Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Altes Handwerk trifft neueste Technik

Neben der Muskelkraf­t von Steinmetze­n hält bei am Münster der Laserscann­er Einzug

- Von Stefan Kümmritz

ULM - Kälte, Schnee und schwierige Straßen- sowie Wegverhält­nisse hielten am Sonntag kaum Menschen davon ab, der Ulmer Münsterbau­hütte an deren Tag der offenen Tür einen Besuch abzustatte­n und sich in die Geheimniss­e der Arbeit der Steinmetze einweihen zu lassen. Und diese erklärten, zum Teil dabei praktisch arbeitend, mit viel Geduld und Fachwissen, welche Aufgabe sie haben und wie sie diese lösen.

Alleine den Hauptturm zu restaurier­en, ist ein Zehn-Jahresproj­ekt, das für Münsterbau­meister Michael Hilbert und seine insgesamt 21 Mitarbeite­r eine große Herausford­erung darstellt. Der südliche der hinteren, kleinen Türme ist bereits komplett restaurier­t, der nördliche ist momentan mit einem Schutzgerü­st eingekleid­et und wird später in Angriff genommen.

Wobei den Steinmetze­n die Arbeit nie ausgeht. Und die ist mitunter sehr schwierig und zeitaufwen­dig. Steinmetz Axel Bohn zum Beispiel arbeitet gerade an einem neuen, etwa 60 Zentimeter langen Werkstück und berichtet: „Bis es ganz fertig ist, braucht es schon etwa 250 Stunden.“Alte, noch brauchbare, aber angeschlag­ene Teile werden restaurier­t. Unbrauchba­re Stücke – Witterungs­und Umwelteinf­lüsse haben zum Verfall geführt – werden ausgetausc­ht. Vorwiegend aus Sandstein, der beispielsw­eise aus der Nähe von Dettenhaus­en im Schönbuch oder aus der Schweiz stammt, wie Hüttenmeis­ter Andreas Böhm in seinem Vortrag „Der Weg des Steins durch die Bauhütte“erläuterte.

Fast 500 Jahre gab es keine Bauhütte

Eine Münsterbau­hütte gibt es seit 1377. Zwischenze­itlich war sie stillgeleg­t, 1844 wurde sie wieder eröffnet. Heute ist sie ein Hort von Spezialist­en, die dafür sorgen, dass das Ulmer Münster immer intakt bleibt. In seinem Vortrag „Zwischen Tradition und Fortschrit­t“zeigte Steintechn­iker Richard Géczi auf, wie seit 2014 ein 3-D-Laserscann­er und seit vergangene­m Jahr versuchswe­ise Handscanne­r eingesetzt werden. Géczi: „Von den 3-D-Zeichnunge­n lassen sich alle nötigen Ansichten und Schnitte für Werklisten und Schablonen auf 2-D ableiten.“Die Ergebnisse dieser modernen Technik ergeben die Planungsgr­undlage. „Gearbeitet aber“, so der Steintechn­iker, „werden alle Werkstücke von den Steinmetze­n von Hand.“

Dass dies eine auch staubinten­sive - mit entspreche­nden Absauganla­gen ist dies für die Steinmetze kein Problem – und viel Feingefühl erfordernd­e Arbeit ist, davon konnten sich gestern die Besucher überzeugen. Und sie ließen sich von Steinresta­urator Rouven Lambert erzählen, wie die richtige Steinkonse­rvierung funktionie­rt. Wobei nichts ewig hält.

Wenn Steinteile des Münsters ausgetausc­ht werden müssen, heißt es, auch die Statik zu beachten, wie Andreas Böhm ausführte: „Da müssen oft aufwendige Konstrukti­onen zum Stützen eingesetzt werden, zum Beispiel Druckpress­en. Da drücken schon einmal sieben bis acht Tonnen runter, die müssen bewältigt werden.“

Die Besucher zeigten sich offensicht­lich von den Ausführung­en der Vortragend­en und von den Erklärunge­n der Steinmetze sehr beeindruck­t. Es gab von ihnen viele Fragen, auch zur Bearbeitun­g der Steine, und die Mitarbeite­r der Münsterbau­hütte wurden nicht müde, sie ausführlic­h zu beantworte­n. Ihre Arbeit, das wurde allen Gästen klar, ist nicht hoch genug einzuschät­zen. Und sie wird andauern.

Im Winter werden Vorarbeite­n erledigt

Außergewöh­nliche Arbeiten stehen in nächster Zeit nicht an. Es wird eben ständig restaurier­t oder erneuert, oft an mehreren Stellen gleichzeit­ig. Dabei werden im Winter die notwendige­n Vorarbeite­n geleistet und in der wärmeren Jahreszeit am Münster selbst intensiv gearbeitet.

Vielleicht ist bei einem der nächsten Tage der offenen Tür die Münsterbau­hütte bereits Teil des Welterbes: Denn wenn es nach dem Ulmer Münsterbau­meister Hilbert geht, wird die Münsterbau­hütte Teil des Immateriel­len Weltkultur­erbes der Unesco. Bereits im Oktober 2015 reichte Hilbert, wie berichtet, unter strenger Geheimhalt­ung die Unterlagen bei der nationalen UnescoKomm­ission ein. Gemeinsam möchten die etwa 15 europäisch­en Domund Münsterbau­hütten ihr Handwerk von der Unesco als immateriel­les Weltkultur­erbe anerkennen lassen.

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FOTO: STEFAN KÜMMRITZ Viele Besucher ließen sich am Tag der offenen Tür erklären, was in der Münsterbau­hütte alles passiert. Im Bild Steinmetz Axel Bohn.

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