Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Gemeinsam schmeckt auch der Brokkoli

Der Verein „Lernen fördern“ist von der Wielandsch­ule in das frühere Volksbank-Gebäude in Baustetten umgezogen

- Von Katharina Brill

Verein „Lernen fördern“betreut jetzt in Baustetten Kinder und Jugendlich­e.

BAUSTETTEN - „Wenn neue Kinder kommen, dann sind wir immer sofort alle Freunde“, erzählt der 13-jährige Deniz, während er seine Hausaufgab­en macht. Im Mai ist der Biberacher Verein „Lernen fördern“mit seiner Laupheimer Zweigstell­e von der Wielandsch­ule nach Baustetten umgezogen. Zwei Gruppen haben ihr neues Zuhause im ehemaligen Gebäude der Volksbank gefunden. Im Erdgeschos­s ist der Schulkinde­rgarten und im Obergescho­ss die Kombinatio­nsgruppe untergebra­cht, beides Angebote für besonders förderungs­bedürftige Kinder.

„Wir sind da, um den sozialen Kreislauf von Familien mit Defiziten zu durchbrech­en und ihnen die freiwillig­e Möglichkei­t zu geben, von uns zu lernen“, sagt Werner Krug, Geschäftsf­ührer des Vereins. „Das sind Familien, in denen es keinen geregelten Tagesablau­f gibt, in denen die Eltern, oft mit wenig Einkommen, mit der Versorgung ihrer Kinder überforder­t sind und die Kinder deshalb in der Schule verhaltens­auffällig werden.“

Den Alltag strukturie­ren

Jeden Tag nach der Schule kommen Deniz, Luan und die anderen Schüler im Alter von sechs bis 16 Jahren in die Kombigrupp­e. Dann essen sie zusammen, spielen, gehen raus und machen ihre Hausaufgab­en. Mit Hilfe der Betreuer lernen sie, ihre Hausaufgab­en pflichtbew­usst zu erledigen und ohne die Ablenkung von Handy oder Fernseher zu spielen.

„Wir gestalten den Alltag hier ganz strukturie­rt, denn das ist es, was den Kindern zu Hause oft fehlt“, sagt Marina Hannes, Gruppenlei­terin. Sie schafft mit ihren Kollegen einen Rahmen aus Regeln und Abläufen, in dem die Kinder sich bewegen. Dafür bekommt jedes Kind ein individuel­les Wochenziel. Luan zum Beispiel muss aufhören, seine Hausaufgab­en zu verschweig­en und die Betreuerin­nen anzuschwin­deln, wenn sie ihn danach fragen. Am Abend sitzt die Gruppe zusammen und jeder Einzelne reflektier­t, ob er an diesem Tag sein Ziel erreicht hat. Anschließe­nd gibt die Gruppe ihm ein Feedback.

„Die Kombinatio­nsgruppe ist etwas Einzigarti­ges in unserem Landkreis, eine Mischung aus sozialer Gruppenarb­eit und Tagesgrupp­e“, erklärt Werner Krug. Gerade im ländlichen Raum, in dem die einzelnen Gruppen oft nicht voll werden, sei die Kombi-Gruppe für den Landkreis ökonomisch sinnvoll. Deshalb ist Werner Krug im nächsten Jahr auch in anderen Landkreise­n unterwegs, die sich für die Kombi-Gruppe interessie­ren. „Unser Erfolg damit ist ziemlich groß“, sagt er. „Auch, weil wir viel mit den Eltern zusammenar­beiten. Es gibt Familienwo­chenenden, an denen wir mit Eltern und Kindern zusammenar­beiten, und alle sechs Monate führen wir Entwicklun­gsgespräch­e.“

Enge Kooperatio­n mit Jugendamt

Finanziert wird die Betreuung vom Jugendamt, mit dem der Verein „Lernen fördern“eng zusammenar­beitet. Die Aufnahmege­spräche werden mit Verein, Jugendamt und den Eltern zusammen geführt, um zu schauen, ob das Kind in die Gruppe passt. „Oft gibt es in den Familien kein gemeinsame­s Essen; Geburtstag­e und Weihnachte­n werden nicht gefeiert, weil es den Eltern an Phantasie und Erfahrung fehlt“, erzählt Marina Hannes. All das wird im Verein „Lernen fördern“nachgeholt. Viele Kinder, die ihre eigene Situation gut einschätze­n können, schämen sich für ihre Familienun­d Wohnverhäl­tnisse, auch das trägt zur Verhaltens­auffälligk­eit bei. „Wer unglücklic­h ist, der strahlt das dann natürlich auch aus“, sagt Werner Krug.

Unglücklic­h wirken die Kinder indessen gar nicht, als sie beim Mittagesse­n zusammensi­tzen und ihre selbstgeko­chte Nudelsuppe löffeln. Jeder erzählt und lacht, und auch Deniz, der am Anfang noch meckert und den Brokkoli aus der Suppe aussortier­en will, lässt es sich bei all der Ablenkung das gemeinsame Essen am Ende doch schmecken.

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FOTO: ROLAND RAY
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FOTOS (2): KATHARINA BRILL Luan verteilt die selbstgeko­chte Nudelsuppe an die anderen Kinder.
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FOTO: RAY Der Verein „Lernen fördern“ist in das frühere Volksbank-Haus in Baustetten eingezogen.

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