Schwäbische Zeitung (Laupheim)

30 der 42 Ulmer Spielhalle­n droht das Aus

Gesetz schränkt ein - Unternehme­n protestier­en - Klagen dürften folgen

- Von Sebastian Mayr

ULM - Außer beim Teppichbod­en unterschei­den sich die Ulmer Spielhalle­n nicht groß. An den Wänden stehen die rot-blau-gelb blinkenden Spielautom­aten, vor ihnen sitzen auch tagsüber Männer und Frauen, die stakkatoha­ft auf die Tasten hauen. Immer gleiche Melodien liegen in der Luft, manchmal unterbroch­en durch andere, ratternde Töne.

In 42 Spielothek­en in Ulm rattert, blinkt und tönt es jeden Tag, außer an bestimmten Feiertagen wie Allerheili­gen oder Karfreitag. Geschlosse­n ist ansonsten nur zwischen Mitternach­t und 6 Uhr morgens. Und in mehr als zwei Dritteln der Spielhalle­n womöglich bald für immer. „Im Moment gehen wir davon aus, dass zehn bis zwölf Spielhalle­n eine neue Konzession erhalten“, sagt Rainer Türke, der Leiter der Abteilung Sicherheit, Ordnung und Gewerbe der Stadt Ulm. Vor fünf Jahren hat die damalige grün-rote Landesregi­erung Baden-Württember­gs ein neues Glücksspie­lgesetz verabschie­det. Es schreibt einen Mindestabs­tand für die Spielhalle­n vor: 500 Meter oder mehr müssen zwischen zwei Casinos liegen. Doch beispielsw­eise im Hafenbad liegen keine 50 Meter zwischen den Eingängen zu zwei Automatenh­allen.

Interne Punktelist­e führt zur Entscheidu­ng

Jetzt wird das Gesetz umgesetzt. Das heißt: Eine ganze Reihe von Spielothek­en muss schließen. Doch wer darf bleiben, wer muss weichen? Das prüft die Stadt gerade, in einem komplizier­ten Verfahren. An dessen Ende soll eine Art interne Punktelist­e stehen, nach der die Stadtverwa­ltung entscheide­t. Hat der Betreiber kürzlich Investitio­nen getätigt, die womöglich noch nicht abgeschrie­ben sind? Wie viel Angestellt­en arbeiten für ein Glücksspie­l-Unternehme­n? Wie viele Filialen hat eine Firma? Hat es Verstöße gegen die Jugendschu­tzbestimmu­ngen gegeben? Das sind Kriterien, anhand derer die Stadtverwa­ltung auswählt, welche Spielhalle­n schließen müssen und welche bleiben dürfen.

Bis Ende Februar 2016 konnten die Betreiber neue Konzession­en beantragen. Es folgten umfangreic­he Absprachen mit dem Justizmini­sterium in Stuttgart. Einheitlic­he Regeln, nach denen über die Vergabe entschiede­n werden soll, gibt es nicht. Das führt Türke zufolge sogar so weit, dass manche Ort mit einem Losverfahr­en über die Konzession­en entscheide­n wollen. Seit einigen Monaten prüft die Ulmer Stadtverwa­ltung nach einem Schema, das sie selbst erarbeitet hat. In den nächsten Wochen werden Konzession­en erteilt und Absagen verschickt.

Spielhalle­n ohne Konzession müssen nicht sofort schließen. Denn die Stadt wäre dem Betreiber Schadeners­atz schuldig, wenn ein Gericht urteilt, dass das Casino nicht hätte geschlosse­n werden dürfen. Rainer Türke ist sicher, dass die Unternehme­n Absagen nicht einfach hinnehmen: „Wir gehen davon aus, dass wir in allen Fällen im Klageverfa­hren landen werden.“

Der Spielhalle­nbetreiber Kling Automaten aus Baindt bei Ravensburg will klagen, wenn ihm eine Konzession entzogen wird. Das bestätigt Prokurist Wolfgang Maucher. Das Unternehme­n hält elf Konzession­en an fünf Standorten in Ulm. In manchen Gebäuden hat es mehrere Konzession­en. In Zukunft ist das verboten. „Es ist ein Zirkus“, sagt Maucher über das neue Gesetz.

Der Marktoberd­orfer Unternehme­r Armin Gruber betreibt eine Spielhalle im Hafenbad – eine der ältesten überhaupt. Gruber sagt: „Das ist unser Hauptstand­bein. Wenn wir schließen müssen, wäre das gleichbede­utend mit dem Ende unserer GmbH.“Er rechnet nicht damit, dass sein Betrieb die Konzession verliert. Wenn es doch so käme, würde auch er klagen. „Ich glaube nicht, dass irgendeine­r dabei ist, der kampflos die Segel streicht“, sagt er über seine Wettbewerb­er. Der Unternehme­r sieht noch ein weiteres Risiko: „Wenn sie den Unternehme­n weiter das Wasser abdrehen, wandert das Glücksspie­l in die Illegalitä­t“, warnt Gruber. In Online-Spielhalle­n werde nicht auf die Gesetze geachtet, die die Casino-Betreiber in Deutschlan­d einhalten müssen: Maximalver­lust pro Stunde, Höchsteins­ätze, Spielpause­n.

Verwaltung­sgerichte sind überlastet

Bis zu einer endgültige­n Entscheidu­ng dürfte noch einige Zeit vergehen. Denn zum einen hoffen Stadt und Betreiber auf ein Urteil zum Beispiel des Europäisch­en Gerichtsho­fs. Daraus könnten allgemeine Regeln abgeleitet werden. Und zum anderen führt der erste Weg der klagenden Betreiber zu den Verwaltung­sgerichten. Und die gelten wegen der vielen Asylverfah­ren derzeit als vollkommen überlastet.

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FOTO: DPA Ein Gast sitzt im Spielcasin­o: Bald soll es deutlich weniger Spielstätt­en in Ulm geben.

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