haben ihr neues Zuhause im ehemaligen Gebäude der Volksbank gefunden. Im Erdgeschoss ist der Schulkindergarten und im Obergeschoss die Kombinationsgruppe untergebracht, beides Angebote für besonders förderungsbedürftige Kinder.
„Wir sind da, um den sozialen Kreislauf von Familien mit Defiziten zu durchbrechen und ihnen die freiwillige Möglichkeit zu geben, von uns zu lernen“, sagt Werner Krug, Geschäftsführer des Vereins. „Das sind Familien, in denen es keinen geregelten Tagesablauf gibt, in denen die Eltern, oft mit wenig Einkommen, mit der Versorgung ihrer Kinder überfordert sind und die Kinder deshalb in der Schule verhaltensauffällig werden.“
Den Alltag strukturieren
Jeden Tag nach der Schule kommen Deniz, Luan und die anderen Schüler im Alter von sechs bis 16 Jahren in die Kombigruppe. Dann essen sie zusammen, spielen, gehen raus und machen ihre Hausaufgaben. Mit Hilfe der Betreuer lernen sie, ihre Hausaufgaben pflichtbewusst zu erledigen und ohne die Ablenkung von Handy oder Fernseher zu spielen.
„Wir gestalten den Alltag hier ganz strukturiert, denn das ist es, was den Kindern zu Hause oft fehlt“, sagt Marina Hannes, Gruppenleiterin. Sie schafft mit ihren Kollegen einen Rahmen aus Regeln und Abläufen, in dem die Kinder sich bewegen. Dafür bekommt jedes Kind ein individuelles Wochenziel. Luan zum Beispiel muss aufhören, seine Hausaufgaben zu verschweigen und die Betreuerinnen anzuschwindeln, wenn sie ihn danach fragen. Am Abend sitzt die Gruppe zusammen und jeder Einzelne reflektiert, ob er an diesem Tag sein Ziel erreicht hat. Anschließend gibt die Gruppe ihm ein Feedback.
„Die Kombinationsgruppe ist etwas Einzigartiges in unserem Landkreis, eine Mischung aus sozialer Gruppenarbeit und Tagesgruppe“, erklärt Werner Krug. Gerade im ländlichen Raum, in dem die einzelnen Gruppen oft nicht voll werden, sei die Kombi-Gruppe für den Landkreis ökonomisch sinnvoll. Deshalb ist Werner Krug im nächsten Jahr auch in anderen Landkreisen unterwegs, die sich für die Kombi-Gruppe interessieren. „Unser Erfolg damit ist ziemlich groß“, sagt er. „Auch, weil wir viel mit den Eltern zusammenarbeiten. Es gibt Familienwochenenden, an denen wir mit Eltern und Kindern zusammenarbeiten, und alle sechs Monate führen wir Entwicklungsgespräche.“
Enge Kooperation mit Jugendamt
Finanziert wird die Betreuung vom Jugendamt, mit dem der Verein „Lernen fördern“eng zusammenarbeitet. Die Aufnahmegespräche werden mit Verein, Jugendamt und den Eltern zusammen geführt, um zu schauen, ob das Kind in die Gruppe passt. „Oft gibt es in den Familien kein gemeinsames Essen; Geburtstage und Weihnachten werden nicht gefeiert, weil es den Eltern an Phantasie und Erfahrung fehlt“, erzählt Marina Hannes. All das wird im Verein „Lernen fördern“nachgeholt. Viele Kinder, die ihre eigene Situation gut einschätzen können, schämen sich für ihre Familienund Wohnverhältnisse, auch das trägt zur Verhaltensauffälligkeit bei. „Wer unglücklich ist, der strahlt das dann natürlich auch aus“, sagt Werner Krug.
Unglücklich wirken die Kinder indessen gar nicht, als sie beim Mittagessen zusammensitzen und ihre selbstgekochte Nudelsuppe löffeln. Jeder erzählt und lacht, und auch Deniz, der am Anfang noch meckert und den Brokkoli aus der Suppe aussortieren will, lässt es sich bei all der Ablenkung das gemeinsame Essen am Ende doch schmecken.