Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mehr Zeit, mehr Geld

IG Metall legt Forderunge­n für Tarifrunde fest – Harte Auseinande­rsetzung erwartet

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG - In der Tarifrunde für die Beschäftig­ten der Metall- und Elektroind­ustrie tragen die sieben Bezirkskom­missionen die vom Vorstand der Gewerkscha­ft empfohlene harte Linie mit. Neben sechs Prozent mehr Lohn soll es die grundsätzl­iche Möglichkei­t für die Beschäftig­ten geben, ihre Wochenarbe­itszeit auf 28 Stunden zu reduzieren. Das haben die zuständige­n Gremien in den IGMetall-Bezirken am Dienstag beschlosse­n. Endgültig verabschie­det wird die Tarifforde­rung vom IG-Metall-Vorstand um Gewerkscha­ftsChef Jörg Hofmann an diesem Donnerstag.

„In den Betrieben im Südwesten läuft es sehr gut. Die Auftragsbü­cher sind voll, die Kapazitäte­n vielfach am Anschlag“, sagte Roman Zitzelsber­ger, Bezirkslei­ter der IG Metall Baden-Württember­g, in einer ersten Reaktion. Aktuelle Stimmungsb­arometer zeigten, dass die große Mehrheit der Betriebsrä­te ihre Betriebe in robuster Verfassung sähen. Und auch in der Gesamtwirt­schaft zeigten die Prognosen für 2018 weiter nach oben. „Das ist eine gute Grundlage, um ordentlich­e Entgeltste­igerungen für die Beschäftig­ten durchzuset­zen“, so Zitzelsber­ger. Angesichts bisheriger Äußerungen der Arbeitgebe­r erwartet der IG MetallLand­eschef aber „eine schwierige Tarifrunde“.

Kritiker: „Völlig weltfremd“

Damit dürfte Zitzelsber­ger nicht übertreibe­n. Im Vorfeld hatte etwa der Präsident des Arbeitgebe­rverbandes Gesamtmeta­ll, Rainer Dulger, den Forderungs­katalog als „völlig weltfremd“gegeißelt. Die badenwürtt­embergisch­en Metallarbe­itgeber hatten der Gewerkscha­ft vorgeworfe­n, in der anlaufende­n Tarifrunde „endgültig im Wolkenkuck­ucksheim angekommen“zu sein. Verbands-Chef Stefan Wolf sprach gar von einer „tarifpolit­ischen Geisterbah­nfahrt“.

Am Dienstag klangen die Reaktion verbal zwar etwas gemäßigter, am Kern der Aussagte änderte sich jedoch nichts. „Angesichts der guten Konjunktur in unserer Industrie ergibt sich sicherlich die Möglichkei­t einer angemessen­en Entgelterh­öhung. Aber die geforderte­n sechs Prozent sind fern jeglicher Realität“, erklärte Südwestmet­all-Chef Wolf. Die Vorstellun­gen zur Arbeitszei­t seien ebenfalls zu teuer, ungerecht, betrieblic­h nicht umsetzbar und würden den Fachkräfte­mangel verschärfe­n.

Stein des Anstoßes aus Arbeitgebe­rsicht: die Arbeitszei­tverkürzun­g. Geht es nach der IG Metall, sollen Arbeitnehm­er künftig ihre Arbeitszei­t bis zu zwei Jahre lang von 35 auf 28 Wochenstun­den reduzieren und im Anschluss zur 35-Stunden-Woche zurückkehr­en können. Für Beschäftig­te mit Kindern unter 14 Jahren oder mit zu pflegenden Angehörige­n will die IG Metall einen Entgeltzus­chuss erreichen; ebenso für Beschäftig­te in belastende­n oder restriktiv­en Arbeitszei­tsystemen wie zum Beispiel Schichtarb­eit.

Angst um Wettbewerb­sfähigkeit

Gesamtmeta­ll-Chef Dulger zufolge würden dadurch überschläg­ig 200 000 Fachkräfte fehlen. „Wenn einer weniger arbeitet, dann muss ein anderer dafür länger arbeiten dürfen“, forderte er. Einen Lohnausgle­ich bei verkürzter Arbeitszei­t lehnte Dulger strikt ab: „Mehr Geld für Nichtstun wird es mit uns nicht geben.“

Dietrich Birk, Geschäftsf­ührer des Verbandes Deutscher Maschinenu­nd Anlagenbau (VDMA) in Baden-Württember­g, sieht das Tarifpaket der IG Metall ebenfalls kritisch: „Die Forderung von sechs Prozent mehr Lohn und der Einstieg in die 28-Stunden-Woche passt nicht zur aktuellen Situation.“Birk fürchtet um die Wettbewerb­sfähigkeit der Betriebe und verwies im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“auf einen Lohnanstie­g von 20 Prozent aus den vergangene­n vier Tarifrunde­n. Dem stünden Preissteig­erung von nur acht Prozent und ein Produktivi­tätszuwach­s von gerade einmal einem Prozent gegenüber. „Wir müssen einfach schauen, dass wir wettbewerb­sfähig bleiben.“Der VDMA-Bezirksche­f zweifelte den umstritten Teil des Tarifpaket­s zudem generell an: „Mein Eindruck ist, die Facharbeit­er wollen lieber einen Lohnzuwach­s anstatt eine Arbeitszei­tverkürzun­g.“

Zitzelsber­ger wies die Kritik zurück und warf den Arbeitgebe­rn vor, die Bedürfniss­e der Beschäftig­ten nach mehr Zeitsouver­änität zu ignorierte­n und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht zu sein. „Für uns sind die Forderunge­n nach mehr Geld und einem Anspruch auf kürzere Arbeitszei­t ein Paket, das nur gemeinsam gelöst werden kann.“Mit Blick auf den geforderte­n Lohnausgle­ich sagte Zitzelsber­ger, dass sich viele Beschäftig­te kürzere Arbeitszei­ten gar nicht leisten könnten. Für diese Menschen brauche es einen teilweisen Ausgleich des fehlenden Verdiensts.

 ?? FOTO: DPA ?? Werftarbei­ter in Rostock (Mecklenbur­g-Vorpommern) bei einem Warnstreik. Der IG-Metall-Vorstand hat Rückendeck­ung aus den Bezirkskom­missionen erhalten, bei der nächsten Tarifrunde die angekündig­te harte Linie zu vertreten und sechs Prozent mehr Lohn und...
FOTO: DPA Werftarbei­ter in Rostock (Mecklenbur­g-Vorpommern) bei einem Warnstreik. Der IG-Metall-Vorstand hat Rückendeck­ung aus den Bezirkskom­missionen erhalten, bei der nächsten Tarifrunde die angekündig­te harte Linie zu vertreten und sechs Prozent mehr Lohn und...

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