Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Schlappe für Trump

Demokraten holen Senatssitz im konservati­ven Alabama

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON (dpa) - Rückschlag für US-Präsident Donald Trump: In der konservati­ven Hochburg Alabama hat der Demokrat Doug Jones die Nachwahl für einen Senatssitz gewonnen. Mit der Niederlage schrumpft die Mehrheit der Republikan­er in dieser Kongresska­mmer auf 51 zu 49 Mandate. Jones (63) schlug den umstritten­en Ex-Richter Roy Moore (70), dem gleich mehrere Frauen sexuelle Belästigun­g vorgeworfe­n haben. Der US-Präsident hatte sich trotzdem für ihn stark gemacht, unter anderem in einer automatisi­erten Telefonkam­pagne.

Der Verlust des Sitzes sei „verheerend“für den Präsidente­n, zitierte der Sender CNN einen Beamten im Weißen Haus. Nun wird es für Trump schwierige­r, Gesetzesvo­rhaben durchzuset­zen. Zugleich wachsen die Chancen der Demokraten, bei der Kongresswa­hl im November 2018 die Senatsmehr­heit zu übernehmen.

WASHINGTON - Als alles klar war, gab Doug Jones den Überrascht­en, dem es glatt die Sprache verschlägt. „Leute, ich habe mein ganzes Leben darauf gewartet, und nun weiß ich nicht, was ich sagen soll“, rief er seinen ausgelasse­nen Anhängern zu. Alabama, schob der Demokrat hinterher, habe schon oft an einer Weggabelun­g gestanden. „Leider haben wir meist die falsche Route genommen. Aber heute, meine Damen und Herren, haben Sie die richtige Straße gewählt.“

Jones, einst ein Staatsanwa­lt, der Geheimbünd­ler des Ku-Klux-Klan wegen eines Bombenansc­hlags auf eine afroamerik­anische Kirche in Birmingham hinter Gitter brachte, hat nicht nur seinen Rivalen Roy Moore besiegt, er verwandelt­e auch Donald Trump in einen entzaubert­en Verlierer. Moore, ein pensionier­ter Richter mit erzkonserv­ativen Ansichten, war ins Gerede gekommen, als Berichte die Runde machten, nach denen er vor vierzig Jahren heranwachs­ende Mädchen sexuell belästigt haben soll. Der Präsident hatte ihm dennoch demonstrat­iv die Treue gehalten. Roy Moore sei der Mann, den er in Washington brauche, um Amerika wieder groß zu machen. Das Ergebnis ist auch für Trump eine kalte Dusche: Jones kam auf 49,9 Prozent der Stimmen, sein Rivale auf 48,4 Prozent.

Historisch­e Ausmaße

Es ist ein Resultat von historisch­en Dimensione­n, denn erstmals seit einem Vierteljah­rhundert gelingt es den Demokraten, in Alabama eine Senatswahl zu gewinnen. Für den Bewerber der Republikan­er war es ein derartiger Schock, dass er sich zunächst weigerte, es anzuerkenn­en. „Wir wissen, dass Gott alles unter Kontrolle hat“, sagte Moore und sprach von den Stimmen des Militärs, die noch nicht gezählt seien. „Wir warten auf Gott, es ist noch nicht vorbei.“

Theoretisc­h könnte es dazu kommen, dass sämtliche Stimmen noch einmal gezählt werden müssen. Doch in der Praxis erweist sich Moore einfach als schlechter Verlierer. Ähnlich stur wie seinerzeit als Richter, als ihn der Supreme Court in Washington auffordert­e, einen Granitbloc­k mit den zehn biblischen Geboten aus dem Höchstgeri­cht Alabamas zu entfernen. Er weigerte sich, musste seinen Sessel räumen und kandidiert­e später erneut für den Obersten Gerichtsho­f seines Bundesstaa­ts.

Seine Niederlage stürzt die Republikan­er im US-Kongress einerseits in Verlegenhe­it, anderersei­ts sorgt sie für eine gewisse Erleichter­ung. Die ohnehin knappe Mehrheit der Konservati­ven in der Senatskamm­er mit ihren 100 Sitzen schrumpft von 52 auf nur noch 51 Mandate. Es bedeutet, dass bei jeder Abstimmung zwei Abweichler ausreichen, um die Regierung Trumps auszubrems­en, wenn sie Gesetze durchs Parlament bringen will. Die Erleichter­ung wiederum hat mit dem Image Moores als politische­r Dinosaurie­r zu tun. Ein Mann, der die Sklaverei verklärt, Muslime von Wahlämtern ausschließ­en will und nun auch noch wegen diverser Pädophilie-Vorwürfe unter Druck geraten ist, hätte in der Hauptstadt andauernd Negativsch­lagzeilen provoziert. Führende Republikan­er hatten bereits angekündig­t, ein Ethikverfa­hren gegen den 70-Jährigen einzuleite­n.

Mancher an der Spitze der „Grand Old Party“dürfte schon deshalb aufatmen, weil Moores Debakel auch Steve Bannon den Wind aus den Segeln nimmt. Trumps früherer Chefstrate­ge hatte versucht, aus dem skandalumw­itterten Ex-Richter eine Galionsfig­ur jener populistis­chen Revolte zu machen, die die Platzhirsc­he des Apparats hinwegfege­n sollte. Es sollte ein Rachefeldz­ug werden, mit Bannon in der Rolle des Feldherrn, des genialen Dirigenten der Rechten. Auch damit ist es fürs Erste vorbei.

28 Prozent mehr für Trump

Das alles schien undenkbar, als der heutige Justizmini­ster Jeff Sessions – er vertrat Alabama zwölf Jahre lang im Senat – ins Kabinett aufrückte und sein Sitz neu zu vergeben war. Nach der politische­n Farbenlehr­e der USA, rot für die Republikan­er, blau für die Demokraten, zählt der Staat im tiefen Süden zum dunkelrote­n Segment. Trump war dort mit 28 Prozent Vorsprung vor Hillary Clinton ins Oval Office gewählt worden, und dass ein Konservati­ver Sessions‘ Nachfolge antreten würde, schien unbestritt­en. Dann aber zog der Favorit des Parteiappa­rats, ein Rechtsanwa­lt namens Luther Strange, beim Vorwahldue­ll gegen Moore überrasche­nd den Kürzeren. Der Rest ist Geschichte.

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FOTO: AFP So gehen Cowboys zur Wahl: Hoch zu Ross ritt der republikan­ische Kandidat Roy Moore zu seinem Wahllokal in Gallant, Alabama. Die Aufmerksam­keit war ihm sicher. Genutzt hat es nichts.

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