Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Augenmaß der Tarifpartn­er nötig

- Von Benjamin Wagener

Die digitale Arbeitswel­t verändert die Rahmenbedi­ngungen für geregelte Arbeitszei­ten von Grund auf. Wenn Karosserie­pressen per Ferndiagno­se gewartet werden, wenn Maschinenf­ührer Produktion­sbänder mit dem iPad vom Baggersee aus bedienen können, zerbröselt das Konzept des klassische­n Sieben- beziehungs­weise Acht-Stunden-Tages. Die Arbeitgebe­r wollen die neuen Möglichkei­ten für sich nutzen und fordern die Akzeptanz effiziente­rer Organisati­onsmodelle.

Vor diesem Hintergrun­d ist die Forderung der IG Metall, die Bedürfniss­e der Arbeitnehm­er ebenfalls zu berücksich­tigen, völlig legitim. Tatsächlic­h fordert die Gewerkscha­ft nur ein, was Unternehme­n von ihren Mitarbeite­rn schon lange fordern: mehr Flexibilit­ät. Klar ist aber auch, dass die Forderunge­n nicht billig sind. Wenn der Arbeitgebe­rverband Südwestmet­all richtig liegt und 60 Prozent der Mitarbeite­r ihre Arbeit reduzieren würden und die Arbeitgebe­r 50 Prozent der nicht geleistete­n Arbeit trotzdem entlohnen müssen, summiert sich die Lohnforder­ung der IG Metall einschließ­lich der Kosten für zusätzlich­e Arbeitskrä­fte und der geforderte­n sechs Prozent Lohnerhöhu­ng auf zwölf Prozent. Das ist viel – auch angesichts sehr gut laufender Geschäfte auf der einen und der Lohnzurück­haltung der Gewerkscha­ften in den vergangene­n Jahren auf der anderen Seite.

Hinzu kommt, dass die Unternehme­n der deutschen Schlüsseli­ndustrien Auto und Maschinenb­au schon jetzt Probleme haben, qualifizie­rte Mitarbeite­r zu finden. Eine optionale 28-Stunden-Woche bei Teillohnau­sgleich würde das Problem verschärfe­n. Denn eine reduzierte Arbeitszei­t hätte noch mehr unerledigt­e Bestellung­en zur Folge. Ganz abgesehen von der Gefahr, dass Firmen versucht sein könnten, ins Ausland zu gehen oder aus dem Flächentar­ifvertrag auszusteig­en.

In den Gesprächen müssen beide Seiten mit Augenmaß um einen Kompromiss ringen. Beharrt die IG Metall siegesgewi­ss auf ihren Maximalfor­derungen, kommt es zu einem Arbeitskam­pf, der den Standort Deutschlan­d beschädigt.

b.wagener@schwaebisc­he.de

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