Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Eine Entschuldigung vom Patriarchen fehlt bis heute
Ex-Verdi-Chefin Breymaier hadert noch heute damit, dass für die Schlecker-Frauen keine Transfergesellschaft entstand
STUTTGART/RAVENSBURG - Leni Breymaier schmerzt es immer noch, wenn sie zurückdenkt an die Zeit der Schlecker-Insolvenz. Baden-Württembergs SPD-Vorsitzende war in den entscheidenden Tagen der Insolvenz Landeschefin der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. „Ich hab’ schon als junge Gewerkschaftssekretärin mit denen zu tun gehabt“, erinnert sich Breymaier. Wenn die 57-Jährige sich an die schwierige Zeit erinnert, geht es ihr vor allem um die SchleckerFrauen, wie die ehemaligen Beschäftigten oft genannt wurden. Breymaier nennt sie „Heldinnen“. Denn: „Diese Frauen haben sich zusammengetan und Betriebsräte gegründet, die mussten sich alles erkämpfen.“Meist waren es Frauen ohne Ausbildung, die es auf dem Arbeitsmarkt schwer hatten, sagt Breymaier. Schlecker gab ihnen eine Chance,allerdings zahlte er ihnen einen zu geringen Lohn. 1998 verurteilte das Stuttgarter Landgericht ihn und seine Frau deshalb wegen Betrugs, denn den Angestellten hatte er weis gemacht, er zahle Tariflöhne.
Noch heute glaubt Breymaier, dass eine Transfergesellschaft den Frauen einen geregelten Übergang hätte bieten müssen. Der Staat hätte eine Bürgschaft über 70 Millionen Euro übernehmen müssen. „Es wäre kein Euro Steuergeld verschwendet worden“, sagt Breymaier überzeugt. Die bayerische FDP habe diese Gesellschaft aber verhindert. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Vorstand der FDP-nahen Friedrich-Nau- mann-Stiftung, war damals Landeschefin der bayerischen FDP. Eine Anfrage, ob sie noch immer glaubt, dass eine Transfergesellschaft damals keinen Nutzen gehabt hätte, beantwortet die ehemalige Bundesjustizministerin am Montag nicht. Sie teilt lediglich mit: „Das Urteil gegen den Familienpatriarchen wird bei den Betroffenen zu Enttäuschung führen. Durch das verantwortungslose Verhalten der Familie Schlecker haben Tausende ihren Job verloren.“Breymaier erinnert sich noch genau an den Moment, als sie vom endgültigen Schlecker-Aus gehört hat – ohne Transfergesellschaft. „Ich war gerade bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst in Potsdam“, berichtet sie. Der damalige badenwürttembergische Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) rief sie an. Die Gesichtszüge seien ihr entglitten. Dann habe sie „mit ihren Leuten“bei Verdi telefoniert, sagt Breymaier. „Ich hab’ ihnen gesagt: Das wird nichts.“Sie verstummt, denkt zurück an die Zeit. Ihr steigen Tränen in die Augen.
13 000 Angestellte hatte Schlecker zu diesem Zeitpunkt noch. Eine von ihnen war Andrea Straub, die 17 Jahre bei Schlecker angestellt war. „Im ersten Moment habe ich gedacht, dass das Urteil für Anton Schlecker ziemlich mild ist“, sagt sie. „Wir haben gerne bei Schlecker gearbeitet und auch immer unseren Lohn bekommen. Als dann Schluss war, hat uns das den Boden unter den Füßen weggezogen“, erinnert sich Straub.
Nach dem Ende des Konzerns gehörte Straub zu denjenigen Schlec- kerfrauen, die unter dem Namen „Drehpunkt“ihre eigene Drogerie eröffneten. Seit dem Start ihres Marktes in Stetten am Kalten Markt sind jetzt fast fünf Jahre vergangen.
Den Prozess haben sie und ihre Kolleginnen nur nebenbei verfolgt. „Ich bin froh, wenn da jetzt ein Deckel draufgemacht wird“, sagt die 50Jährige.
Das geht nicht allen ehemaligen Schlecker-Frauen so. Sie hielten ihrem Unternehmenschef bis zuletzt die Stellung. Zu den Kunden waren sie sogar dann noch freundlich, als diese im Ausverkauf wie die Heuschrecken in die Filialen einfielen. „Ich würde mir eine aufrichtige Entschuldigung von Herrn Schlecker wünschen, nicht nur eine Äußerung des Bedauerns“, hatte Christel Hoffmann vor der Urteilsverkündung gesagt. Darauf wartet die ehemalige Gesamtbetriebsratschefin von Schlecker bis heute vergeblich.
Alle Hintergründe zum Untergang des Schlecker- Konzerns unter www.schwäbische.de/Schlecker