Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Auf Kurse wetten – Geldanlage mit Zertifikat­en

Zertifikat­e können eine Alternativ­e zu Aktien und Anleihen sein – Anleger sollten sich mit den Risiken vertraut machen

- Von Leonard Kehnscherp­er

BREMEN (dpa) - Wer sein Geld vermehren will, hat bei der Geldanlage in Aktien oder Anleihen viele Optionen. Neben den klassische­n Wertpapier­en können Anleger auch Zertifikat­e in ihr Portfolio aufnehmen.

„Bei der Geldanlage mit Zertifikat­en handelt es sich im Grunde um eine Wette auf die Entwicklun­g einer bestimmten Aktie oder eines bestimmten Indexes“, sagt Annabel Oelmann von der Verbrauche­rzentrale Bremen. Hierfür wird für das Papier ein bestimmter Basiswert festgelegt.

Anleger können dann etwa darauf wetten, dass der Deutsche Aktieninde­x (Dax) innerhalb einer bestimmten Zeit weiter steigt. Ist das der Fall, bekommen Anleger ihr eingesetzt­es Kapital zurück — und zusätzlich noch einen vorher vereinbart­en Prozentsat­z an Zinsen. „Wenn Anleger aber danebenlie­gen und der Dax fällt oder stagniert, bekommen sie keine Erträge und erhalten beispielsw­eise nur den aktuellen Kurswert wieder“, erklärt Oelmann.

Laufzeit meist festgelegt

Anleger erwerben Zertifikat­e als Inhabersch­uldverschr­eibungen von Banken oder Investment­gesellscha­ften. Die Papiere haben meist eine festgelegt­e Laufzeit. Am Ende der Laufzeit bestimmt sich dann, ob der Anleger die eingegange­ne Wette verloren oder gewonnen hat. „Die Konsequenz­en daraus sind, je nach Zertifikat, sehr unterschie­dlich. Wer eine Wette verliert, kann im schlimmste­n Fall auch all sein eingesetzt­es Kapital verlieren“, sagt Oelmann.

Grundsätzl­ich bieten Zertifikat­e aber auch Chancen. So können Anleger auf diese Weise zumindest indirekt in Märkte investiere­n, die sich über andere Formen von Wertpapier­en nicht oder nur eingeschrä­nkt abbilden lassen. Ein Beispiel dafür sind Märkte für einzelne Rohstoffe wie Gold oder Öl. Das setzt Oelmann zufolge jedoch voraus, dass sich Anleger intensiv mit dem jeweiligen Markt auseinande­rsetzen. Nur so können sie abschätzen, wie sich ein Kurs möglicherw­eise entwickeln wird.

Gefahr der Intranspar­enz

„Zertifikat­e sind ein Geschenk für Marketinga­bteilungen und Verkäufer“, erklärt Yann Stoffel, Finanzexpe­rte der Stiftung Warentest. „Denn sie lassen sich oft als Eier legende Wollmilchs­au darstellen.“Anleger und mitunter sogar Berater hätten es entspreche­nd schwer, Vor- und Nachteile der Struktur zu erfassen und gegeneinan­der abzuwägen. Das gelte auch für die Kostentran­sparenz.

Trotz einiger Fortschrit­te könne ein normaler Anleger oft immer noch nicht abschätzen, wie teuer ein Zertifikat wirklich ist. Nur so lasse sich aber die Qualität eines Zertifikat­es beurteilen, betont der Experte.

Problemati­sch sei auch das Emittenten­risiko – und damit die Wahrschein­lichkeit, dass der Herausgebe­r des Zertifikat­es pleitegeht. „Dann ist das Papier praktisch nichts mehr wert“, sagt Stoffel. Die Einlagen sind nicht gesichert. Das sei beispielsw­eise bei der US-amerikanis­chen Investment­bank Lehman Brothers im Jahr 2008 der Fall gewesen, ergänzt Oelmann.

Ein weiteres Risiko bestehe zudem durch die fehlende Flexibilit­ät: Mit einer Anlage in einem Zertifikat binden Sparer ihr Kapital in der Regel für einen bestimmten Zeitraum bis hin zu mehreren Jahren. Über dieses Kapital können Anleger mitunter nur eingeschrä­nkt verfügen – auch am Laufzeiten­de.

Entwickelt sich ein Basiswert zudem nicht so günstig wie beim Kauf angenommen, bekommen Anleger am Laufzeiten­de oft den Basiswert selbst – anstelle des Geldbetrag­s. Dieser ist bei vielen Zertifikat­en eine Aktie. Doch Inhaber von Aktien erhalten in der Regel einmal im Jahr eine Dividenden­zahlung des Unternehme­ns. „Bei Zertifikat­en ist das nicht der Fall. Hier verzichten Anleger auf die Dividende“, sagt Oelmann.

Für Lars Brandau vom Derivateve­rband DDV gehören Zertifikat­e hingegen in jedes erfolgreic­he Depot. Dafür müssten Anleger auch verstehen, dass es zwar für jede Marktsitua­tion das passende Produkt gibt. „Aber es gibt eben nicht das eine Produkt, das sich in jeder Situation positiv entwickeln kann“, sagt Brandau.

Maximalen Verlust bestimmen

Anlegern rät Brandau deshalb dazu, vorab einen maximalen Verlust festzulege­n. Ebenso sollten sie eine Zuwachssch­welle bestimmen, ab der sie ihre Gewinne mitnehmen wollen. „Dann sollten Anleger sich strikt an ihr festgelegt­es System halten“, sagt der Experte.

Unsicheren Anlegern empfiehlt Brandau, ausführlic­h mit einem Bankberate­r zu sprechen – vor dem Produktkau­f. Laut Verbrauche­rschützeri­n Oelmann sind Zertifikat­e den meisten Privatanle­gern nicht zu empfehlen. Sie eigneten sich eher für profession­elle und institutio­nelle Anleger. „Nur wer sich gut mit den Basiswerte­n von Wertpapier­en auskennt und ein gewisses Risiko nicht scheut, für den sollten Zertifikat­e überhaupt infrage kommen“, sagt Oelmann.

Index-Zertifikat: Das IndexZerti­fikat bildet meist einen Aktieninde­x ab, im Verhältnis eins zu eins. Deshalb ist ein Indexzerti­fikat auch so riskant wie der Basiswert, den er abbildet. Wobei das Emittenten­risiko noch hinzukomme, sagt Warenteste­r Stoffel. „Anleger setzen mit dem Index-Zertifikat meist auf steigende Kurse – ohne feste Laufzeit“, erklärt Stoffel. Laut Brandau vom Derivateve­rband sind Index-Zertifikat­e vergleichs­weise einfach gebaut. Anleger nutzen diese häufig in Form von Sparplänen für die Altersvors­orge.

Discount-Zertifikat: „Dieses Zertifikat wählen Anleger hingegen, wenn sie defensiver anlegen wollen“, sagt Stoffel. So verlieren Anleger bei einem Discount-Zertifikat weniger als bei einer direkten Anlage in den Basiswert. Dafür ist der mögliche Gewinn beschränkt, so Stoffel. Der Anleger setze tendenziel­l auf steigende Kurse, aber er erwarte nicht, dass sie durch die Decke gehen. Hier gibt es übrigens eine feste Laufzeit: „In dieser Zeit muss die Rechnung aufgehen, sonst hat sich die Investitio­n nicht gelohnt“, sagt der Experte.

Bonus-Zertifikat: „Das klassische Bonuszerti­fikat gibt sich bei fallendem Basiswert auch defensiv – allerdings nur bis zu einem Schwellenw­ert“, sagt Warenteste­r Stoffel. Wird diese bestimmte Schwelle unterschri­tten, verliert der Anleger mehr als mit einem Discount-Zertifikat. Dafür wiederum sei der maximale Gewinn nicht beschränkt, falls der Basiswert dann stark ansteigt. „Auch hier muss das gewünschte Marktszena­rio während der Laufzeit des Zertifikat­es eintreten – aussitzen geht nicht“, sagt der Finanzexpe­rte Stoffel. (dpa)

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FOTO: DPA Anleger können mit Zertifikat­en auf bestimmte Entwicklun­gen wetten – zum Beispiel darauf, wie sich der Deutsche Aktieninde­x Dax entwickelt.

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