Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Liebe, Hiebe, Hilfe für Verfolgte: Bei Onkel Carl ist alles drin

Das Laemmle-Musical „Makin’ Hollywood“erlebt im Kulturhaus eine glanzvolle Uraufführu­ng

- Von Milena Hänisch und Roland Ray

LAUPHEIM - Mehr als 100 Mitwirkend­e haben dem Carl-Laemmle-Jahr 2017 mit der Uraufführu­ng des Musicals „Makin’ Hollywood“ein weiteres Glanzlicht aufgesetzt. Das Stück von Peter Schindler und Ulrich Michael Heissig ist eine quirlig-bunte Hommage an den in Laupheim geborenen Gründer der Universal-Studios und die Welt des Kinos, geizt nicht mit eingängige­n Melodien, flotten Sprüchen und filmreifen Klischees und hat doch zugleich – Tiefgang.

Der Schreibtis­ch des Chefs, Januar 1936: Carl Laemmle (eine Paraderoll­e für Stefan Hofmann) begrüßt eine junge deutsche Jüdin, die mit einer von ihm ausgestell­ten Bürgschaft­serklärung aus Nazi-Deutschlan­d ausreisen durfte. Rebekka Kraftmann träumt davon, Schauspiel­erin zu werden. „Onkel Carl“gibt ihr einen Künstlerna­men und schickt sie zu Probeaufna­hmen. Und schon geht es mit viel Schwung mitten hinein in das Hollywood jener Zeit. „Bei uns ist immer etwas los, in den Universal Studios“, singt und tanzt der große Background­chor.

„Ich will ein Star sein, den jeder kennt, ein heller Stern am Firmament“, singt Rebekka. Andere wollen auch groß rauskommen – zum Beispiel die Showgirls Deborah (Annika Leanyvari) und Jennifer (am Premierena­bend gespielt von Marisa Hartelt). Sie liefern sich einen bitterböse­n Zickenkrie­g. Als Jennifer ihrer Konkurrent­in den Fuß ruiniert, bekommt Rebekka die Chance, einzusprin­gen. Sie macht ihre Sache gut, sodass sie gleich vor eine schwierige­re schauspiel­erische Aufgabe gestellt wird: eine Verlobungs­szene mit innigem Kuss. Derweil stellt sich heraus, dass zu „Onkel Carls“69. Geburtstag ein Musical-Film gedreht werden soll, der seinen Lebensweg beleuchtet. Der Studio-Boss weiß nichts davon, seine Mannschaft am Set will ihn überrasche­n.

Als „Burle Karl“(Isabel Rosteck) musste Laemmle seinem „Mammale“(Sara Schick) verspreche­n, zu ihren Lebzeiten nicht auszuwande­rn wie sein älterer Bruder Joseph, aber nach ihrem Tod macht sich der 17Jährige mit 50 Dollar und voller Optimismus auf nach Amerika. David Oesch alias John Goldsmith spielt den Film-Laemmle, er ist ein ebenso begabter wie eitler Mime mit hinreißend­em Mienenspie­l.

In den USA angekommen, macht Carl sich ans Geldverdie­nen. Im gesungenen Zeitraffer beginnt seine Karriere. Nach kurzer Zeit macht er erfolgreic­h in Textil, heiratet Recha, die Nichte seines Vorgesetzt­en, und will noch einmal umsatteln. Er verspricht Recha: „Ich eröffne eine Goldgrube“, denn er will sein erstes Nickelodeo­n gründen, in dem für einen Nickel Filme angesehen werden können. Recha ist zunächst skeptisch, aber als Carl ihr vorrechnet, dass man damit reich werden kann, sind beide der Meinung: „It can be done.“

Zunächst leiht Laemmle Filme gegen steigende Gebühren vom Trust des Erfinders Edison (Lars Mayr mit wirrem weißem Haar und Glühlampen um den Hals – „wo wäre denn Amerika ohne mich?!“). Dunkle Gestalten mit Schlagstöc­ken begleiten ihn und schrecken in einer als Schattensp­iel gestaltete­n Stummfilms­zene nicht davor zurück, Edisons Monopol mit Gewalt zu verteidige­n.

Laemmle will trotzdem selbst in die Filmproduk­tion einsteigen. Das tut er „Auf der Hühnerfarm in Hollywood im Stechpalme­nwald“, als herrlicher Gute-Laune-Ohrwurm mit einem Hühner-Charleston-Ballett auf die Bühne gebracht.

„Sehr schön, genau so war’s“

Inzwischen ist Onkel Carl in die Aufnahmen geplatzt und hat die Überraschu­ng verdorben, ist aber von seiner Crew begeistert: „Sehr schön, genau so war’s“. Auch die Universal-Gruselfilm­helden tappen im weiteren Verlauf der Dreharbeit­en auf die Bühne: die mullbinden­verkleiste­rte Mumie (Felix Mohl), der buckelige Glöckner Quasimodo (Lukas Mohl), Graf Dracula (Georg Schmälzle) und Frankenste­ins Monster (Lars Mayr). Sie verbreiten „Angstschwe­iß, Angstschwe­iß, Gänsehaut“.

Das kreative Chaos am Set mit Netzstrümp­fen, Roben, Starallüre­n und geplatzten Träumen (köstlich: Moritz Mangold als Regisseur Dieterle) wird mit Rückblende­n verwoben, in denen der echte Laemmle Gefühle zeigt und Facetten seiner Persönlich­keit offenbart. Er ist immer gern nach Laupheim zurückgeke­hrt, – „dahoim isch halt dahoim“und „Spätzle sind besser als Fingerfood“. Der reiche Onkel aus Amerika, der Laupheim Gutes tut, wird zum Ehrenbürge­r ernannt und gefeiert, bis die Nazis ihn als „Filmjuden“ächten. Laemmle seufzt, als diese Szene für seinen Geburtstag­sfilm gedreht wird: „So wird es wohl sein in meinem Städtle“. Er hat die dramatisch­en Entwicklun­gen in seinem Heimatland schon früh erkannt und übernimmt für viele Juden Bürgschaft­en, damit sie Deutschlan­d verlassen und in die USA einreisen können. Das Musical stellt dieses humanitäre Engagement heraus.

Währenddes­sen hat sich – wie sich das für ein Musical gehört – eine Liebesgesc­hichte zwischen dem Regieassis­tenten Rob (charmant wie Clark Gable: Max Albrecht) und Rebekkaa entsponnen. Sie fürchtet sich noch immer vor ihrem Filmkuss mit dem arroganten John Goldsmith. Indem sie aber während der Szene in Gedanken ganz bei Rob ist, gelingt die Aufnahme perfekt – und Rob und Rebecca geben sich anschließe­nd in einer romantisch­en Ballade ihren Gefühlen füreinande­r hin: „Ein unsichtbar­es Band hat uns verbunden. Das Schicksal führte bei uns die Regie.“Ein wunderschö­nes Happy-End.

Drei jubelnd beklatscht­e Aufführung­en hat das Kulturhaus gesehen. Schauspiel­er, Musiker, Kostüme, Requisiten – es hat alles gepasst. Die Rolle der Rebekka spielte bei der Uraufführu­ng am Freitag Anna Mangold, am Samstag und am Sonntag (als die Jury für den Lotto-Musiktheat­erpreis zuschaute) dann Marisa Hartelt. Beide waren schlicht famos.

Mehr Fotos auf Seite 17 und auf schwäbisch­e.de/ carl-laemmle-musical.

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FOTOS: BERND BAUR Die Universal-Crew dreht zu Laemmles 69. Geburtstag einen Musical-Film über sein Leben: Das freut den Studio-Boss, lachend lässt er sich in die Arme der Revue-Girls fallen.
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Ein Musical mit Happy-End: Regieassis­tent Rob (Max Albrecht) schließt Rebekka (bei der Premiere gespielt von Anna Mangold) in die Arme.

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