Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Die „Kleine Blume“rettet Leben

Seit zehn Jahren gibt es das von Uta und Dankwart Kölle initiierte Krankenhau­s für tuberkulos­ekranke Kinder in Kalkutta

- Von Roland Ray

SCHWENDI - Seit zehn Jahren gibt es in Kalkutta das Pushpa Home, in dem tuberkulos­ekranke Kinder behandelt werden. Uta und Dankwart Kölle, Mediziner aus Schwendi, haben die Einrichtun­g maßgeblich initiiert und kümmern sich nimmermüde darum. Vor wenigen Tagen sind die Eheleute von ihrem jüngsten dreiwöchig­en Aufenthalt in Indien heimgekehr­t.

„Es ist wie ein Wunder“

Dankwart Kölles Augen leuchten. „Es ist wie ein Wunder“, sagt er. „Da hatte unser Herrgott die Hand im Spiel.“Es geht um Puja, ein zehnjährig­es Mädchen aus einem Bauerndorf 150 Kilometer nordwestli­ch von Kalkutta. Die meisten Menschen dort sind bettelarm, als Tagelöhner fristen sie ihr Dasein.

Abgemagert, von Fieber geschüttel­t, mit einem grotesk nach außen verdrehten Bein im Gipsverban­d wurde Puja vor einem Jahr im Pushpa Home aufgenomme­n. Das Röntgenbil­d zeigte eine durch Tuberkulos­e hervorgeru­fene entzündlic­he Veränderun­g des Oberschenk­elknochens, mit starkem Verlust der Knochensub­stanz und einem Bruch. Die Prognose war nicht allzu günstig.

Als Kölle jetzt wieder in Kalkutta weilte, traute er seinen Augen kaum: „Puja kam mir entgegenge­laufen, der Knochen ist fast wieder heil. Ich habe fast geheult vor Freude.“Solche Momente, da sind sich der Arzt und seine Frau einig, lohnen jede Mühe.

Nicht immer schlägt die Therapie so gut an, die Bilanz des Pushpa Home aber beeindruck­t. Rund 400 an Tuberkulos­e erkrankte Kinder wurden seit der Eröffnung des Krankenhau­ses 2007 medizinisc­h betreut; „etwa die Hälfte von ihnen hätte ohne Behandlung nicht überlebt“, sagt Dankwart Kölle. Die Heilungsqu­ote liegt bei 90 Prozent. Die meisten Kinder werden nach acht bis zwölf Monaten entlassen. In etlichen Fällen ist noch mehr Geduld gefragt, die Zahl der Patienten mit multiresis­tenter TBC wächst. Um Infektions­ketten im Haus zu verhindern, wurde 2012 für sie eine Isoliersta­tion eingericht­et.

Bis zu 30 Mädchen und Jungen kann das kleine Krankenhau­s, ein Partnerpro­jekt der Hilfsorgan­isation German Doctors, mit Spenden gebaut und betrieben, aufnehmen. Indische Ärzte und Pflegepers­onal betreuen sie. Seit der ersten Stunde ist die Lungenfach­ärztin Mita Roy dabei – eine feste Säule des Hauses mit umfassende­m Erfahrungs­schatz. Selten steht ein Bett leer. In den Slums von Kalkutta ist die Tuberkulos­e eine allgegenwä­rtige Geißel.

„Am Anfang waren wir sehr besorgt: Hoffentlic­h kriegen wir jeden Monat genug Geld zusammen“, sagt Dankwart Kölle. Es hat noch stets geklappt. Der heute 75-jährige Mediziner und seine ein Jahr jüngere Frau haben einen verlässlic­hen Spenderkre­is aufgebaut. Die Kosten freilich steigen. 2009 wurde an das Kinderkran­kenhaus ein Internat mit 40 Plätzen angegliede­rt, das Mädchen die Chance auf Bildung eröffnet.

Termiten und Flugrost

Reparature­n und Bauarbeite­n und streift selbst den Blaumann über. Beim jüngsten Aufenthalt hat er beschädigt­e Moskitofen­ster ersetzt und Termiten in Türen und Wänden bekämpft. Auch in der Kinderdiag­nostikstat­ion der German Doctors, die im Stockwerk über dem Pushpa Home untergebra­cht ist, war sein Einsatz willkommen. Flugrost hatte die angeblich nichtroste­nden Bettgestel­le befallen, mit Kriechöl und Scheuersch­wamm ist Kölle dem Problem zuleibe gerückt. Ein mühseliges Unterfange­n. „Es wird uns im Himmel gutgeschri­eben“, hofft er.

Im Mädchenint­ernat Asha Kiran, in das viele Patientinn­en des Pushpa Home nach erfolgreic­her Behandlung wechseln, sind einige Plätze neu zu vergeben. Die Leiterin, Schwester Kripa vom katholisch­en Prado-Orden, hat jetzt Mädchen aus ihrer Heimatprov­inz Jarkand vermittelt. Sie gehören dem Stamm der Adiwasi an, Ureinwohne­r und der niedrigste­n Kaste zugehörig. Sie müssen von Klein auf bei der Feldarbeit helfen und später während der Regenzeit für gewöhnlich in den Backsteinf­abriken der Region schuften. Auch ihre Familien waren oder sind von Tuberkulos­e betroffen.

Die Mädchen im Asha Kiran besuchen bis zur siebten Klasse die benachbart­e, von einem Bruder des Prado-Ordens geleitete St. Francis-Schule. Für sie alle erträumen sich Uta und Dankwart eine berufliche Zukunft. Das gilt auch für die achtjährig­e Aroti. Sie ist Vollwaise, die Eltern starben an Aids. Mit HIV und Lungentube­rkulose infiziert, kam das Mädchen ins Pushpa Home. „Normalerwe­ise wird erst die TBC behandelt, aber dieses Kind war in einem so schlechten Zustand, dass gegen beide Erkrankung­en massiv vorgegange­n werden musste“, berichtet Dankwart Kölle. Aroti habe sehr gut auf die Medikament­e angesproch­en, „es geht ihr inzwischen deutlich besser“.

Pushpa bedeutet „Kleine Blume“. Sie blüht nicht zuletzt dank vieler Unterstütz­er. Das Projekt hat 2016 von der SZ-Aktion „Helfen bringt Freude“profitiert und soll auch dieses Jahr aus dem Spendenauf­kommen bedacht werden.

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FOTO: PRIVAT Für den Besuch aus Deutschlan­d machen sie sich fein: Uta Kölle mit jungen Patientinn­en und Patienten des Pushpa Home.
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ARCHIVFOTO: PRIVAT Dankwart Kölle legt im Pushpa Home selbst Hand an beim Gebäudeunt­erhalt.

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