Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Fiechtner in Feierlaune
Umstrittener AfD-Abgeordneter gewinnt vor Gericht gegen seine eigene Partei – und kostet seinen Sieg bei einem Sektempfang aus
STUTTGART (lsw) - Die AfD-Landtagsfraktion hat ihrem Abgeordneten Heinrich Fiechtner ein Redeverbot erteilt und ihn aus zwei Ausschüssen abgezogen. Zu Unrecht, urteilte der Verfassungsgerichtshof am Freitag. Fiechtners Streit mit seiner Fraktion geht aber weiter.
Erleichtert spricht Fiechtner nach dem Urteil von Sektlaune, seine Augen sind feucht vor Freude, der Daumen zeigt hoch – eine Stimmung wie Weihnachten und Geburtstag zusammen, sagt er. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Eberhard Stilz, hat die von der Fraktion gegen den 57-Jährigen verhängten Sanktionen für Unrecht erklärt. Stilz rügt, der Abgeordnete sei in seinen Freiheiten verletzt worden.
Niemand, der nicht auf Parteilinie sei, dürfe auf diese Weise unter Druck gesetzt oder gar bestraft werden. Stilz kritisiert besonders Verfahrensfehler der AfD im Umgang mit Fiechtner. Er betont aber auch, dass jeder Abgeordnete sich in einem Spannungsfeld zwischen der „Freiheit des Mandats“und der Fraktionsdisziplin befinde. Stilz verweist deshalb nicht zuletzt auf die Möglichkeiten, wie eine Fraktion einen Abgeordneten loswerden kann. Durch einen Ausschluss etwa.
Das Verfahren dazu hat die AfD bereits in die Wege geleitet gegen Fiechtner. Es liegt auf Eis. Im Gerichtssaal scheint Vize-Fraktionschef Rüdiger Klos eher in Katerstimmung zu sein, während Fiechtner im Siegesrausch zum Sektempfang einlädt. Klos verzichtet und betont trocken, der Richter habe vor allem formale Fehler bei der AfD kritisiert. So wurde Fiechtner beispielsweise nicht angehört vor dem Rauswurf aus den Ausschüssen. Dass der Politiker wieder im Innenausschuss für seine Partei sprechen wird oder im Ausschuss zum rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrund, ist mit dem Urteil nicht gesagt.
Seit Langem ist Fiechtner auch außerhalb der Fraktion umstritten. Zur Vielzahl seiner politischen Niederlagen in diesem Jahr gehörte auch, dass ihm die AfD-Kreisverbände Sigmaringen und Zollernalb die Kandidatur zur Bundestagswahl entzogen.
Die AfD werde den Richterspruch analysieren und dann beraten, wie es mit Fiechtner weitergeht, sagt Fraktionsvize Klos. Manch einer setzt dem Vernehmen nach darauf, dass Fiechtner nun vielleicht mit dem Gefühl des richterlichen Rückenwindes in der AfD erst Recht auftrumpft – und damit einen raschen Rauswurf aus der Fraktion provoziert. Zwar besteht der Arzt darauf, in der mit noch 21 Mitgliedern stärksten Oppositionsfraktion zu bleiben. Aber er wäre nicht der Erste, der sie verlässt.
Schon zwei Abgänge
Erst musste der wegen Antisemitismusvorwürfen in Bedrängnis geratene Wolfgang Gedeon gehen. Im Dezember 2016 trat die Abgeordnete Claudia Martin aus Fraktion und Partei aus, nachdem sie einen Rechtsruck beklagt und diesen an AfDFraktionschef Jörg Meuthen festgemacht hatte. Auch Fiechtner schlug mit ähnlichen Vorwürfen schon in diese Kerbe.
Meuthen, der nach dem Austritt seiner Co-Vorsitzenden Frauke Petry, auch die Bundespartei alleine führt, war während des Richterspruchs auf dem Weg in einen Kurzurlaub. Er hatte nicht nur einmal den Wunsch geäußert, Fiechtner möge zur Fraktionsdisziplin zurückkehren. Nach diesem Urlaub steht am 7. November eine Fraktionssitzung an, bei der wohl auch über den Umgang mit Fiechtner beraten werden dürfte.