Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ehepaar beschäftig­te Schwarzarb­eiter: Aufwendige­r Prozess

Das Paar soll in zwei Firmen Mitarbeite­r zu spät, falsch oder gar nicht gemeldet haben - Schaden von 158 000 Euro

- Von Ariane Attrodt

NEU-ULM - Fast eine Stunde lang kämpften sich die Beteiligte­n durch seitenlang­e Tabellen voller Bruttound Netto-Gehaltsang­aben, ausstehend­er Krankenkas­senbeiträg­e und bereits geleistete­r Nachzahlun­gen. Doch bereits vor dem Prozessauf­takt vor dem Neu-Ulmer Schöffenge­richt dürfte für sie klar gewesen sein, wie komplizier­t und aufwendig das Gerichtsve­rfahren gegen ein Ehepaar aus dem Neu-Ulmer Landkreis wird.

Dieses soll in zwei seiner Firmen mehrere Mitarbeite­r zu spät, falsch oder gar nicht zur Sozialvers­icherung angemeldet haben. Insgesamt entstand so ein Schaden von fast 158 000 Euro. Schon zu Beginn der Verhandlun­g räumten die beiden, die einschlägi­g vorbestraf­t sind, die Vorwürfe ein.

Die beiden Firmen – eine in der Transport-, die zweite in der Baubranche angesiedel­t – liefen auf den Namen des 38-jährigen Ehemanns. Die Büroarbeit überließ dieser aber lieber seiner 36-jährigen Frau, einer ausgebilde­ten Lohn- und Finanzbuch­halterin. „Haben Sie Ihre Ehefrau eigentlich überwacht?“, fragte der vorsitzend­e Richter Thomas Mayer den Angeklagte­n. Der antwortete, er habe seine Frau „immer wieder“gefragt, ob alles klappe. Die 36-Jährige fügte hinzu: „Ich habe ihm auch nie einen Anlass gegeben, dass er es kontrollie­rt.“Und so kamen zwischen 2011 und 2013 insgesamt 87 einzelne Fälle zustande, bei denen überhaupt keine oder zu wenige Abgaben gezahlt worden sind.

Bei der Befragung der beiden Angeklagte­n wurde außerdem deutlich, was sie mit den Mehreinnah­men gemacht haben: So besuchte die älteste der drei Töchter von der Vorschule bis zur vierten Klasse eine teure Privatschu­le – knapp 1000 Euro pro Monate hatten die Eltern dafür zahlen müssen. Mittlerwei­le habe sie die Schule aber gewechselt, sagte die 36Jährige vor Gericht. „Wir haben im Laufe der Verhandlun­g unseren Lebensstil umgestellt.“

Das ist wohl auch nötig, denn die finanziell­e Lage der Familie sieht nicht besonders gut aus: Neben den ausstehend­en Zahlungen an Krankenkas­sen hat sie noch weitere Schulden – unter anderem 515 000 Euro für ihr Haus. Bei diesem droht jetzt die Zwangsvers­teigerung, ein Termin dafür ist bereits angesetzt.

Rechtsanwa­lt Wolfgang Fischer, der den 38-jährigen Ehemann vertritt, gab seinem Mandanten Raum, die Zustände in der Transportb­ranche zu beschreibe­n. Er sagte: „Jetzt sehen wir, dass es sich nicht gerechnet hat. Aber wenn man da einmal drin ist, kommt man nicht so einfach wieder raus.“Das konnte Richter Mayer nachvollzi­ehen: „Wenn Sie die Beiträge gezahlt hätten, hätten Sie wahrschein­lich gar nichts verdient.“Er merkte jedoch an, dass die Familie auch günstigere Urlaube – als beispielsw­eise an der Côte d’Azur – hätte machen können.

Die 36-jährige Ehefrau sagt zudem aus, das das Computerpr­ogramm, das sie zur Abrechnung verwendet hatte, die Beiträge falsch berechnet habe. Zudem habe sie die Vorschüsse falsch abgezogen, wie sich herausstel­lte. Sie habe sich damals ein neues Programm installier­en lassen, später alle Unterlagen an einen Steuerbera­ter abgegeben. Richter Mayer betonte: „Das System ist das, was Sie eingeben.“Und: „Wenn Sie ihrem Steuerbera­ter die falschen Nettoverdi­enste geben, führt der auch weniger ab.“

Die größte Herausford­erung wird nun sein, herauszufi­nden, wie viel Geld welcher Krankenkas­se nun noch zusteht und wo bereits Nachzahlun­gen geleistet wurden.

So geht´s weiter Die Verhandlun­g wird am Mittwoch, 8. November, um 8.30 Uhr fortgesetz­t.

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FOTO: DPA Im Baugewerbe war ein Ehepaar tätig, das Sozialvers­icherungsb­eiträe hinterzoge­n haben soll.

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