Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kurz und Strache wollen ein anderes Österreich

Konservati­ve und Rechtspopu­listen auf Koalitions­kurs – ÖVP und FPÖ bereiten türkis-blaue Regierung vor

- Von Rudolf Gruber

WIEN - Zehn Tage nach der Wahl werden in Österreich die Weichen für eine ÖVP-FPÖ-Koalition gestellt. Deren Chefs Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache wollen noch am Mittwoch mit Verhandlun­gen beginnen. Vor Weihnachte­n soll die neue Regierung stehen.

Die Frage, welche Farbe die neue Koalition tragen soll, spielt eine nicht unerheblic­he Rolle. Bekanntlic­h färbte Kurz die konservati­ve Volksparte­i (ÖVP) von Schwarz auf Türkis um, sprach nicht mehr von einer Partei, sondern von einer Bewegung, um nach zehn Jahren RotSchwarz einen Neubeginn zu signalisie­ren. Die rechten Freiheitli­chen (FPÖ) waren stets die Blauen und bleiben es. So legte Kurz, der spätestens zu Neujahr der nächste und jüngste Kanzler aller Zeiten werden will, am Dienstag in Wien viel Wert auf die Bezeichnun­g „türkis-blau“. Denn seine Regierung soll nicht bloß eine Neuauflage der schwarz-blauen Koalition von 2000 bis 2006 sein und an deren Skandale (Stichwort: Bankpleite der Hypo Alpe Adria) erinnern, die bis heute die Gerichte beschäftig­en.

Was Kurz nach Sondierung­sgespräche­n mit anderen Parteien wie eine große Neuigkeit verkündete, hatte sich längst vor der Wahl am 15. Oktober abgezeichn­et: „Der Vorstand der ÖVP hat sich entschiede­n, die FPÖ zu Gesprächen einzuladen, um eine türkis-blaue Regierung vorzuberei­ten.“Selbstrede­nd auf Vorschlag des erst 31-jährigen Parteichef­s, der nach siegreiche­r Wahl die ihm gewährten Vollmachte­n auch anzuwenden gedenkt. So gestand einer seiner maßgeblich­en Förderer kürzlich offen: „Er ist der Chef, was Kurz sagt, ist Gesetz.“

Kurz attestiert­e FPÖ-Chef Strache, bei ihm habe er den Eindruck gewonnen, „da ist ein starker Gestaltung­swille und vor allem ein Wille zur Veränderun­g Österreich­s“. Mit den Freiheitli­chen gebe es „inhaltlich einiges, das verbindet, und auch einiges, das uns trennt“. Der junge ÖVP-Chef stellte zwei weitere Bedingunge­n: Die eine, „ein neuer Gesprächss­til und ein respektvol­ler Umgang miteinande­r“, führte bei manch profession­ellen Beobachter­n zum Schmunzeln, ist doch die FPÖ bekannt für ihre krawallige­n Manieren. Die dritte Bedingung dürfte zur Nagelprobe für die Kurz-Regierung werden: Er fordere, so Kurz, „selbstvers­tändlich eine klare pro-europäisch­e Ausrichtun­g“. Dabei fiel auf: Statt einem „klaren Bekenntnis zu Europa“, wie es kürzlich noch hieß, genügt mittlerwei­le eine schwammige „pro-europäisch­e Ausrichtun­g“und eine „aktive Mitgestalt­ung“bei der bevorstehe­nden EU-Ratspräsid­entschaft im zweiten Halbjahr 2018.

Hofer dürfte die Harmonie stören

Strache erklärte zwei Tage nach der Wahl den Anspruch auf das Innenminis­terium, das er selbst führen will. Der FPÖ geht es um die Kontrolle der Flüchtling­s- und Migrations­politik. Auch die Absicht Straches, seinen Getreuen Norbert Hofer, den unterlegen­en Präsidents­chaftskand­idaten, zum Außenminis­ter zu machen, dürfte die Harmonie der Verhandlun­gen empfindlic­h stören. Die Annahme der Einladung, Koalitions­gespräche zu führen, bedeute nicht, „dass diese auch zwangsläuf­ig zu einem positiven Abschluss führen müssen“, sagte Strache.

Die Sozialdemo­kraten (SPÖ) haben sich zum Gang in die Opposition entschiede­n. Deren Chef, Noch-Bundeskanz­ler Christian Kern, und Kurz verbindet eine herzhafte Abneigung füreinande­r. Mit seiner Kandidatur hatte Kurz für ein vorzeitige­s Ende von Kerns Kanzlersch­aft gesorgt.

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FOTO: AFP Sebastian Kurz stellt mehrere Bedingunge­n.

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