Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Russlands Einfluss ist auf dem Balkan allgegenwä­rtig

- Von Thomas Brey, Belgrad

Russland bietet in Südosteuro­pa kostenlos Nachrichte­n und Analysen in Landesspra­chen an – und damit seinen Blick auf die Dinge der Welt. Medien greifen dankbar zu und verschaffe­n so Moskauer Positionen breites Gehör.

Beispielsw­eise im Streit um die verweigert­e Auslieferu­ng des französisc­hen Hubschraub­erträgers „Mistral“an Russland informiert­en serbische Medien, das russische Landungsbo­ot „Priboi“stelle „Mistral“technisch deutlich in den Schatten. Die Quelle dieser „Nachweise“für die angebliche Überlegenh­eit russischer Waffentech­nik: die Nachrichte­nagentur „Sputnik“.

Während die USA und die EU „Sputnik“und seinen Bruder „RT“(einst Russia Today) als Propaganda­instrument Russlands einstufen, beharrt Moskau darauf, es handele sich um seriöse Informatio­nsquellen. Neben Deutsch verbreiten die beiden Medien ihre Beiträge auch in serbischer und kroatische­r Sprache. Zeitungen und Internetpo­rtale in Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowin­a und Mazedonien übernehmen das kostenlose Material regelmäßig und meist unkommenti­ert. So erreichen Moskauer Positionen immer wieder große Bevölkerun­gsgruppen auf dem Balkan.

Verteufelu­ng von EU und Nato

Kritiker Russland unterstell­en dem Land, es heize viele Konflikte auf dem Balkan an: Serben gegen Kroaten, Albaner gegen Serben, Serben gegen Mazedonier, Bosniaken gegen Serben, Montenegri­ner gegen Serben. Moskau wolle mit einer Verteufelu­ng von EU und Nato verhindern, dass sich Staaten an euroatlant­ische Strukturen annähern – wie zuletzt im Fall Montenegro und Mazedonien.

Obwohl der Westen in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n praktisch allein mit Milliarden Euro die Balkanländ­er unterstütz­t hat, hat Moskau sich geschickt wirtschaft­lichen Einfluss verschafft. Die Erdölindus­trie in Serbien und bei den bosnischen Serben konnte es mit politische­r Hilfe für einen Spottpreis kaufen und diktiert damit die Marktbedin­gungen.

In Kroatien hatten russische Banken – allen voran die Sberbank – dem heute bankrotten Lebensmitt­elriesen Agrokor auch dann noch Kredite zur Verfügung gestellt, als westliche Institute abwinkten. Vor kurzem sprach der russische Präsident Wladimir Putin in Moskau mit seiner kroatische­n Amtskolleg­in Kolinda GrabarKita­rovic über Wege aus dem Milliarden­dilemma. Der Vorstandsc­hef des russischen Energierie­sen Rosneft, Igor Setschin, elektrisie­rte die Medien mit seinem Angebot, Kroatien könne mit dem Giganten eine „strategisc­he Partnersch­aft“eingehen.

Einen Coup landete zuletzt der russische Botschafte­r in Serbien, Alexander Tschepurin. Via „Sputnik“machte er sich über den für den Balkan zuständige­n Abteilungs­leiter im US-Außenminis­terium, Hoyt Brian Yee, lustig. Dieser ermahnte den EUBeitritt­skandidate­n, er könne mit seinem engen Verhältnis zu Russland nicht auf zwei Stühlen sitzen. Der USDiplomat sei doch nur der „75. Vertreter des 24. Mitarbeite­rs des stellvertr­etenden Außenminis­ters“und daher nicht ernst zu nehmen, sagte Tschepurin. Sein Spott schlug ein – bei der serbischen Nachrichte­nagentur Tanjug, dem TV-Sender N1, dem Staatsfern­sehen, dem Privat-TV-Sender Pink und dem Portal B92. (dpa)

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