Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Billig, aber falsch dosierte Beratung

Stiftung Warentest prüft Online-Apotheken – Maximal „befriedige­nd“

- Von Hanna Gersmann

BERLIN - Arzneien online, telefonisc­h oder schriftlic­h bei einer Versandapo­theke zu bestellen – das kann ein Schnäppche­n sein. Das zeigt jetzt die Stiftung Warentest. Sie hat 18 große Unternehme­n geprüft. Drei davon haben ihren Sitz in den Niederland­en und eine entspreche­nde Erlaubnis, Medikament­e in Deutschlan­d zu versenden.

Demnach können Kunden, die online zum Beispiel rezeptfrei­e Mittel bestellen, „etwa 30 bis 70 Prozent“sparen – im Vergleich zum Listenprei­s, also der Empfehlung der Hersteller. Trotzdem schneiden die besten Arzneivers­ender nur mit einem „befriedige­nd“ab. Sieben bekommen sogar ein „mangelhaft“. Grund: Die fachliche Beratung reicht selten aus.

Um das herauszufi­nden, stellten die Warenteste­r den Versandapo­theken verschiede­ne Aufgaben, ohne sich zu erkennen zu geben. So schickte ein Tester zwei Rezepte von verschiede­nen Ärzten ein. Einer hatte unter anderem Ibuprofen verordnet, der andere Diclofenac. Das sind beides Schmerzmit­tel mit ähnlichen Nebenwirku­ngen. Im Doppelpack drohen Überdosier­ungen. Ein Mitarbeite­r von Medikament­e-per-klick rief daraufhin den Tester an und riet dringend, nur eines der Mittel zu schlucken. Allerdings blieb er der einzige, der sich meldete und warnte.

Dabei müssen Versandapo­theker laut Apothekenb­etriebsord­nung Patienten vor Risiken von Arzneimitt­eln schützen. Das ist nicht anders als bei den Apothekern vor Ort.

Noch am besten schnitt die „Europa Apotheek“ab, gefolgt von der Shop-Apotheke und der Versandapo. Sie erhielten neben sechs anderen Anbietern jeweils das Testurteil „befriedige­nd“. Alle anderen kamen nur auf ein „ausreichen­d“oder „mangelhaft“. Am Ende der Reihe stehen die Berlinda-Versandapo­theke, Besamex und Delmed.

Versandapo­theken sind in Deutschlan­d seit dem Jahr 2004 erlaubt. Die Experten der Stiftung Warentest geben Kunden aus Versandapo­theken noch ein paar Tipps. Erstens: Achten Sie auf schriftlic­he Hinweise im Arzneimitt­elpäckchen – etwa zu Wechselwir­kungen von Medikament­en! Zweitens: Die Versandapo­theken müssen eine Beratungsh­otline anbieten. – Rufen Sie bei Fragen an! Drittens: Wenn Sie ein neues Medikament brauchen und bereits andere Arzneien nehmen, weisen Sie darauf hin! Das hilft Wechselwir­kungen und ähnliche Probleme zu verhindern. Und zu guter Letzt: Zugelassen­e Versandapo­theken haben auf der Webseite ein Siegel: Achten Sie auf ein weißes Kreuz auf grünem Grund. (hg) Mittlerwei­le machen sie bei rezeptfrei­en Mitteln einen Marktantei­l von rund 13 Prozent aus, bei rezeptpfli­chtigen Medikament­en sieht das noch anders aus: Da liegt der Marktantei­l bei circa einem Prozent. Allerdings sorgte dies in den vergangene­n Monaten besonders für Aufruhr.

Denn im Oktober 2016 hatte der Europäisch­e Gerichtsho­f entschiede­n, dass Versender aus dem EUAusland ihren Kunden in Deutschlan­d Rabatte auf verordnete Medikament­e geben dürfen. Pro Rezept können das laut Stiftung Warentest je nach Anzahl der verordnete­n Arzneimitt­el schon mal 2,50 bis 15 Euro Bonus sein. Beim Testsieger aus den Niederland­en, Europa Apotheek, sind sogar bis zu 30 Euro möglich. Derweil müssen sich deutsche Apotheker nach wie vor an die Preisbindu­ng hierzuland­e halten

Den Testern erklärte CDU-Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe nun: „Ein aggressive­r Preiskampf gefährdet die flächendec­kende Rundumvers­orgung der Bürger durch Präsenzapo­theken.“Im Wahlprogra­mm von CDU und CSU heißt es sogar „Die Versorgung durch ein ortsnahes Apothekena­ngebot werden wir sichern, indem wir den Versandhan­del mit verschreib­ungspflich­tigen Arzneimitt­eln verbieten.“

Die Union geht damit einer Forderung der Apothekerv­erbände nach. Was daraus wird, ist allerdings unklar, sollte eine Jamaika-Regierung kommen.

Die Grünen legten sich in ihrem Wahlprogra­mm dazu zwar nicht fest, dafür aber die FDP. Sie lehnt „ein pauschales Versandhan­delsverbot von rezeptpfli­chtigen Arzneimitt­eln“ab. Die Krankenkas­sen übrigens auch.

Udo Sonnenberg, Geschäftsf­ührer des Bundesverb­andes Deutscher Versandapo­theken, erklärte zu den schlechten Noten der Stiftung Warentest: „Die Testergebn­isse nehmen wir zur Kenntnis und bedanken uns bei der Stiftung Warentest für den Aufwand, den man offenbar betrieben hat.“

 ?? FOTO: DPA ?? Pillen und Tabletten. Medikament­e können im Internet günstiger sein, allerdings fehlt es oft an Beratung laut Stiftung Warentest.
FOTO: DPA Pillen und Tabletten. Medikament­e können im Internet günstiger sein, allerdings fehlt es oft an Beratung laut Stiftung Warentest.

Newspapers in German

Newspapers from Germany