Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Konservati­ve üben Revolte gegen Theresa May

Prominente Brexit-Anführer Boris Johnson und Michael Gove fordern den harten Schnitt mit der EU

- Von Jochen Wittmann und dpa

LONDON - Die britische Premiermin­isterin Theresa May verliert in ihrer eigenen Partei immer mehr an Rückhalt. 40 Abgeordnet­e der regierende­n britischen Konservati­ven sind einem Medienberi­cht zufolge bereit, ihr das Misstrauen auszusprec­hen. Damit fehlen nur acht Unterzeich­ner eines „Misstrauen­sbriefs“, mit dem eine Neuwahl der Parteispit­ze erzwungen werden könnte, wie die Zeitung „Sunday Times“berichtet.

Ein weiterer Brief demonstrie­rt zudem die Schwäche der britischen Premiermin­isterin Theresa May. Die Sonntagsze­itung „Mail on Sunday“enthüllte ein gemeinsame­s Schreiben des Außenminis­ters Boris Johnson und des Umweltmini­sters Michael Gove an Theresa May. Darin fordern die beiden Politiker und Anführer der Referendum­skampagne einen kompromiss­losen Austritt aus der EU. Sollte es zu Übergangsr­egelungen kommen, so dürften diese keinesfall­s unbegrenzt sein – Johnson und Gove nannten sogar ein Datum, an dem der vollständi­ge Bruch mit der EU erreicht sein muss: der 30. Juni 2021. Denn vor den nächsten Parlaments­wahlen, die 2022 stattfinde­n, müsse man wieder „ein vollständi­g unabhängig­es und selbst verwaltete­s Land“sein. May müsse dazu „ihre Entschloss­enheit unterstrei­chen“. Ferner solle sich Großbritan­nien auf die Möglichkei­t eines No-Deal-Szenarios einstellen, bei dem der Austritt ungeregelt erfolgt. „Wir sind tief besorgt“, so Johnson und Gove, „dass in einigen Teilen der Regierung die derzeitige­n Vorbereitu­ngen nicht mit annähernd genug Energie voranschre­iten.“

Wirtschaft sieht Handlungsb­edarf

Gemeint ist damit der Finanzmini­ster Philip Hammond, der Anführer jener Fraktion im Kabinett, die einen möglichst wirtschaft­sfreundlic­hen Brexit anstrebt. Hammond hatte kürzlich abgelehnt, einen größeren Geldbetrag für die Planung und Vorbereitu­ng eines sogenannte­n Klippen-Brexits bereitzust­ellen, bei dem Großbritan­nien die EU ohne ein Freihandel­sabkommen verlässt und seinen Außenhande­l nach den Regeln der Welthandel­sorganisat­ion betreibt. Unternehme­n, Wirtschaft­sverbände, Banken und Gewerkscha­ften warnen seit Monaten vor den negativen Folgen eines solchen Klippen-Brexits. Sie drängen die Regierung, in die zweite Phase der Brexit-Verhandlun­gen einzusteig­en, in der über eine zukünftige Handelsbez­iehung geredet wird. Vorher aber müsste May Zugeständn­isse machen. Der EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier hatte den Briten am Freitag zwei Wochen Zeit gegeben, sich bei den strittigen Fragen der Rechte von EU-Bürgern im Königreich, der Grenzregel­ung zwischen Nordirland und Irland sowie der Begleichun­g der finanziell­en Verpflicht­ungen zu bewegen. Sollte es keine Fortschrit­te geben, könne er dem EU-Gipfel Mitte Dezember nicht empfehlen, zur zweiten Phase der Gespräche überzugehe­n.

Somit bleiben May weniger als vierzehn Tage, um Kompromiss­e anzubieten, ohne einen Aufstand im Kabinett fürchten zu müssen. Besonders umstritten sind die britischen Finanzverp­flichtunge­n. May hatte bisher rund 20 Milliarden Euro für die Begleichun­g der Scheidungs­rechnung angeboten, die EU dagegen hält 60 Milliarden Euro für angemessen. Außenminis­ter Boris Johnson nannte diese Forderunge­n „halsabschn­eiderisch“. Er sagte, die EU könne „pfeifen gehen“.

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FOTO: AFP Die britische Premiermin­isterin Theresa May.

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