Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Diebstahl im Gotteshaus
Immer plündern Unbekannte Opferstöcke - Aufklärung für die Polizei schwierig
REGION ULM - Die meisten Menschen gehen in eine Kirche, um dort an einem Gottesdienst teilzunehmen oder für sich im Stillen zu beten. Doch andere erhoffen sich von einem solchen Besuch etwas ganz anderes als Einkehr und Besinnung: Geld – das sie aus den Opferstöcken stehlen. Im Landkreis Neu-Ulm gibt es jedes Jahr um die zwei solcher Fälle, wie Polizeikommissar Tobias Vrancken, Leiter der zivilen Einsatzgruppe der Operativen Ergänzungsdienste (OED) Neu-Ulm, sagt. Diese könnten aber viele mehr als nur eine einzige Tat umfassen. Und dann gibt es noch die Diebstähle, die überhaupt nicht verzeichnet sind.
Die Polizei spricht hier von einem sogenannten Dunkelfeld – also Taten, die zwar begangen worden, aber nicht entdeckt oder angezeigt worden sind. Die Anzahl dieser Fälle ist geschätzt rund ein Zehnfaches höher als die, von denen die Ermittler wissen. Opferstockdiebstähle seien noch einmal ein ganz besonderes Delikt, erklärt Vrancken. „Bei einer Firma sieht man Einbruchspuren oder bemerkt zumindest, dass etwas verschwunden ist.“Das sei bei einem Opferstock anders – denn die meisten Diebe haben einen anderen Weg gefunden als ihn einfach gewaltsam aufzubrechen. Ebenfalls besonders speziell seien diese Fälle, weil man nicht genau wisse, wie viel Geld sich in dem Behältnis überhaupt befindet. „Das ist ein absolut nicht feststellbares Delikt – wenn ich nicht aktiv etwas tue.“
Deswegen ist die Zusammenarbeit mit der Kirche besonders wichtig – vor allem präventiv: Andere, besser gesicherte Opferstöcke beugen Diebstählen vor. Und „falsche Fünfer“– Scheine, deren Seriennummern notiert wurde – sind oft der Schlüssel, um herauszufinden, ob Geld gestohlen worden ist. So kam man auch zwei Tätern auf die Spur, die 2015 mehrmals in einer Kirche in Weißenhorn Beute gemacht hatten – bis sich die Ermittler auf die Lauer legten und die beiden Männer auf frischer Tat ertappten.
Vrancken stellt klar: „Es ist richtig schwierig, die Opferstockdiebe ohne technische Hilfsmittel zu überführen.“Und genau da kommen Vrancken und sein Team ins Spiel. Denn sie kümmern sich in diesen Fällen vor allem um die Überwachung der betroffenen Kirche. „Wir entlasten damit die Kollegen in den Inspektionen und haben auch mehr die Zeit, alles beweissicher zu machen.“Ebenfalls zuständig sind Vrancken und seine Kollegen am Ende auch für die Festnahme der Diebe.
Bis zu zehn Jahre Gefängnis drohen den Dieben
Viele der Täter haben Vrancken zufolge keinen festen Wohnsitz und müssen deshalb zunächst in Untersuchungshaft. Denn ein solcher Diebstahl sei alles andere als ein kleines Vergehen, wie der Polizeikommissar betont: „Das Geld wird aus einem gesicherten Objekt gestohlen. Das gilt als schwerer Diebstahl.“Dann drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis. „Das rechnet sich für den Dieb auf gar keinen Fall.“
Manche der Diebe gingen besonders dreist vor, erzählt Vrancken. „Wir hatten auch schon Fälle, wo sie das Geld gestohlen haben, während andere Menschen in der Kirche waren.“Die meisten Täter arbeiten im Team, so wie bei dem Fall 2015 in Weißenhorn. Während einer das Geld stahl, stand damals der andere Schmiere. Kontakt hielt das Duo über ein Sprechfunkgerät – und ging generell recht professionell vor, wie die Polizei damals sagte.
Doch auch, wenn die Täter festgenommen sind – oft lässt sich gar nicht sagen, wo sie vorher überall zugeschlagen haben. Vrancken erinnert sich an einen Fall, bei dem einer der Diebe viele Geldscheine in der Hosentasche hatte, die eindeutig aus Opferstöcken gestohlen wurden – allerdings blieb die Frage, in welchen Kirchen. Vrancken erklärt: „Es ist richtig, richtig schwierig nachzuvollziehen, wo der Täter das Geld her hat.“Und die meisten der Diebe, so Vrancken, seien nicht lokal gebunden, sondern im gesamten süddeutschen Raum unterwegs.