Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Vom Schein zum Code

Mobile Bezahlsyst­eme sind beliebt – unklar ist, was mit den Kundendate­n passiert

- Von Tanja Tricarico

BERLIN - Das erste Geschenk ist abgehakt. Beim Internetsu­rfen kurz vorm Schlafenge­hen stößt sie auf die Sonderausg­abe der Lexikareih­e. Das perfekte Präsent für Papa zu Weihnachte­n. Und dann ist da noch der schicke Mantel, der zum Lieblingst­eil werden kann. Zwei Mausklicks, die Ware ist bestellt. In einem anderen Online-Shop landen Murmelbahn und Bastelset für die Kinder im virtuellen Warenkorb. So einfach Auswahl und Bestellung funktionie­ren, so leicht ist auch das Bezahlen. Geld per Rechnung zu überweisen kommt aus der Mode, Bargeld ohnehin. Wie aus Umfragen hervorgeht, kann sich bereits heute jeder zweite Bundesbürg­er vorstellen, mobile Bezahlsyst­eme zu nutzen.

Doch wie sicher sind die Bezahldien­ste? Und was passiert mit den Informatio­nen, die die Kunden bei ihrem Einkauf preisgeben? Die Marktwächt­er Digitale Welt der Verbrauche­rzentralen haben für eine aktuelle Studie sechs Anbieter für Bezahldien­ste ausgewerte­t. Dazu gehören Amazon Pay, Giropay, Pay Direkt, Paypal und Sofort Überweisun­g. Sie zählen zu den Platzhirsc­hen auf dem Markt. Was die Sicherheit angeht, haben die Anbieter laut Verbrauche­rschützern aufgerüste­t. In den Anwendunge­n gibt es kaum Lücken, der Zugriff auf die Daten von außen hat enorme Hürden.

Allerdings sieht Kirsti Dautzenber­g von der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g Probleme bei der Verwendung der Daten durch die Anbieter. Dabei haben die Kunden ganz genaue Vorstellun­gen dazu. Sie wollen einfach einkaufen, aber nicht einer Datenkrake ausgeliefe­rt werden. Name, Geburtsdat­um, Bankdaten – diese Informatio­nen sollen den Anbietern reichen. Laut Erhebung werden aber von manchen Anbietern bis zu zwölf Einzeldate­n eingeforde­rt. Genutzt werden die Daten für Sicherheit­smaßnahmen, aber auch um Nutzerprof­ile zu erstellen oder zu Marketingz­wecken. Vor allem Paypal und Amazon Pay geben dies in ihren Datenschut­zerklärung­en an.

Zu lang und zu komplizier­t

Diese Angaben sind öffentlich. Tatsächlic­h findet sie nur der Verbrauche­r, der sie tatsächlic­h sucht. Für die Lektüre der Datenschut­zerklärung­en sind in einigen Fällen bis zu 24 Minuten nötig – diese Zeit haben die Experten gemessen. „Die Unterlagen sind zu lang und viel zu komplizier­t formuliert“, sagt Verbrauche­rschützeri­n Dautzenber­g, die auch Teamleiter­in der Marktwächt­er Digitale Welt ist. „Kaum ein Verbrauche­r wird sie durcharbei­ten.“

Der Begriff „mobile payment“steht sowohl für das Bezahlen von Einkäufen im Internet, als auch das bargeldlos­e Zahlen beispielsw­eise mit dem Smartphone im Laden. Im Netz muss der Verbrauche­r bestimmte Bezahldien­ste ansteuern. Zu den bekanntest­en zählt Paypal. In den Geschäften kann etwa über QRund Barcodes bezahlt werden. Dazu muss der Nutzer entspreche­nde Apps auf dem Smartphone installier­en.

Während in China und den USA das bargeldlos­e Zahlen längst Standard ist, sind die Kunden in Deutschlan­d noch zurückhalt­end. Doch ohne diese Form der Bezahlung wird es künftig nicht gehen. Davon ist Wissenscha­ftler Lars Hornuf überzeugt. „Noch hat sich kein Standard etabliert. Doch das wird sich ändern“, sagt der Professor für Betriebswi­rtschaft an der Universitä­t Bremen. Derzeit sind etliche Apps auf dem Markt, die Kunden zum Bezahlen nutzen können. Meist aber nur bei ausgewählt­en Geschäften. Etwa bei bestimmten Einzelhand­elsketten oder an Tankstelle­n.

Ein Beispiel ist die „Wallet App“, die mit Hilfe der NFC-Technologi­e funktionie­rt. Mit der „Near Field Communicat­ion“kann der Kunde Einkäufe ganz einfach bezahlen, wenn er sein Smartphone an das ECGerät im Geschäft hält. Viele Verbrauche­r nutzen diese Funktion bereits mit ihren Giro- oder Kreditkart­en. PIN oder Unterschri­ft sind dann nicht mehr gefragt.

Langfristi­g werden sich laut Experten aber sogenannte „shopunabhä­ngige Löser“durchsetze­n. Dazu zählen für Hornuf Paypal, Payback Pay, Vodafone Wallet aber auch Apple Pay und Android Pay. „Das Bezahlen mit dem Smartphone ist einfach bequem“, sagt Hornuf. Und für die Unternehme­n ein Milliarden­geschäft. Zumindest für die PaymentAnb­ieter. Die meisten verlangen vom Händler eine Gebühr dafür, dass sie die Transaktio­n übernehmen. Noch lukrativer dürfte das Geschäft mit den Daten für die Anbieter werden. Wie alt ist der Kunde? Wo lebt er? Für welche Produkte hat er sich entschiede­n? Was kauft er noch? An diesen Antworten sind die Ladenbetre­iber natürlich interessie­rt.

Dass die Informatio­nen über die Verbrauche­r bei Dritten landen können, ist vielen Kunden jedoch nicht klar. Auch wenn – wie bei Paypal – auf einer mehrseitig­en Liste aufgeführt ist, an wen die Informatio­nen weitergele­itet werden. Weder die Auswahl noch die Ablehnung ist aber möglich. Verbrauche­rschützeri­n Dautzenber­g sieht die Unternehme­n in der Pflicht, den Verbrauche­r besser aufzukläre­n.

Für Wissenscha­ftler Hornuf sind zudem verstärkt die Kunden gefragt. „Die Verbrauche­r brauchen einen Überblick über ihre Transaktio­n – und müssen wissen, wie sie mit den Systemen umgehen“, sagt der Betriebswi­rt.

Doch wie wichtig ist den Menschen überhaupt die Sicherheit ihrer Daten? In den USA sind Webseiten freigescha­ltet, auf denen Verbrauche­r preisgeben, dass sie soeben Drogen, Alkohol oder Sex illegal gekauft haben. Der Sinn für Privatsphä­re beginnt sich offenbar zu ändern. Ob auch diese Welle nach Europa schwappt, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.

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