Schwäbische Zeitung (Laupheim)
30 der 42 Ulmer Spielhallen droht das Aus
Gesetz schränkt ein - Unternehmen protestieren - Klagen dürften folgen
ULM - Außer beim Teppichboden unterscheiden sich die Ulmer Spielhallen nicht groß. An den Wänden stehen die rot-blau-gelb blinkenden Spielautomaten, vor ihnen sitzen auch tagsüber Männer und Frauen, die stakkatohaft auf die Tasten hauen. Immer gleiche Melodien liegen in der Luft, manchmal unterbrochen durch andere, ratternde Töne.
In 42 Spielotheken in Ulm rattert, blinkt und tönt es jeden Tag, außer an bestimmten Feiertagen wie Allerheiligen oder Karfreitag. Geschlossen ist ansonsten nur zwischen Mitternacht und 6 Uhr morgens. Und in mehr als zwei Dritteln der Spielhallen womöglich bald für immer. „Im Moment gehen wir davon aus, dass zehn bis zwölf Spielhallen eine neue Konzession erhalten“, sagt Rainer Türke, der Leiter der Abteilung Sicherheit, Ordnung und Gewerbe der Stadt Ulm. Vor fünf Jahren hat die damalige grün-rote Landesregierung Baden-Württembergs ein neues Glücksspielgesetz verabschiedet. Es schreibt einen Mindestabstand für die Spielhallen vor: 500 Meter oder mehr müssen zwischen zwei Casinos liegen. Doch beispielsweise im Hafenbad liegen keine 50 Meter zwischen den Eingängen zu zwei Automatenhallen.
Interne Punkteliste führt zur Entscheidung
Jetzt wird das Gesetz umgesetzt. Das heißt: Eine ganze Reihe von Spielotheken muss schließen. Doch wer darf bleiben, wer muss weichen? Das prüft die Stadt gerade, in einem komplizierten Verfahren. An dessen Ende soll eine Art interne Punkteliste stehen, nach der die Stadtverwaltung entscheidet. Hat der Betreiber kürzlich Investitionen getätigt, die womöglich noch nicht abgeschrieben sind? Wie viel Angestellten arbeiten für ein Glücksspiel-Unternehmen? Wie viele Filialen hat eine Firma? Hat es Verstöße gegen die Jugendschutzbestimmungen gegeben? Das sind Kriterien, anhand derer die Stadtverwaltung auswählt, welche Spielhallen schließen müssen und welche bleiben dürfen.
Bis Ende Februar 2016 konnten die Betreiber neue Konzessionen beantragen. Es folgten umfangreiche Absprachen mit dem Justizministerium in Stuttgart. Einheitliche Regeln, nach denen über die Vergabe entschieden werden soll, gibt es nicht. Das führt Türke zufolge sogar so weit, dass manche Ort mit einem Losverfahren über die Konzessionen entscheiden wollen. Seit einigen Monaten prüft die Ulmer Stadtverwaltung nach einem Schema, das sie selbst erarbeitet hat. In den nächsten Wochen werden Konzessionen erteilt und Absagen verschickt.
Spielhallen ohne Konzession müssen nicht sofort schließen. Denn die Stadt wäre dem Betreiber Schadenersatz schuldig, wenn ein Gericht urteilt, dass das Casino nicht hätte geschlossen werden dürfen. Rainer Türke ist sicher, dass die Unternehmen Absagen nicht einfach hinnehmen: „Wir gehen davon aus, dass wir in allen Fällen im Klageverfahren landen werden.“
Der Spielhallenbetreiber Kling Automaten aus Baindt bei Ravensburg will klagen, wenn ihm eine Konzession entzogen wird. Das bestätigt Prokurist Wolfgang Maucher. Das Unternehmen hält elf Konzessionen an fünf Standorten in Ulm. In manchen Gebäuden hat es mehrere Konzessionen. In Zukunft ist das verboten. „Es ist ein Zirkus“, sagt Maucher über das neue Gesetz.
Der Marktoberdorfer Unternehmer Armin Gruber betreibt eine Spielhalle im Hafenbad – eine der ältesten überhaupt. Gruber sagt: „Das ist unser Hauptstandbein. Wenn wir schließen müssen, wäre das gleichbedeutend mit dem Ende unserer GmbH.“Er rechnet nicht damit, dass sein Betrieb die Konzession verliert. Wenn es doch so käme, würde auch er klagen. „Ich glaube nicht, dass irgendeiner dabei ist, der kampflos die Segel streicht“, sagt er über seine Wettbewerber. Der Unternehmer sieht noch ein weiteres Risiko: „Wenn sie den Unternehmen weiter das Wasser abdrehen, wandert das Glücksspiel in die Illegalität“, warnt Gruber. In Online-Spielhallen werde nicht auf die Gesetze geachtet, die die Casino-Betreiber in Deutschland einhalten müssen: Maximalverlust pro Stunde, Höchsteinsätze, Spielpausen.
Verwaltungsgerichte sind überlastet
Bis zu einer endgültigen Entscheidung dürfte noch einige Zeit vergehen. Denn zum einen hoffen Stadt und Betreiber auf ein Urteil zum Beispiel des Europäischen Gerichtshofs. Daraus könnten allgemeine Regeln abgeleitet werden. Und zum anderen führt der erste Weg der klagenden Betreiber zu den Verwaltungsgerichten. Und die gelten wegen der vielen Asylverfahren derzeit als vollkommen überlastet.