Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ein Sieg gegen den Frust
Sebastian Vettel gewinnt Formel-1-Rennen in Brasilien – Felipe Massa verabschiedet sich emotional
SÃO PAULO (SID/dpa) - Alte Sportlerweisheit: Die besten Mittel gegen Frust sind immer noch Siege. Sebastian Vettel ließ der Sieg seit 105 Tagen in der Formel 1 am Sonntag sogar den bohrenden Schmerz um den verpassten Weltmeistertitel für eine Weile vergessen. Der Ferrari-Pilot sang die italienische Hymne mit, er warf breit grinsend seinen Siegerpokal in die Höhe und sprach mit sich überschlagender Stimme über diesen erlösenden Triumph in Brasilien. „Das ist eine große Erleichterung, es liegen harte Wochen und Monate hinter uns“, sagte er, „aber das gibt uns ein bisschen zurück. Jetzt gibt es noch einen Drink und dann schauen wir mal weiter“, sagte Vettel nach dem 47. Grand-Prix-Sieg seiner Karriere. Seit Ende Juli und seinem Erfolg in Ungarn hatte er nicht mehr als Erster die Ziellinie überquert und zuletzt durch Pech und Pannen seine Titelchance im Duell mit Lewis Hamilton verspielt.
Zwei Wochen nach der endgültigen Niederlage im WM-Duell zeigte Vettel in Brasilien Stärke – und greift nun beim Saisonfinale in Abu Dhabi (26. November) nach seiner ersten Vize-Weltmeisterschaft mit Ferrari. Der Deutsche gewann vor seinem Kontrahenten um Rang zwei, Valtteri Bottas im Mercedes ,und hat nun 22 Punkte Vorsprung auf den Gesamtdritten.
Die große Show im Rennen am Sonntag auf dem Autódromo José Carlos Pace lieferte allerdings wieder einmal Weltmeister Lewis Hamilton, der aus der Boxengasse noch auf Rang vier hinter Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen raste. „Es hat Spaß gemacht“, sagte er bei Sky: „Es hat mich ein wenig an meine Kartzeiten erinnert. Ich habe gestern einen riesigen Fehler gemacht und wollte das heute wiedergutmachen und das Team stolz machen.“Der Brite war in der Qualifikation nach einem Unfall früh ausgeschieden, wechselte daraufhin verschiedene Motorenteile und startete aus der Box. Teamchef Toto Wolff schwärmte: „Das ist der beste vierte Platz, den ich je gesehen habe.“
Mechaniker überfallen
Nico Hülkenberg sicherte sich im Renault als Zehnter noch einen WMZähler. Der Worndorfer Pascal Wehrlein kam im unterlegenen Sauber als 14. erneut nicht in die Punkte.
Felipe Massa holte als Siebter ein paar Punkte – und bekam zum Abschied das Formel-1-Podium in seiner Heimat für sich allein. Nach der Siegerehrung gehörte die Bühne nach seinem letzten Heimrennen nur dem Paulista. „Das war sehr emotional“, sagte Massa dort. Der 36-Jährige, lange Jahre Teamkollege des Formel-1-Rekordweltmeisters Michael Schumacher bei Ferrari, kämpfte mit den Tränen. Mit ihm da oben stand Sohn Felipe junior. Er war es auch, der seinem Papa nach der Zieldurchfahrt rührende Worte funkte: „Daddy, ich bin so stolz auf dich. Ich liebe dich.“Im kommenden Jahr wird erstmals seit 1969 kein Brasilianer in der Formel 1 starten.
Ein Dauerthema rund um das Rennen war die mal wieder fehlende Sicherheit. Am Freitagabend waren Teammitglieder von Mercedes auf der Fahrt ins Hotel mit vorgehaltener Waffe ausgeraubt worden, Vertreter des Weltverbandes FIA entkamen nur dank ihres gepanzerten Autos einem Überfall. Vor allem Hamilton legte den Finger in die Wunde. „Die Formel 1 und die Teams müssen mehr tun, es gibt keine Entschuldigungen!“
Die Frage, ob das ohnehin wackelnde Rennen in Sao Paulo angesichts der Sicherheitslage in Zukunft noch tragbar ist, wurde häufig gestellt am Wochenende. Formel-1-Sportchef Ross Brawn will allerdings für den Grand Prix in Brasilien kämpfen: „Wir müssen die Sicherheit verbessern. Es ist ein fantastisches Rennen, wir müssen einen Weg finden.“