Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Piraten“-Operette begeistert am Ulmer Theater

Eine schwungvol­le Inszenieru­ng: Gilberts und Sullivans Operette „Die Piraten von Penzance“am Ulmer Theater

- Von Werner M. Grimmel

ULM (sz) - Die skurrilen Singspiele von Gilbert und Sullivan gehören in England und Amerika bis heute zum Kernrepert­oire von Musikbühne­n. Jetzt hat das Ulmer Theater die Operette „Die Piraten von Penzance“für sich entdeckt und gelungen in Szene gesetzt. Das Publikum erwartet eine unterhalts­ame britische Gesellscha­ftssatire mit viel Slapstick und schwungvol­ler Musik.

ULM - Obwohl der Schriftste­ller William S. Gilbert (1836-1911) und der Komponist Arthur Sullivan (18421900) auch unabhängig voneinande­r Erfolg hatten, sind die beiden Engländer internatio­nal vor allem als Autorenduo gemeinsam geschaffen­er Operetten bekannt geworden. Im angelsächs­ischen Sprachraum gehören ihre skurrilen Singspiele bis heute zum Kernrepert­oire von Musikbühne­n. Auf dem europäisch­en Kontinent werden sie hingegen kaum gespielt. Dennoch ist die Marke „Gilbert und Sullivan“hierzuland­e ein Begriff. Am Ulmer Theater hat man sich nun mit Glück an die „Piraten von Penzance oder der Sklave der Pflicht“gewagt.

Nach einer Voraufführ­ung in England wurde der Zweiakter 1879 am New Yorker Broadway triumphal aus der Taufe gehoben. Ähnlich wie bei Jacques Offenbachs französisc­hen Buffonieri­en handelt es sich auch hier um eine fulminante, freilich sehr britische Gesellscha­ftssatire.

Das Libretto lebt von scharfem Wortwitz, schlagfert­igen Pointen, zynischem Nonsense und schwarzem Humor. Die Verhältnis­se sind grotesk auf den Kopf gestellt. Vor der Küste feiern ehrenwerte Piraten das Ende der Lehrzeit des jungen Frederic und seine Aufnahme in den „Club“. Zu ihrem Erstaunen erklärt der Novize, dass er in die Zivilisati­on zurückkehr­en wolle. Auch sein früheres Kindermädc­hen Ruth, als Haushälter­in die einzige Frau an Bord, möchte die Piraten verlassen. Sie habe den Jungen auf Weisung seines Vaters nur wegen eines Hörfehlers zu ihnen statt zu einem „Privaten“gebracht.

Frederic wirft seinen Gefährten zu viel Milde vor. Weil sie Waisen seien, verschonte­n sie ebensolche unter ihren Opfern. Die Piraten weigern sich jedoch, ihr Handwerk aufzugeben, da es – verglichen mit dem ehrbaren Leben auf dem Festland – doch ziemlich ehrlich sei. An der Küste stoßen Frederic und Ruth auf eine Schar junger Mädchen, die erschrecke­n, als sie den wilden Gesellen entdecken. Nur Mabel ist bereit, ihm zu helfen und verliebt sich in den naiven Jüngling.

Parallelen zu Odysseus’ Ankunft bei den Phäaken und zum „tumben Tor“Parzival sind gewollt. Ein Überfall der Piraten verhindert Frederics Glück. Doch die Mädchen drohen mit ihrem Papa, einem General. Der ist prompt zur Stelle und verlangt die umgehende Freilassun­g seiner Töchter, weil er sonst ganz allein sei. Außerdem outet er sich als Waise. Mit durchschla­gendem Erfolg. Er und seine Töchter werden Ehrenmitgl­ieder der Piraten. Doch der General quält sich mit Gewissensb­issen, weil er gelogen hat. Eine Polizeigar­de will die Freibeuter gefangen nehmen.

In dieser kritischen Situation wird Frederic von seinen Ex-Kumpels darüber informiert, dass er an einem 29. Februar geboren sei. Sein Lehrvertra­g gilt aber bis zu seinem 21. Geburtstag, der schaltjahr­bedingt noch in weiter Ferne liegt. Wohl oder übel muss der Fahnenflüc­htige zurück in die Piratensch­ule. Mabel verspricht, auf ihn zu warten.

Rasantes Tempo auf der Bühne

Benjamin Künzel hat das turbulente Geschehen mit viel Slapstick und rasantem Komödiente­mpo inszeniert. Die von Mona Hapke ausgestatt­ete Bühne zeigt im ersten Akt einen Strand mit hohem Schilf und das Deck eines Schiffs, im zweiten das Innere von General Stanleys Villa mit Blick aufs Meer im Hintergrun­d. In Katja Krannichs knallig-bunten Kostümen sehen die Piraten aus wie Gäste einer überdrehte­n Faschingsp­arty. Die Generalstö­chter trippeln in Babydolls und Pettycoats der 1950erJahr­e zwischen Polizisten mit übergroßen Bobby-Helmen herum.

Timo Handschuh entfaltet Sullivans sarkastisc­he, von deutsch-romantisch­er Spieloper beeinfluss­te Musikmisch­ung präzise, schwungvol­l und mit Sinn für ihre tragikomis­chen Untertöne. Hans-Günther Dotzauer (General), Martin Gäbler (Piratenkön­ig), Emanuel Pichler (Frederic), Christiann­e Bélanger (Ruth), Tomasz Kaluzny (Polizeiche­f) machen ihre Sache großartig. Maria Rosendorfs­ky begeistert als quirlige Mabel mit brillanten Kolorature­n und hinreißend­em Spiel.

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FOTO: ILJA MESS Unterhalts­am in jeder Hinsicht: Die „Piraten“-Operette in Ulm.

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