Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Munderkinger suchen verzweifelt Hilfe
Dreijähriger kann nicht in den Kindergarten, weil niemand die Betreuung finanzieren will
MUNDERKINGEN - Eigentlich sollten die dreijährigen Zwillingsjungs Vlad und Stas von Irina und Sergej Lakstankin aus Munderkingen schon seit September den Kindergarten Loreley besuchen. Weil bei Vlad aber mit einem Jahr Diabetes Typ I diagnostiziert wurde, ist der Besuch der Einrichtung für den kleinen Jungen nur mit besonderer Betreuung möglich. Seit etwa einem halben Jahr versucht seine Mutter nun, diese sogenannte Eingliederungshilfe vom Landratsamt Alb-Donau-Kreis finanziert zu bekommen. Aber die Behörde lehnt die notwendige Finanzierung ab.
„Ich bin völlig fertig und verzweifelt. Ich weiß nicht mehr, an wen ich mich noch wenden soll“, sagt Mutter Irina Lakstankin. Seit März versucht die junge Mutter, die nötige Unterstützung für ihren Jungen zu erhalten und kommt bei keiner Anlaufstelle weiter. Kindergartenleiterin Christa Stöhr hatte der 31-Jährigen schon Anfang des Jahres bei der Anmeldung der Kinder gesagt, dass es einige Zeit dauern könne, bis die nötigen Hilfen bewilligt werden. Dass sie aber nach einem halben Jahr nichts erreicht haben würde, damit hatte die Munderkingerin nicht gerechnet.
Vom Landkreis zur Krankenkasse
Beim zuständigen Landratsamt AlbDonau-Kreis hatte Irina Lakstankin einen Antrag auf sogenannte Eingliederungshilfe gestellt. Die soll behinderten oder chronisch kranken Menschen wie Vlad die Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen, die ohne diese Betreuung nur eingeschränkt möglich wäre. Das Landratsamt aber hat diesen Antrag an die Krankenkasse der Familie, die AOK, weitergeleitet. Weil Vlad eben keine ständige Betreuung, sondern eine medizinische Versorgung im Rahmen der sogenannten Behandlungspflege zustünde, und die muss die Kasse zahle. „In dem Fall greift die Behandlungspflege nach Paragraf 37 Sozialgesetzbuch V. Hierfür sind die Krankenkassen der zuständige Träger. Die Behandlungspflege bezieht sich auf die Notwendigkeit einer ständigen Beobachtung und Kontrolle der körperlichen Situation eines kleinen Kindes, das in den Kindergarten kommen soll“, teilt Bernd Weltin, Sprecher des Landratsamtes, auf Nachfrage mit.
Aber eben die Behandlungspflege, die die AOK auch finanzieren würde, reiche im Fall des Dreijährigen nicht aus, betont seine Mutter und der behandelnde Arzt des Jungen bestätige das. „Es reicht nicht, wenn eine Pflegerin zweimal kommt, seinen Blutzucker misst, Insulin spritzt und dann wieder geht“, beteuert sie. Der Blutzuckerspiegel des kleinen Jungen sei sehr schwankend, deshalb müsse er ständig beobachtet werden, um eventuelle Schwankungen schnell zu erkennen. „Und das kann Vlad noch nicht allein, dafür ist er viel zu klein und auch von einer Erzieherin, die noch für viele andere Kinder die Verantwortung trägt, kann man das nicht erwarten“, sagt Irina Lakstankin.
Hilfe bei der Insulinpumpe
Zudem wird ihr dreijähriger Sohn über eine Insulinpumpe mit dem lebenswichtigen Hormon versorgt. „Wenn sich der Versorgungsschlauch aus seiner Haut löst oder verstopft ist, braucht er sofort Hilfe, er kann sie nicht allein wieder anschließen“, schildert die Mutter weitere Probleme. „Ich muss wissen, dass jemand da ist, der speziell nach Vlad schaut, wenn er im Kindergarten ist, sonst kann ich ihn nicht beruhigt dort lassen“, sagt die junge Frau, die gern wieder als Zahnarzthelferin arbeiten würde. „Aber das geht nicht, wenn die Gefahr besteht, dass jeden Moment der Kindergarten anruft, weil ich Vlads Insulinpumpe wieder anschließen müsste“, erklärt Irina Lakstankin. Momentan kann sie nur abends, wenn ihr Mann zu Hause ist und sie sich schon den ganzen Tag um die quirligen Zwillinge gekümmert hat, arbeiten gehen, um die Familienkasse etwas aufzubessern. „Eine andere Wahl habe ich nicht.“
Von Kindergartenleiterin Christa Stöhr weiß die Mutter, dass die Einrichtung mit einer Frau zusammenarbeite, die die Eingliederungshilfe übernehmen könnte und die auch schon ein anderes Kind dort betreut hat. „Aber niemand will die Frau bezahlen“, sagt die Zwillingsmama traurig. „Ich kann Vlad doch nicht in eine Behinderteneinrichtung schicken, er ist geistig und körperlich genauso fit wie sein Bruder, er hat nur ein Problem mit dem Zucker“, fügt sie hinzu.
Auch bei ihrem behandelnden Diabetologen in der Uniklinik Ulm hat sich Irina Lakstankin erkundigt, was sie tun kann, um die Eingliederungshilfe zu bekommen, auf die behinderte Menschen wie Vlad, der zu 50 Prozent als behindert eingestuft ist, eigentlich einen Rechtsanspruch haben. „Dort wurde mir gesagt, dass fast alle Eltern das gleiche Problem haben und dass hier eigentlich nur ein Anwalt hilft.“Deshalb hat die Familie nun auch einen Rechtsbeistand beauftragt, der Vlads Ansprüche beim Gericht einklagen soll. Verschiedene Urteile in ähnlichen Fällen bestätigen schon jetzt den Anspruch des Kindes. „Aber der Anwalt hat gesagt, dass das anderthalb Jahre dauern kann“, sagt Irina Lakstankin, die auch für die Entwicklung ihrer Jungs hofft, dass schneller eine Lösung gefunden wird. Denn auch den gesunden Stas kann die junge Frau nicht in den Kindergarten schicken. „Vlad will so sehr in den Kindergarten, er würde doch nicht verstehen, warum sein Bruder das darf und er zu Hause bleiben muss.“
Fast jeden Tag gehe sie mit ihren Jungen beim Kindergarten Loreley vorbei, um die Kinder dort schon ein bisschen kennenzulernen. Damit der Kindergartenstart, sollte er doch irgendwann möglich werden, vielleicht etwas leichter fällt.