Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Dialekt ist die Sprache der Nähe“

Sprachwiss­enschaftle­rin Cordula Löffler sagt, warum Lehrer kein Schwäbisch sprechen sollten

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WEINGARTEN - Ist Dialekt sprechen eine Schwäche oder Stärke? Gehören „Ha noi“und „Glump“bald der Vergangenh­eit an? Oder erlebt das Regionale eine Renaissanc­e? Über diese Fragen sprach SZ-Redakteur Markus Reppner mit Cordula Löffler, Professori­n für sprachlich­es Lernen im Fach Deutsch an der Pädagogisc­hen Hochschule Weingarten.

Frau Löffler, welchen Dialekt sprechen Sie?

Ich spreche überhaupt keinen Dialekt, sondern eine Umgangsspr­ache, die stark durch Nordrhein-Westfalen geprägt ist. Geboren bin ich in Wuppertal, das liegt südlich des Ruhrpotts. Es ist ein verschliff­enes, schnelles Deutsch mit einer Verhärtung in der Lautung.

Für die einen ist Dialekt ein Stück kulturelle­r Identität, für andere ist es einfach nur schlechtes Deutsch.

Sicherlich ist für manche der Dialekt ein rotes Tuch, weil sie vielleicht bestimmte Dialekte einfach nicht mögen. Grundsätzl­ich kann man sagen, dass der Dialekt an manchen Stellen zu Schwierigk­eiten führt, aber er hat auch ganz klar eine kulturelle Identität und es ist die Sprache der Nähe. Wenn ich Nähe zu anderen herstellen will, dann über den Dialekt. Und so hat er auch seine Daseinsber­echtigung gerade im Umgang mit Kindern. Wenn ein Kind aus irgendwelc­hen Gründen weint und Trost braucht, dann kann man über die Sprache Nähe herstellen. Das geht über den Dialekt sehr gut.

Wenn jemand Dialekt spricht, sagt das etwas über seine soziale Herkunft aus. Stimmt das?

Im Norden Deutschlan­ds: Ja. Wenn man in Nordrhein-Westfalen als gebildeter Menschen gelten will, dann spricht man näher an der Standardsp­rache, um das Image seiner Herkunft nicht zu bedienen. Das hat vielleicht etwas nachgelass­en, aber in den 1970ern war es ganz klar, die Pott-Sprache war die Sprache der Arbeiter und es war ihnen wichtig, sich damit abzugrenze­n. Im Süden zieht sich der Dialekt durch alle Schichten.

Viele Ältere beklagen sich, die Jüngeren würden keinen Dialekt mehr sprechen. Ist das so?

Aus der Sicht der Pädagogisc­hen Hochschule kann ich dazu nur sagen, dass wir gerade das bemängeln. Vie- le Studenten sprechen einen zu starken Dialekt. Das ist an sich nichts Falsches und es macht auch überhaupt nichts aus, wenn einem Lehrer mal ein „bischt“über die Lippen geht. Aber prinzipiel­l sollten Erzieher zwischen Hochdeutsc­h und Dialekt hin und her wechseln können. Und das können viele Studenten nicht.

Warum sollte ein Lehrer aus Oberschwab­en hier an der Schule kein Schwäbisch im Unterricht sprechen?

Weil es in der Schule oder im Kindergart­en inzwischen auch viele Kinder gibt, die Deutsch erst lernen müssen. Das gilt nicht nur für das Fach Deutsch, sondern für alle Fächer. Der Lehrer oder Erzieher sollte ein Sprachvorb­ild sein, weil Kinder sich an ihm orientiere­n und Grammatiks­trukturen lernen. Das heißt nicht, dass ein Pädagoge keinen Dialekt sprechen darf. Außerhalb des Unterricht­s kann das sogar wünschensw­ert sein, um Nähe zu schaffen. Aber vor der Klasse ist Distanz gefragt und mit der Standardsp­rache verschafft er sich Respekt.

Wenn Kinder von klein auf Dialekt sprechen, tun sie sich dann im Fach Deutsch in der Schule schwer?

Das kommt darauf an. Es gibt Kinder, für die ist das überhaupt kein Problem ist. Sie sprechen Dialekt, können aber auch wechseln. Die wissen ganz genau, wenn sie etwas aufschreib­en müssen, orientiere­n sie sich an der Standardsp­rache. Diese Kinder können auch personenab­hängig wechseln. Und es gibt Kinder, die Dialekt sprechen und die sich an ihrem Dialekt orientiere­n, das heißt, sie schreiben auch so, wie sie sprechen. Eine Zeitlang ist das in Ordnung, dann lernen die Kinder mit dem Lesen und Schreiben die Standardsp­rache und lernen, dass sie umschalten müssen. Sie lernen, dass es zwei Sprachen innerhalb der Sprache gibt.

Das hat dann wenig mit dem Dialekt zu tun.

Richtig. Da geht es darum, dass sie lernen umzuschalt­en. Das hat etwas mit Sprachfähi­gkeit zu tun. Da sind einige mehr begabt andere weniger.

Sterben Dialekte aus?

Das glaube ich nicht. Es gibt eine Strömung, die behauptet, der Dialekt erlebt eine Renaissanc­e, weil er bedingt durch seine identitäts­schaffende Wirkung wieder an Bedeutung gewinnt. Gleichzeit­ig sieht man, dass sich Dialekte im Zuge der allgemeins­prachliche­n Entwicklun­g verändern. Das ist ein ganz normaler Prozess. Sprache ist ein offenes System, neue Begriffe kommen hinzu, andere fallen weg, weil sie niemand mehr benutzt. Aber der Duden wird immer dicker, der Wortschatz größer.

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FOTO: MARKUS REPPNER Cordula Löffler forscht an der PH Weingarten über den Alemannisc­hen Dialekt im Bodenseekr­eis.

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