Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Hilfe für traumatisierte Flüchtlingskinder
Caritas betreut in Ehingen junge Menschen, die unter Fluchterfahrungen leiden
EHINGEN - Es ist ein Projekt, das genau zum richtigen Zeitpunkt ins Leben gerufen wurde. Denn im Jahr 2014 entstand die Idee bei der Caritas, ein Betreuungszentrum für Folteropfer und traumatisierte Flüchtlinge in Ulm zu gründen, das dann eine Anlaufstelle für den gesamten Alb-Donau-Kreis und darüber hinaus werden sollte. Im März 2015 ging das Projekt, das in seiner Art einzigartig in Baden-Württemberg ist, an den Start.
„Wir haben mit der Diözese Rottenburg-Stuttgart schnell einen Sponsor gefunden, der uns eine 0,7Stelle ermöglichte“, sagt der Ehinger Andreas Mattenschlager, Leiter der psychologischen Familien- und Lebensberatung der Caritas Ulm und bezeichnet den Zeitpunkt, zu dem das Projekt gestartet ist, als Glücksfall. „Wir alle wissen, dass gerade im Jahr 2015 sehr viele Flüchtlinge zu uns gekommen sind. Wir konnten mit unserem Angebot also sofort helfen“, so Mattenschlager.
Und die Hilfe, die von den mittlerweile vier Mitarbeitern der Beratungsstelle angeboten wird, sei laut Mattenschlager auch dringend notwendig. „Wir betreuen Kinder und Jugendliche, die entweder in ihrer Heimat oder auf dem Fluchtweg nach Deutschland schlimme Erfahrungen gemacht haben“, sagt Mattenschlager. Darunter sind auch viele, sogenannte unbegleitete Jugendliche, die sich ohne Eltern auf den Weg nach Deutschland gemacht haben.
„Viele Kinder, die wir betreuen, sind entweder apathisch, ängstlich oder sogar aggressiv. Manche von ihnen sind erst auf dem Fluchtweg zur Welt gekommen, andere wiederum haben gefährliche Situationen erleben müssen oder wurden sogar Opfer von sexueller Gewalt. Viele Kinder und Jugendliche wurden auf den Fluchtrouten quasi als Freiwild betrachtet“, erklärt Mattenschlager. Es seien katastrophale Situationen, die die Kinder und Jugendlichen haben meistern müssen und das betreffe nicht nur den Fluchtweg. „Natürlich haben viele auch traumatische Erinnerungen an ihre Heimat, wo Krieg und Folter an der Tagesordnung sind“, so Mattenschlager.
Doch bis sich die Kinder und Jugendlichen den Psychologen der Caritas öffnen, sei es ein langer Weg. Und das aus gutem Grund. „Erwachsene können einfacher über das Erlebte sprechen. Kinder und Jugendliche wollen bei den ersten Gesprächen über alles reden, aber nicht über ihre traumatischen Erlebnisse“, macht Mattenschlager deutlich. Viele leiden daher unter Schlaflosigkeit und brauchen psychologische Unterstützung. „Erst nach vielen Gesprächen, nach gut einem halben Jahr Therapie, können sich die meisten Kinder und Jugendlichen öffnen“, so der Experte der Caritas, der dies mit dem Vertrauensverhältnis erklärt, das der Betreuer zu den Kindern und Jugendlichen aufbauen müsse.
Ihm zur Seite steht beispielsweise Jomana Mamari, eine junge Frau, die vor dreieinhalb Jahren aus Syrien nach Deutschland geflüchtet ist. Mamari arbeitet nun für die Caritas, spricht die Sprache der Flüchtlinge und ist jeden Mittwoch im Ehinger Kolpinghaus, um dort die jungen Menschen zu betreuen. Drei bis vier Kinder und Jugendliche kommen dort jeden Mittwoch hin, um über die schrecklichen Erlebnisse zu sprechen. „In der Michel-Buck-Schule biete ich zudem Gruppenbetreuung an. Hier sind bis zu zehn Menschen in der Gruppe“, sagt Mamari.
Dolmetscher kosten Geld
Zwar sind die Stellen der Psychologen bei dem Caritas-Projekt finanziert, doch die Bezahlung der notwendigen Dolmetscher stellt Andreas Mattenschlager stets vor große Herausforderungen. „Bis auf Frau Mamari arbeiten deutsche Psychologen bei uns. Die brauchen natürlich bei jedem Gespräch Dolmetscher. Für uns bedeutet das nicht nur, dass die Gespräche quasi doppelt so lange dauern, sondern auch viel Geld kosten“, so Mattenschlager.
Hinzu kommt, dass der Weg zu den Beratungszentren für die Kinder und Jugendlichen oft lang ist – auch hier braucht die Caritas für die Fahrtkosten finanzielle Unterstützung. „Wir können die Dolmetscher und den Aufwand für die Fahrtkosten nur über Spenden finanzieren“, sagt Mattenschlager. Das Einzugsgebiet dieses besonderen Betreuungsangebots geht weit über die Grenzen Ehingens und Ulms hinaus. „Wir sind mit unserem Angebot einzigartig in Baden-Württemberg. Deswegen kommen die jungen Menschen fast von überall her zu uns, um sich psychologisch betreuen zu lassen.“