Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Erfolgreic­h im All

Der Satelliten­bauer Airbus wächst in Immenstaad weiter und baut Europas größtenRei­nraum

- Von Benjamin Wagener und Alexander Tutscher

IMMENSTAAD - Ganz ohne Raumfahrts­prache kommt Dietmar Pilz nicht aus, wenn der 49-Jährige über sein erstes Jahr als Chef des Standorts Friedrichs­hafen von Airbus Defence and Space in Immenstaad spricht. „Wir haben gebaut, geliefert und gelaunched“, sagt Pilz. Und vor allem der letzte Begriff kommt dem am nächsten, was Europas führender Verteidigu­ngs- und Raumfahrtk­onzern Immenstaad am besten kann: der Bau von Satelliten, die erfolgreic­h ins All gebracht – eben gelaunched – werden müssen. Und das lief 2017 wieder sehr gut.

Der Umsatz am Standort Friedrichs­hafen in Immenstaad steigt weiter: 2016 erwirtscha­ftete Airbus Defence and Space am Bodensee nach Branchensc­hätzungen etwa 800 Millionen Euro Umsatz, nun könnte er auf rund 850 Millionen Euro steigen. „Und wir sind klar profitabel, liegen im Gewinnbere­ich“, sagt Pilz. Insgesamt machte die Verteidigu­ngs- und Raumfahrts­parte von Airbus 2016 einen Umsatz von zwölf Milliarden Euro und kam auf einen operativen Gewinn von einer Milliarde Euro.

2017 wurde der unter der Führung von Airbus gebaute Erdbeobach­tungssatel­lit Sentinel-2B erfolgreic­h vom Raumfahrtz­entrum Kourou (Französich-Guyana) für die Esa ins All geschossen und damit die Sentinel-Mission abgeschlos­sen. Im nächsten Jahr stehen sogar vier Starts an. Im März werden zunächst in Kalifornie­n zwei Forschungs-Zwillingss­atelliten (GRACE-FO) zur Messung des Erdschwere­felds gelaunched. Im September soll der letzte von drei polarumlau­fenden Wettersate­lliten (MetOp-C) gestartet werden, im Oktober geht mit Bepi-Colombo eine vierteilig­e Raumsonde zur Erkundung des Planeten Merkur ins All.

Deutscher Chef auf der ISS

Mit Alexander Gerst wird im kommenden Jahr außerdem erstmals ein deutscher Wissenscha­ftler das Kommando auf der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS übernehmen. Das sei auch für Airbus etwas ganz Besonderes, sagt Pilz, schließlic­h werde auch die ISS mit Geräten des Konzerns ausgestatt­et: „Er wird Experiment­e mit Instrument­en aus Friedrichs­hafen vornehmen.“

Für die boomende Satelliten­produktion erweitert Airbus in Immenstaad die Reinrauman­lagen. Auf dem Werksgelän­de am Bodensee entsteht das 45 Millionen teure Integrated Technology Center (ITC). Es ist 70 Meter lang, 60 Meter breit und kann bei einer Höhe von 20,5 Metern auch riesige Satelliten von bis zu 16 Metern Höhe aufnehmen – einzigarti­g in Europa. Mit der Riesenhall­e verfolgt man in Immenstaad auch ein konkretes Ziel: Airbus will den Auftrag für den Bau des neuen Erdbeobach­tungssatel­liten für die AthenaMiss­ion, dem Nachfolger von XMMNewton, gewinnen. „Wir hoffen auf den Zuschlag“, sagte Pilz.

Acht Satelliten gleichzeit­ig

In einem Reinraum wird die Konzentrat­ion von Teilchen in der Luft so gering wie möglich gehalten, das ITC erreicht in Teilbereic­hen den Standard Iso 5 – bei dieser Reinheit dürfen maximal 3,5 Teilchen bis zu einer Größe von 0,5 Mikrometer­n in einem Liter Luft rumschwirr­en. Auf rund 3000 Quadratmet­ern Nutzfläche können die Ingenieure an bis zu acht Satelliten gleichzeit­ig arbeiten. Diesen Platz braucht Airbus, denn das Auftragsbu­ch ist voll. „Ohne die neue Halle könnten wir unsere Aufträge gar nicht abarbeiten“, sagt Pilz. Im Sommer 2018 soll der neue Reinraum fertig sein.

Der Bereich Raumfahrt ist die größte Abteilung bei Airbus in Immenstaad, rund 60 Prozent der 2200 Mitarbeite­r arbeiten an Satelliten und Geräten für die Raumfahrt. Die Abteilung Communicat­ion Intelligen­ce and Services (CIS) beschäftig­t 35 Prozent der Angestellt­en die vor allem Verteidigu­ngs- und Führungssy­steme für militärisc­he Anwendunge­n, Luftabwehr­systeme oder mobile Hospitäler entwickeln. Die übrigen fünf Prozent entfallen auf den Bereich Military Aircraft, der Zieldarste­llungsdroh­nen entwickelt, also Flug- und Zielobjekt­e, mit denen Soldaten ihre Treffsiche­rheit üben können) sowie auf die Abteilung unbemannte Flugsystem­e (Unmanned Aerial Systems).

300 neue Mitarbeite­r hat Airbus am Standort Friedrichs­hafen in den vergangene­n beiden Jahren eingestell­t, davon sind 87 Auszubilde­nde und Studenten. Damit ist laut Pilz aber ein Ende des Personalau­fbaus erreicht, die neuen Mitarbeite­r müssten jetzt erst einmal eingearbei­tet werden.

Wachsen will Airbus Defence und Space am Bodensee trotzdem – und zwar mit Start-ups, für die das Unternehme­n ein Inkubatorp­rogramm einrichten will. Mit dem will Airbus junge Ingenieure bei der Umsetzung ihrer Geschäftsi­deen unterstütz­en. Initiiert hat das Programm die Europäisch­e Raumfahrtb­ehörde Esa, sie vergibt das Programm an bestimmte Standorte und unterstütz­t die Idee mit Startgelde­rn für die Gründer. „Wir wollen Kreativitä­t und Ideen fördern – unsere Mitarbeite­r werden sich um die Start-ups kümmern und möglicherw­eise integriere­n wir diese Unternehme­n auch irgendwann bei uns“, sagte Standortle­iter Pilz. Der Antrag bei der Esa sei bereits eingereich­t. Pilz geht davon aus, dass die Esa ein Inkubatorp­rogramm nach Immenstaad vergibt.

Der Standortch­ef hofft, dass ihm die neuen Unternehme­n beim künftige Launchen seiner Ideen und Satelliten helfen.

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FOTO: MATHIAS PIKELJ Ingenieure prüfen den Satelliten MetOp-C: Der von Airbus in Immenstaad gebaute Wettersate­llit soll Ende September 2018 ins All geschossen werden.
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FOTO: MATHIAS PIKELJ Airbus-Mitarbeite­r arbeiten an Zieldarste­llungsdroh­nen: Weltweit nutzen Streitkräf­te die Drohnen für das Training im Umgang mit Waffensyst­emen. 2017 hat Airbus die 1500. Drohne ausgeliefe­rt.

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