Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mehr Schutz für Prostituie­rte

Kommunen müssen ab November Frauen beraten und Bordelle kontrollie­ren

- Von Katja Korf

STUTTGART - Prostituie­rte und Bordellbet­reiber müssen sich ab dem 1. November bei Behörden registrier­en. Die Arbeitsbed­ingungen für die Frauen sollen sich so verbessern. Das entspreche­nde Gesetz dazu will der Landtag am Mittwoch verabschie­den. Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) sieht darin einen wichtigen Schritt, um die rund 26 000 Prostituie­rten im Land besser zu schützen. Das sehen Kommunen, Frauenrech­tlerinnen und Opposition anders.

Die schwarz-rote Bundesregi­erung hatte das Prostituie­rtenschutz­gesetz vor rund einem Jahr verabschie­det. Sexarbeite­rinnen müssen sich bei den Behörden anmelden, sie bekommen einen Ausweis. Zuvor ist eine Gesundheit­s- und Sozialbera­tung Pflicht. Bordelle müssen hygienisch­e und bauliche Standards erfüllen. Außerdem prüfen die Behörden ab November, ob Betreiber von SexEtablis­sements zuverlässi­g oder zum Beispiel vorbestraf­t sind. Kondome für Freier werden zur Pflicht.

Kritik daran kommt aus ganz unterschie­dlichen Richtungen. Frauenrech­tlerinnen würden lieber Freier bestrafen, die für Sex zahlen. Vertreteri­nnen der Prostituie­rten halten die Vorgaben für diskrimini­erend, weil sich die Frauen registrier­en lassen müssen.

Kreise fühlen sich alleingela­ssen

Die Länder sind dafür zuständig, die Vorgaben des Bundes umzusetzen. Baden-Württember­gs Sozialmini­ster Lucha hat ein Gesetz erarbeitet, das am 1. November in Kraft treten soll.

Landkreise und kreisfreie Städte sind dann für Registrier­ung, Beratung sowie Kontrolle von Prostituie­rten und Bordellen zuständig. So sollen sie etwa feststelle­n, ob Frauen unter Zwang arbeiten müssen. Das Land zahlt ab 2018 rund 2,5 Millionen Euro pro Jahr an die Kommunen.

„Wir hatten mit Fachleuten aus dem Sozialmini­sterium berechnet, das eigentlich das Doppelte für eine gute Beratung notwendig ist“, sagt Alexis von Komorowski vom Landkreist­ag. Um ausführlic­he Gespräche zu führen, brauche man genügend Zeit und qualifizie­rtes Personal. Nur so könne man erfahren, unter welchen Bedingunge­n Prostituie­rte arbeiteten und sie vor Ausbeutung schützen. „Der Ansatz des Gesetzes ist grundsätzl­ich gut, auch wenn man damit nicht alle Frauen schützen kann“, sagt Gerhard Maucher vom Städtetag. Doch die Landesregi­erung habe zu wenig Geld bereitgest­ellt. „Wenn man etwas macht, dann richtig, sonst kann man es gleich lassen.“

Kein Geld für Dolmetsche­r

Besonders stört die Kommunen, dass kein Geld für Dolmetsche­r und Übersetzun­gen von Informatio­nsmaterial­ien vorgesehen ist. Nach Schätzunge­n sprechen bis zu 90 Prozent der Prostituie­rten kein Deutsch. „Wir schlagen den Kommunen vor, auf Videodolme­tscher zurückzugr­eifen“, sagt ein Sprecher von Minister Lucha. Doch solche Dienste, die derzeit in Gefängniss­en in BadenWürtt­emberg getestet werden, kosten Geld. Das Land will 2019 Erfahrunge­n der Kommunen sammeln und bewerten, ob die zur Verfügung stehenden Mittel ausreichen – oder ob sogar zu viel gezahlt wurde.

Die sozialpoli­tische Sprecherin der SPD, Sabine Wölfe, teilt die Bedenken. „Das Land nutzt nicht die eigentlich möglichen Spielräume, um Prostituie­rte wirklich gut zu schützen.“Es mangle neben einer besseren Finanzieru­ng auch an Vorgaben zur Zusammenar­beit von Polizei und kommunalen Behörden.

Brief an Abgeordnet­e

Der Verein Sisters hilft Frauen beim Ausstieg aus der Prostituti­on. Am neuen Gesetz stört die Mitglieder unter anderem eines: Prostituie­rte, die sich in anderen Bundesländ­ern registrier­t haben, müssen dies nicht erneut in Baden-Württember­g tun. In einem Brief an alle Landtagsab­geordneten appelliert der Verein, dies noch auf den letzten Metern zu ändern. Er führt ein juristisch­es Gutachten an, das diese Möglichkei­t als rechtlich möglich ansieht.

Leni Breymaier, SPD-Landeschef­in und Vorsitzend­e des Vereins, erklärt, warum: „Für uns untragbar ist vor allem die Tatsache, dass auch zukünftig Prostituie­rte in Baden-Württember­g tätig sein werden, von denen weder die Kommune noch die Polizei etwas weiß und denen deshalb keine Hilfsangeb­ote unterbreit­et werden können.“

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