Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Als Luther vor dem Kaiser standhaft blieb
Kirchenchöre Wain und Schwendi und „Vocal Dream“führen Pop-Oratorium auf
WAIN/SCHWENDI - Mehr als 100 Sängerinnen und Sänger und eine 17köpfige Band führen am 4. und 5. November in der Wainer Gemeindehalle das „Luther Pop-Oratorium“auf. Das Projekt steht im Zeichen des Reformationsjubiläums und ist zugleich ein Beispiel für gelebte Ökumene.
April 1521: Auf dem Reichstag zu Worms soll Martin Luther, Theologieprofessor aus Wittenberg, seine kirchenkritischen Lehren widerrufen. Doch er bleibt, allen Drohungen, Ängsten und Gewissenskonflikten zum Trotz, bei seiner Überzeugung, worauf Kaiser Karl V. die Reichsacht über ihn verhängt. Doch der sächsische Kurfürst Friedrich schützt Luther und lässt ihn auf die Wartburg bei Eisenach bringen. Dort übersetzt er das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche – jedermann soll Zugang zu Gottes Wort erhalten.
Das historische Geschehen haben der Liedertexter und Produzent Michael Kunze und der Komponist und Pianist Dieter Falk, beide international erfolgreich, zu einem Pop-Oratorium im Stil eines Musicals verarbeitet. 2015 wurde es in der Dortmunder Westfalenhalle uraufgeführt. Im Reformationsjahr 2017, ein halbes Jahrtausend nachdem Luther mit seinen 95 Thesen hervorgetreten ist und die Praxis des Ablasshandels anprangerte, wird das von der Stiftung Creative Kirche angestoßene Werk in vielen deutschen Städten und Gemeinden gesungen und gespielt.
Ein ökumenisches Projekt
Auch Sarah Locher, sie leitet den evangelischen Kirchenchor in Wain, war auf das Pop-Oratorium aufmerksam geworden. Den Gedanken, es mit ihren Sängerinnen und Sängern einzustudieren, verwarf sie zunächst, aus Mangel an Solisten. Dann freilich entwickelte der Wainer Pfarrer Ernst Eyrich die Idee, zum Reformationsjubiläum ein gemeinsames Konzert mit dem katholischen Kirchenchor Schwendi zu veranstalten. Dessen Leiterin Sonja Walter war im Nu gewonnen und band das ebenfalls von ihr dirigierte Ensemble „Vocal Dream“mit in das Projekt ein. Die positive Resonanz in den Chören sei überwältigend gewesen, erzählen die beiden Frauen.
„Es war für uns selbstverständlich, mitzumachen“, sagt Martin Ziellenbach, katholischer Pfarrer in Schwendi. „Wir pflegen eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Evangelischen Gemeinde Wain. Da freut es auch uns, wenn wir einen Akzent setzen können.“Zwar seien in Schwendi vereinzelt Bedenken geäußert worden, ob man aktiv mitwirken sollte, „die Kirchenspaltung zu feiern“, berichtet der Seelsorger. Der Kirchenchor stehe aber hinter dem Konzertvorhaben, und Ziellenbach betont das Verbindende und die gemeinsamen Aufgaben von Katholiken und Protestanten: „Angesichts der heutigen gesellschaftlichen Herausforderungen, zum Beispiel durch Populismus und Islamismus, müssen unsere Kirchen zusammenstehen.“
Ökumenisch ist auch die Gesamtleitung des Projekts durch Sarah Locher (evangelisch) und Sonja Walter (katholisch). Für die Wainer Chorleiterin ist die Kooperation bedeutsam: „Es ist fantastisch, dass nicht die Unterschiede im Vordergrund stehen.“Das Luther-Oratorium erzähle von historischen Ereignissen – „so können das beide Seiten annehmen“.
Lieder transportieren Dialoge
In Wain wird seit Januar, in Schwendi seit Ostern für die beiden Aufführungen am ersten Novemberwochenende geprobt. Zuerst sollten es zwei Konzerte in kleinerem Rahmen werden, eines in der Wainer Michaelskirche, das andere in Sankt Stephanus Schwendi, berichten Sarah Locher und Sonja Walter. Doch für mehr als 100 Mitwirkende und die erforderliche Technik fehlt es hier wie dort an Platz, zumal die Handlung auch szenisch dargestellt wird; ein eigenes Regiebuch ist dazu in den vergangenen Monaten entstanden. „Es wird fast nichts gesprochen“, erklärt Walter. „Auch das Szenische wird gesungen, die Lieder transportieren die Dialoge.“
Etwa eine Stunde und 45 Minuten reine Spielzeit hat die Aufführung in Wain. Sie wird von einer Pause mit Bewirtung unterbrochen; davor dirigiert Sarah Locher, danach Sonja Walter. Die Solisten – der Kaiser und seine Berater, Ablassverkäufer, Banker, „Engel der Schrift“, „Zweifel“und natürlich Luther – stellt der Chor „Vocal Dream“. In der Band spielen Musiker aus Wain und Umgebung sowie Lehrer der Biberacher Musikschule Tritonal.
Die Chorleiterinnen sind begeistert von der Vorlage des Autoren-Duos Kunze/Falk. „Es sind tolle Melodien, wie man sie aus Musicals kennt“, sagt Sonja Walter. „Das Thema wird sehr gut umgesetzt“, lobt Sarah Locher. Auch Pfarrer Ernst Eyrich ist überzeugt von dem Werk. Es erzähle eine spannende Geschichte über Politik und Religion und den Menschen Martin Luther: „Das ist musikalische Bildung.“