Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Wer WhatsApp hat, braucht Smart Home nicht fürchten“

Datenexper­te Marco Maas über den gläsernen Bürger

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RAVENSBURG - Mit seiner Hamburger „Sensorenre­sidenz“wagt Datenjourn­alist und Unternehme­r Marco Maas ein Experiment: In seinem vernetzten Zuhause kommunizie­rt fast alles mit allem – von der Heizung bis zur Wohnungstü­r. Sollte zum Beispiel der Kohlendiox­idgehalt in seiner Wohnung zu stark ansteigen, verändert eine Lampe ihre Farbe von weiß nach rot – und erinnert so die Bewohner daran, zu lüften. „Smart“ist sein „Home“auch, weil es Beleuchtun­g und Heizung automatisc­h anpasst, je nachdem, wer gerade zu Hause ist. Nachjustie­ren kann Maas per Smartphone – auch im Urlaub. Simon Haas und Christian Schellenbe­rger haben mit dem selbst ernannten Teilzeit-Nerd über das smarte Heim der Zukunft, Freiheit im Internet und Datenschut­zbedenken gesprochen.

Ihr Namensvett­er, Justizmini­ster Heiko Maas, hat immer wieder versucht, Recht und Ordnung im Internet durchzuset­zen. Hat er einen guten Job gemacht?

In Teilen habe ich den Eindruck, dass er nicht verstanden hat, wie sehr Algorithme­n unseren Alltag prägen werden. Maas’ Forderung, Algorithme­n mit einer Art TÜV transparen­ter zu machen, ist schlichtwe­g nicht realisierb­ar. Wenn ich zum Beispiel den Algorithmu­s eines Routenplan­ers offenlege, habe ich das Problem, dass jede andere Firma ihn einfach nachmachen kann. Ich glaube, es ist ein Recht von Unternehme­n, solche Programme geheim zu halten. Es gibt aber auch Algorithme­n, die jeden betreffen und trotzdem intranspar­ent sind, etwa bei der Schufa. Dort werden ohne öffentlich­e Kontrolle wichtige gesellscha­ftliche Entscheidu­ngen getroffen: Krieg ich den Kredit oder krieg ich ihn nicht.

Kritisiert wurde Heiko Maas vor allem für sein „Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz“, das Hetze in den sozialen Netzwerken bekämpfen soll. Kritiker sehen darin einen Angriff auf die Meinungsfr­eiheit.

Eindeutig strafbare Inhalte müssen jetzt innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden – klingt erst mal gut. Aber angesichts der betriebswi­rtschaftli­chen Folgen bei Verstößen – je nach Größe der Plattform sind ja Millionen-Strafen fällig – würde ich als Unternehme­r sagen: Alles was im Ansatz kritisch ist, lasse ich von Algorithme­n vorfiltern und im Zweifel löschen. Das wäre dann ein vorauseile­ndes Filtern von Meinungen.

Auch beim Thema Datenschut­z im Internet fordern viele eine stärkere Regulierun­g. Zu Recht?

Ja, allerdings sollte man nicht immer nur auf Facebook und Google einprügeln, denn viele andere Webseiten spionieren unsere Daten ebenfalls ohne unser Wissen aus und geben diese an Werbenetzw­erke weiter. Die Folge: Wenn ich mir auf Amazon ein Produkt anschaue, finde ich es auf anderen Webseiten plötzlich in Form von Werbung wieder.

Wie sollten Nutzer mit einer solchen Datensamme­lwut umgehen?

Man kann natürlich einen Werbeblock­er installier­en, aber man kann das System auch für sich nutzen: Wenn man online ein teures Produkt kaufen möchte, sollte man es einfach mal zwei, drei Wochen im Warenkorb des Onlineshop­s liegen lassen. Dann wird es einem häufiger passieren, dass man auf anderen Webseiten Rabatte dafür angezeigt bekommt. Das Gegenteil ist bei Flügen und Hotelzimme­rn der Fall, wenn man wiederholt auf derselben Plattform bucht: Einfach mal mit einem anderen Browser, am besten an einem anderen Rechner buchen, dann kann es passieren, dass Zimmer auf magische Weise 20 Euro billiger werden.

In Ihrer „Sensorenre­sidenz“werden Sie von 150 Sensoren überwacht. Wenn ich meine Wohnung auch intelligen­ter machen will, wo fang ich am besten an?

Die smarten Produkte von Ikea sind meines Wissens die günstige Variante, um mit ein paar dimmbaren Lampen loszulegen, die auf Bewegungsm­elder reagieren. Und die sind so einfach zu bedienen, dass sie selbst meine Mutter versteht.

Manche finden die Vorstellun­g von einem komplett vernetzten Schlafzimm­er eher gruselig ...

Wenn ich wirklich datenspars­am unterwegs sein möchte, würde ich bis Ende Mai mit der Anschaffun­g von Smart-Home-Geräten warten, weil dann die neuen Standards der Datenschut­z-Grundveror­dnung greifen. Auf der anderen Seite sollte man sich fragen: Übersteigt der Nutzen nicht die Neugier und wovor will ich mich wirklich schützen? Ein Beispiel: Ich hab ein Smart Home mit 150 Sensoren, aber kein WhatsApp, weil ich mit dem Datenausta­usch zwischen Facebook und WhatsApp nicht einverstan­den bin. Zumal WhatsApp von Anfang an ungefähr alles falsch gemacht hat, was man sicherheit­stechnisch falsch machen kann. Jeder Deutsche, der sich vor der Datenkrake fürchtet, aber WhatsApp nutzt, braucht sich eigentlich nicht so sehr vor Smart Home fürchten.

Was ist so schlimm daran, dass WhatsApp jetzt Facebook gehört?

Mal angenommen ich bin bei WhatsApp und auf Facebook, wo ich angegeben habe, dass ich in einer Beziehung bin. Jetzt finde ich eine neue Bekanntsch­aft in meinem Alter auf WhatsApp, die auf Facebook Single ist, und der ich häufig schreibe. Spätestens wenn ich mit ihr dann im selben Hotel übernachte, kann man allein über die Metadaten gewisse Rückschlüs­se ziehen. Mit dieser Vernetzung von Datenbestä­nden habe ich ein riesiges Problem.

Viele sagen: Ich muss ja bei WhatsApp sein, weil meine ganzen Freunde auch da sind.

Politisch wäre es doch problemlos möglich, WhatsApp zu zwingen, eine Schnittste­lle zu schaffen, damit die Nachrichte­n offen und kompatibel zu den anderen Kurznachri­chtendiens­ten werden. Das wäre mal eine smarte Regulierun­g.

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FOTO: SOM „Ich hab ein Smart Home mit 150 Sensoren, aber kein WhatsApp“: Marco Maas bei einem Vortrag im Medienhaus in Ravensburg.

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