Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Die besondere Sammlung eines besonderen Menschen
Eine Ausstellung würdigt den 2003 verstorbenen Kurt Deschler - Bemerkenswerte Kunstsammlung mit Überraschungen
ULM - Für manche Sammler der Gegenwart ist Kunst vor allem ein strategisches Investment: Man kauft, was bald im Wert steigen könnte. Kurt Deschler (1917-2003) war kein solcher Sammler. Er kaufte, unterstützt von seiner Frau Vera, Kunst, die ihm gefiel, vor allem von Künstlern, mit denen er sich verstand: „Aus dem Bauch heraus“heißt passenderweise die Ausstellung zum 100. Geburtstag Deschlers, die im Museum Ulm präsdntiert wird: eine konzentrierte Schau, die beweist, dass dieser persönliche Zugang das Geheimnis einer guten Sammlung sein kann.
Deschlers Leidenschaft für die Kunst entflammte an einem Ort, der dafür denkbar ungeeignet scheint: im Arbeitslager. Dorthin wurde der Sohn einer jüdischen Mutter 1944 von den Nationalsozialisten geschickt. In dem im Harz gelegenen Lager lernte er Kurt Fried kennen – der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. Der spätere Verleger, Galerist und Sammler war es, der Deschler für die Kunst der Moderne begeisterte. Gleich nach Kriegsende begann der Spross einer Söflinger Unternehmerfamilie selbst Kunst zu kaufen. Aber anders als Fried, der früh über den Atlantik blickte, galt Deschlers Vorliebe vor allem Künstler aus Deutschland, speziell aus dem Süden: Besonders wichtig wurde für ihn die Begegnung mit HAP Grieshaber und dessen Lieblingsschüler Horst Antes.
Zeichnungen von HAP Grieshaber
Diese beiden nehmen entsprechend auch in der Ausstellung großen Raum ein, auch mit Arbeiten, die man so nicht von ihnen kennt: Ungewohnt naiv und reizend etwa Grieshabers Zeichnung „Mädchen von Hühnern, Bäumen und Blumen“.
Besonders im Fokus stehen aber drei Künstler, die heute längst nicht so populär sind: etwa der Österreicher Fritz Fröhlich (1910-2001), einem Künstler zwischen der Neuen Sachlichkeit und Picasso, der in der Ausstellung als origineller Zeichner erlebbar ist.
Nur zur regionaler Bekanntheit gebracht hat es Romane Holderried Kaesdorf (1922-2007) aus Biberach, deren großformatige, figurative Zeichnungen aber sehr wohl internationales Niveau erreichen.
Die größte Entdeckung der Aus- stellung ist aber der Slowene Janez Bernik (1933-2016), der in seiner Heimat als einer der wichtigsten grafischen Künstler seiner Generation gilt. Virtuos, wie er mit dichten Strichen ausdrucksstarke Szenarien schafft. Bernik steht für die Spätphase von Deschlers Sammeltätigkeit, in der vor allem nach Ost- und Südosteuropa blickte. Ein weiterer Künstler aus der Sammlung Deschler, der Tscheche Ales Lamr, wird mit einer eigenen Ausstellung in der Sparkasse Neue Mitte gewürdigt.
Kurt Deschler, der 25 Jahre im Ulmer Gemeinderat saß, mag kein zweite Kurt Fried gewesen sein, aber er war ein Mann mit Geschmack – und ein Überzeugungstäter. „Das Haus war komplett voll mit Kunst“, erinnert sich Judith Deschler-Herz an den Papa. „Meine Mutter war deswegen manchmal etwas angespannt.“
Heute kümmert sich die Tochter um die Sammlung, die rund 600 Gemälde und noch sehr viel mehr Papierarbeiten umfasst. Große Teile davon hängen als Leihgaben in deutschen Museen, in München, Stuttgart oder Leipzig. Für „Aus dem Bauch heraus“sind einige zurück nach Ulm gekehrt.