Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Philosoph Schlink
Bestseller-Autor spricht im Stadthaus
ULM - Bernhard Schlink ist nicht nur ein Bestsellerautor. Der 73-Jährige, Sohn eines Theologie-Professors und einer evangelischen Ordensgründerin, ist auch emeritierter Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie der HumboldtUniversität Berlin. Und Schlink ist aktuell Gastprofessor an der Universität Ulm.
Im Stadthaus referierte Schlink am Freitagabend philosophisch über den Zusammenhang zwischen Politik, Recht und Vergangenheitsbewältigung. Der durch die 68erStudentenbewegung geprägte Jurist wendete sich konkret gegen eine „The Power of Now“-Haltung, die er als geschichts- und identitätslos wertete. Wer sich der Geschichte verweigere, begegne ihr politisch eben doch, beispielsweise in aktuell gestellten Fragen danach, ob Deutschland wieder Europa beherrschen wolle und welche Rolle Deutschland Europa angesichts seiner Geschichte schulde, sagte der Jurist im gut besuchten Stadthaus.
Es sei in den 80er Jahren gewesen, als der Holocaust zu der Vergangen- heit wurde, die vor allen anderen Vergangenheiten erinnert wird.
Eine Schuldgemeinschaft zwischen der Täter-Generation und ihren Kindern sei entstanden, weil nicht mit den Tätern des NS-Regimes gebrochen wurde – mit Familienangehörigen, mit akademischen Ziehvätern, mit Pfarrern und Lehrern.
Eine moralische Kollektivschuld sei so entstanden, führte der Referent weiter aus, über die sich die Kin- der-Generation in die Schuld der Elterngeneration verstrickt fühle.
Bernhard Schlink dachte in seinem Vortrag am Freitagabend auch über die Frage nach, ob man Abschied nehmen könne von der Vergangenheit. Es könne ein Verzeihen geben, ohne zu vergessen, sagte er – doch das nur, wenn es gelingt zu erkennen, dass späteres Geschehen von früherem ausgelöst wurde und die Dinge in ihrer Folgerichtigkeit zu sehen.