Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Eine Entschuldi­gung vom Patriarche­n fehlt bis heute

Ex-Verdi-Chefin Breymaier hadert noch heute damit, dass für die Schlecker-Frauen keine Transferge­sellschaft entstand

- Von Kara Ballarin und Sebastian Heilemann

STUTTGART/RAVENSBURG - Leni Breymaier schmerzt es immer noch, wenn sie zurückdenk­t an die Zeit der Schlecker-Insolvenz. Baden-Württember­gs SPD-Vorsitzend­e war in den entscheide­nden Tagen der Insolvenz Landeschef­in der Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi. „Ich hab’ schon als junge Gewerkscha­ftssekretä­rin mit denen zu tun gehabt“, erinnert sich Breymaier. Wenn die 57-Jährige sich an die schwierige Zeit erinnert, geht es ihr vor allem um die SchleckerF­rauen, wie die ehemaligen Beschäftig­ten oft genannt wurden. Breymaier nennt sie „Heldinnen“. Denn: „Diese Frauen haben sich zusammenge­tan und Betriebsrä­te gegründet, die mussten sich alles erkämpfen.“Meist waren es Frauen ohne Ausbildung, die es auf dem Arbeitsmar­kt schwer hatten, sagt Breymaier. Schlecker gab ihnen eine Chance,allerdings zahlte er ihnen einen zu geringen Lohn. 1998 verurteilt­e das Stuttgarte­r Landgerich­t ihn und seine Frau deshalb wegen Betrugs, denn den Angestellt­en hatte er weis gemacht, er zahle Tariflöhne.

Noch heute glaubt Breymaier, dass eine Transferge­sellschaft den Frauen einen geregelten Übergang hätte bieten müssen. Der Staat hätte eine Bürgschaft über 70 Millionen Euro übernehmen müssen. „Es wäre kein Euro Steuergeld verschwend­et worden“, sagt Breymaier überzeugt. Die bayerische FDP habe diese Gesellscha­ft aber verhindert. Sabine Leutheusse­r-Schnarrenb­erger, Vorstand der FDP-nahen Friedrich-Nau- mann-Stiftung, war damals Landeschef­in der bayerische­n FDP. Eine Anfrage, ob sie noch immer glaubt, dass eine Transferge­sellschaft damals keinen Nutzen gehabt hätte, beantworte­t die ehemalige Bundesjust­izminister­in am Montag nicht. Sie teilt lediglich mit: „Das Urteil gegen den Familienpa­triarchen wird bei den Betroffene­n zu Enttäuschu­ng führen. Durch das verantwort­ungslose Verhalten der Familie Schlecker haben Tausende ihren Job verloren.“Breymaier erinnert sich noch genau an den Moment, als sie vom endgültige­n Schlecker-Aus gehört hat – ohne Transferge­sellschaft. „Ich war gerade bei den Tarifverha­ndlungen für den öffentlich­en Dienst in Potsdam“, berichtet sie. Der damalige badenwürtt­embergisch­e Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster Nils Schmid (SPD) rief sie an. Die Gesichtszü­ge seien ihr entglitten. Dann habe sie „mit ihren Leuten“bei Verdi telefonier­t, sagt Breymaier. „Ich hab’ ihnen gesagt: Das wird nichts.“Sie verstummt, denkt zurück an die Zeit. Ihr steigen Tränen in die Augen.

13 000 Angestellt­e hatte Schlecker zu diesem Zeitpunkt noch. Eine von ihnen war Andrea Straub, die 17 Jahre bei Schlecker angestellt war. „Im ersten Moment habe ich gedacht, dass das Urteil für Anton Schlecker ziemlich mild ist“, sagt sie. „Wir haben gerne bei Schlecker gearbeitet und auch immer unseren Lohn bekommen. Als dann Schluss war, hat uns das den Boden unter den Füßen weggezogen“, erinnert sich Straub.

Nach dem Ende des Konzerns gehörte Straub zu denjenigen Schlec- kerfrauen, die unter dem Namen „Drehpunkt“ihre eigene Drogerie eröffneten. Seit dem Start ihres Marktes in Stetten am Kalten Markt sind jetzt fast fünf Jahre vergangen.

Den Prozess haben sie und ihre Kolleginne­n nur nebenbei verfolgt. „Ich bin froh, wenn da jetzt ein Deckel draufgemac­ht wird“, sagt die 50Jährige.

Das geht nicht allen ehemaligen Schlecker-Frauen so. Sie hielten ihrem Unternehme­nschef bis zuletzt die Stellung. Zu den Kunden waren sie sogar dann noch freundlich, als diese im Ausverkauf wie die Heuschreck­en in die Filialen einfielen. „Ich würde mir eine aufrichtig­e Entschuldi­gung von Herrn Schlecker wünschen, nicht nur eine Äußerung des Bedauerns“, hatte Christel Hoffmann vor der Urteilsver­kündung gesagt. Darauf wartet die ehemalige Gesamtbetr­iebsratsch­efin von Schlecker bis heute vergeblich.

Alle Hintergrün­de zum Untergang des Schlecker- Konzerns unter www.schwäbisch­e.de/Schlecker

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FOTO: DPA Die Schlecker- Frauen demonstrie­rten damals vergeblich.

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