Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Wachstumsschmerzen
Spedition Gebrüder Weiss expandiert – und sorgt sich wegen verstopfter deutscher Straßen
LINDAU - Gebrüder Weiss zählt zu den führenden Transport- und Logistikunternehmen Europas. Der Firmensitz liegt in der Vorarlberger Gemeinde Lauterach. Gegenwärtig ist Gebrüder Weiss dabei, das Deutschland-Geschäft auszubauen. Mehrere Standorte für den Luft- und Seefrachtsektor wurden dieses Jahr eröffnet. Stuttgart soll 2018 hinzukommen.
Für den Transport über Land hat sich Gebrüder Weiss im März durch die Übernahme einer Nürnberger Spedition verstärkt. Hinter diesem Geschäft steckt wiederum folgende Strategie: „Speziell den Süden Deutschlands wollen wir im Bereich Landverkehr in Eigenregie abdecken“, sagt Anton Hagg. Er leitet bei Gebrüder Weiss seit Anfang des Jahres die Region Deutschland.
Haggs Büro liegt im Gewerbebüro der bayerischen Bodenseestadt Lindau. Dort hat das in Familienbesitz befindliche Unternehmen seit 1981 eine Niederlassung. „Die erste in Deutschland. In Lindau“, sagt Hagg, „sind die Wurzeln von Gebrüder Weiss in Deutschland.“Wie er berichtet, dient der eher kleinere Standort inzwischen in erster Linie dem Geschäft „mit lokaler Kundschaft“. Dies soll nicht abwertend klingen. Im Gegenteil: Hagg betont, dass es Gebrüder Weiss traditionell „um den direkten Kontakt zum Kunden geht“. Wobei es laut Geschäftsphilosophie auch um regionale Verbundenheit geht.
In diesem Zusammenhang steht auch Haggs obige Äußerung, Süddeutschland in Eigenregie abdecken zu wollen. Das heißt nicht, dass Gebrüder Weiss den Norden ignorieren würde. Dort betreibt das Unternehmen seine Landtransporte mit Partnern. Im Süden stellt sich die Lage anders da. Weshalb dort auch die meisten der rund 750 in Deutschland beschäftigten Gebrüder-Weiss-Mitarbeiter tätig sind. Erwähnt wurden bereits die Niederlassungen in Lindau und Nürnberg. Weitere Standorte existieren in Passau, Memmingen, Aldingen bei Tuttlingen sowie Esslingen. Letzterer liegt im boomenden Wirtschaftsraum Mittler Neckar und ist die größte Gebrüder-Weiss-Vertretung in Deutschland. Rund 230 Menschen arbeiten dort.
Den Raum weiter südlicher würden die Standorte in Memmingen und Aldingen abdecken, berichtet Hagg. Für das Unternehmen hat dies im Hinblick auf einige überlastete Straßen im Bodenseeraum und in Oberschwaben einen speziellen Charme. Hagg erzählt, dass sich beispielsweise Kunden entlang der berüchtigten Staustrecke B 31 am Bodensee entweder von Aldingen her über die A 81 oder von Memmingen aus über die A 96 erreichen ließen. „Das jeweilige Einzugsgebiet teilt sich bei Meersburg“, erklärt Hagg. Die zu fahrenden Kilometer auf der besagten Problem-Bundesstraße seien deshalb eher gering. „Wir fahren aber oft auch über Hinterlandstraßen“, meint der Regionalleiter.
Grundsätzlich transportiert Gebrüder Weiss in Süddeutschland alles außer Frischegüter. Die Art der Güter hingen von den jeweils in der Region vertretenen Branchen ab, so Hagg. Er nennt Beispiele. Von Memmingen aus laufe viel mit Lebensmittelverpackungen. In Aldingen wiederum gebe es einen großen Transportbedarf im Bereich von Zulieferern der Automobilindustrie.
Groß geworden ist Gebrüder Weiss übrigens unter anderem mit dem Transportieren von Textilwaren. Noch vor wenigen Jahrzehnten war das Vorarlberger Rheintal eine Hochburg fürs Herstellen von Stoffen gewesen. Gegen Konkurrenz aus Fernost konnte sich die heimische Textilindustrie jedoch schwer halten. Deshalb ist diese Branche für Vorarlberg wie auch für Gebrüder Weiss größtenteils Geschichte. Wobei die Historie des Unternehmens erstaunlich weit zurückreicht. So ist der Name Weiss mit dem sogenannten „Lindauer Boten“verbunden, einem Transportdienst zwischen Bodensee und Mailand, der von Anfang des 15. Jahrhunderts bis 1826 bestand.
Schienenwege auch problematisch
Die moderne Firmengründung war 1823 in der Vorarlberger Gemeinde Fußach. Daraus wurde dann nach Zahlen von 2016 ein Logistik-Riese mit weltweit 6500 Mitarbeitern, 150 firmeneigenen Standorten und einem Jahresumsatz von 1,36 Milliarden Euro. Längst bringt Gebrüder Weiss bei den Transportrouten auch Wege ins Spiel, die noch exotisch anmuten. „Etwa den Landtransport von Mitteleuropa über Zentralasien nach China“, sagt Hagg. Von Peking werden solche Routen seit einigen Jahren als „neue Seidenstraße“propagiert.
Aber zurück an den Bodensee: Im Gespräch mit Hagg werden durchaus auch Sorgen in der Logistikbranche angedeutet. „Wenn sich alle nur auf den Verkehrsträger Straße verlassen, kann dies nicht gut gehen“, glaubt er und fordert: Die Schiene solle mehr berücksichtigt werden. In einem gewissen Rahmen tut dies Gebrüder Weiss auch. Hagg klagt jedoch über Kapazitätsmängel im Bahnverkehr. Gleichzeitig hat er den steigenden Schwerlastverkehr auf den Straßen im Blick: „Wir müssen inzwischen in unsere Transportnetzwerke mehr Zeitpuffer einbauen und zwar nicht nur wegen der Staugefahr. Auch wegen der vorgeschriebenen Ruhepausen für die Fahrer und der für sie oftmals schwierigen Parkplatzsuche.“
Zudem sei es generell schwer geworden, Fahrer zu rekrutieren. „Wir bilden an unseren Standorten auch Leute zu Berufskraftfahrern aus“, erklärt Hagg. Einen Großteil der benötigten Fahrer stellen aber Frächter, also Subunternehmen, die im Auftrag von Gebrüder Weiss fahren.
Als Herausforderung für die Zukunft bezeichnet Hagg den komplexer werdenden IT-Einsatz in seinem Gewerbe: „Wir arbeiten an einer immer engeren Vernetzung der Logistik.“In einem weiteren, nach vorne gerichteten Aspekt geht es um die Lkw-Antriebe. Bei bei Gebrüder Weiss wird – wie überhaupt in der Branche – angespannt die Dieseldebatte verfolgt. Es gibt eine Beteiligung an einem Pilotprojekt für Elektro-Lkw, um Alternativen auszuloten.
Für sich persönlich als Regionalleiter Deutschland sagt Hagg: „Wir müssen nun unser Wachstum in Deutschland bewältigen.“Er fügt an: „Die Gründung weiterer Standorte ist nicht ausgeschlossen.“