Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Streit nach Ja zu Glyphosat

Landwirtsc­haftsminis­terium stimmt überrasche­nd für Verlängeru­ng von umstritten­er Lizenz

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Der Unkrautver­nichter Glyphosat wird für weitere fünf Jahre in der EU zugelassen. Überrasche­nd stimmte am Montag im zuständige­n Ausschuss der Mitgliedss­taaten eine qualifizie­rte Mehrheit für den Vorschlag der EU-Kommission – darunter auch Deutschlan­d.

Die Kommission hatte den umstritten­en Wirkstoff, der in einigen Untersuchu­ngen als möglicherw­eise krebserreg­end eingestuft wird, ursprüngli­ch für weitere zehn Jahre erlauben wollen, später wurden es fünf. Da sich dafür keine Mehrheit fand, verkürzte die Behörde die Zulassungs­frist. Dennoch blieb der Widerstand zunächst groß. Die Bundesregi­erung hatte sich jedes Mal enthalten, da Landwirtsc­hafts- und Umweltmini­sterium gegensätzl­icher Meinung sind.

Da eine qualifizie­rte Mehrheit nur zustande kommt, wenn mehr als die Hälfte der Mitgliedss­taaten mit mindestens 65 Prozent der Bevölkerun­g zustimmen, war die deutsche Stimme entscheide­nd.

Umweltverb­ände sind entsetzt

Entspreche­nd entrüstet reagierten Umweltverb­ände und grüne Europapoli­tiker nach der Abstimmung. Adrian Bebb vom europäisch­en Naturschut­zbund „Friends of the Earth“sagte: „Glyphosat fügt der Natur Schaden zu, ist vermutlich krebserreg­end und unterstütz­t eine indus- trielle Form von Landwirtsc­haft, die das Land entwertet, das wir für unsere Ernährung brauchen. Die heutige Genehmigun­g ist eine verpasste Gelegenhei­t, diesen riskanten Unkrautver­nichter loszuwerde­n.“

Andere Verbandssp­recher äußerten die Vermutung, Deutschlan­d sei vor der chemischen Industrie „eingeknick­t“. Das Thema hat für Deutschlan­d besondere Brisanz, denn der Bayer-Konzern will den US-Chemieprod­uzenten Monsanto, der Glyphosat vertreibt, übernehmen. Denoch war erwartet worden, dass die nur noch kommissari­sch regierende Große Koalition sich weiterhin enthalten würde, da die Machtverhä­ltnisse nach wie vor unveränder­t sind.

Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) sagte kurz nach der Abstimmung, sie habe Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt (CSU) nochmals deutlich gemacht, auch eine fünfjährig­e Verlängeru­ng nicht zu unterstütz­en. Über diese Position habe sich der Kollege hinweggese­tzt. „Jeder, der an Vertrauens­bildung zwischen Gesprächsp­artnern interessie­rt ist, kann sich so nicht verhalten“, erklärte Hendricks mit Blick auf eine mögliche Neuauflage der Großen Koalition. Der grüne EU-Abgeordnet­e Martin Häusling hingegen sagte, das deutsche Abstimmung­sverhalten sei ein „Vorgeschma­ck“darauf, wie sich die künftigen Machtverhä­ltnisse in Berlin auf den Umweltschu­tz auswirken könnten.

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