Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Paulus’ Worte beseitigen die Zweifel des Mönchs
Mehr als 100 Mitwirkende führen in Wain das „Luther Pop-Oratorium“auf – Ein Werk, das auch junge Menschen erreicht und Mut macht
WAIN/SCHWENDI - Wer ist Luther? Diese Frage haben am Samstagabend und am Sonntagnachmittag die Kirchenchöre der evangelischen Kirchengemeinde Wain und der katholischen Kirchengemeinde Schwendi in Kooperation mit dem Chor „Vocal Dream“zu beantworten versucht. Aufgeführt wurde in der Gemeindehalle in Wain das „Luther Pop-Oratorium“.
Zur Premiere am Samstagabend war die Halle restlos gefüllt. Bereits kurz nach Beginn des Einlasses mussten die Türen geschlossen werden. Geschätzte 100 Personen mehr hätten die Aufführung erleben wollen. Zurecht, denn der Abend entwickelte sich zu einem gigantischen Feuerwerk aus Freude und mitreißenden Popsongs. „Der Rhythmus wird Sie mitnehmen auf eine Reise auch in die Zukunft. Sie werden am Ende zehn Jahre jünger sein“, versprach der Wainer Pfarrer Ernst Eyrich den Besuchern.
Die Idee, das Pop-Oratorium von Michael Kunze (Text) und Dieter Falk (Musik) aufzuführen, stammte von Sarah Locher, Dirigentin des Wainer Kirchenchors. Zusammen mit ihrer Kollegin Sonja Walter, Leiterin des katholischen Kirchenchors Schwendi und des Chors „Vocal Dream“, entstand ein ökumenisches Projekt zum Jubiläum 500 Jahre Reformation. Mehr als 100 Sängerinnen und Sänger und ein 17-köpfiges Orchester hatten seit Anfang des Jahres auf die Aufführungen hingearbeitet. Mitglieder des Chores „Vocal Dream“übernahmen die Rollen der Solisten. Ein Aufwand, mit fünfstelligen Kosten verbunden, der sich gelohnt hat. Nicht nur musikalisch, sondern auch technisch einwandfrei inszeniert.
Gleich zu Beginn des Pop-Oratoriums wirft der große Chor die am Abend immer wiederkehrende Frage auf: Wer ist Luther? Wie ein roter Faden zieht sich die einprägsame Melodie dieser eindringlichen Frage durch das ganze Werk. Musikalisch und schauspielerisch wird dieser Frage nachgegangen.
Ketzer oder Held?
War Luther ein Ketzer, ein Held oder einfach nur ein Mönch, der an Gottes Wort glaubte? Der Zuschauer wird mitgenommen in eine Reise in die Welt zu Zeiten Luthers. Gegner und Unterstützer Luthers kommen zu Wort. Immer wieder treten ihre Meinungen durch ein gegensätzliches Spiel von Solisten und Chor zutage. Mit ganz einfachen Requisiten werden die Argumente untermauert. Ein aufwendiges Bühnenbild ist schlichtweg nicht notwendig. Stühle dienen als Stilmittel, um Meinungen zu symbolisieren.
In Worms ist anno 1521Reichstag. Das Verhör Luthers steht an. Seine Unterstützer sehen in ihm einen Volkshelden, die Gegner einen Ketzer. Und Luther? Er fühlt sich missverstanden, enttäuscht seine „Fans“. Luther sucht das Gespräch mit Gott.
Spitze Pointen nehmen die damalige Zeit aufs Korn. Die Machtspiele des jungen Kaisers Karl V. werden überspitzt gezeichnet. Da macht der Kaiser dann schon mal ein Selfie mit seinen Beratern. Ganz hervorragend gespielt und gesungen von Dennis Lang, dessen Verkörperung von Karl V. so manch einen Zuschauer an heutige Präsidenten denken ließ. „Fehde, Schwäche, Wahlversprechen, nach der Wahl brechen (…) gut regieren sich zu nichts verpflichten“, ein Textzitat, das sicher auch auf die moderne Politik übertragbar ist. Genauso, wenn es heißt: „Die Banken brauchen Sicherheit. Das Bankhaus Fugger stets zu Diensten.“
Doch: Wer ist Luther? Eindrucksvoll singt und spielt Marco Huberle die Zerrissenheit des Mönchs. Zweifel überkommen ihn: „Was ist richtig? Was darf ich sagen?“Der Apostel Paulus kommt zu Hilfe. Die Worte des Römerbriefs verschaffen Luther innere Ruhe und Selbstgewissheit.
„Gott liebt dich, so wie du bist“
Mut, ein weiterer Begriff, der sich durch das Pop-Oratorium zieht. „Gott liebt dich, hört dein Gebet, wenn dich sonst keiner versteht“, dieser Text soll Mut machen. So lautet dann auch das Fazit des Abends: Gott liebt dich, so wie du bist.
Ein jubelndes Publikum und lang anhaltender Applaus belohnen die vielen Akteure. Die fast zweistündige reine Spielzeit verging wie im Flug. Eigentlich wollten viele am Ende noch gar nicht nach Hause gehen. Die Melodien und die darstellerische Leistung drangen tief ins Herz.
Sicher kann man sich auch fragen, ob ein Pop-Oratorium im Stil eines Musicals mit eingängigen Melodien im Charakter von Hymnen der richtige Rahmen ist, um das Leben Luthers darzustellen. Aber warum nicht? Die Aufführung riss das Publikum mit, das mehrfach mitklatschte. Ein Werk, das Luther auch den jüngeren Generationen näher bringt, das Mut macht. Und wie Pfarrer Ernst Eyrich am Anfang versprochen hatte, fühlte sich der Miterlebende am Ende tatsächlich zehn Jahre jünger.
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