Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Gelassen in unruhigen Zeiten
Technologiekonzern Zeiss meldet Rekordzahlen, kündigt Zukäufe an und fürchtet weder Trump noch Brexit
STUTTGART - Gelassen und voller Zuversicht. So redet Zeiss-Chef Michael Kaschke über die Aussichten seines Unternehmens in den nächsten Jahren. „Die Konjunktur ist in Takt, es läuft weltweit gut bis sehr gut, es gibt nur wenige Risikofaktoren für uns“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Technologiekonzerns von der Ostalb. Nicht viele Topmanager von global operierenden Unternehmen sind in Zeiten von Trump und Brexit, in denen der Freihandel weltweit auf dem Rückzug zu sein scheint, so optimistisch.
Der Optimismus des 60-Jährigen gründet sich dabei nicht allein auf die Rekordzahlen, die er am Mittwoch in Stuttgart präsentierte, sondern auch auf die weltweite Präsenz des Spezialisten für optische und feinmechanische Systeme. „Ich war immer der Meinung, dass wir auch in einer globalen Wirtschaft nah am Kunden sein müssen“, sagte Kaschke der „Schwäbischen Zeitung“. Genau das bringe Zeiss nun in eine sehr gute Lage. „Die auf der ganzen Welt verteilten Werke nutzen uns in politisch unsicheren Zeiten.“Von rund 27 000 Mitarbeitern arbeiten fast 16 000 im Ausland, das Unternehmen unterhält bedeutende Produktions- und Entwicklungsstandorte in China, Indien, den USA und Großbritannien.
Die Tatsache, dass im vergangenen Jahr auch noch die Sparte im Konzern stark zulegte, die Kaschke in der Vergangenheit die meisten Sorgen bereitet hatte, ließ den Zeiss-Chef noch freudiger in die Zukunft blicken. Denn nicht zuletzt das wieder erstarkte Halbleitergeschäft hat das Traditionsunternehmen im Umsatz über die Fünf-Milliarden-Euro-Marke gebracht: Die Erlöse stiegen um zehn Prozent auf die Rekordsumme von gut 5,3 Milliarden Euro. Auch beim operativen Gewinn legte Zeiss um 25 Prozent auf 770 Millionen Euro zu.
Das Halbleitergeschäft, an dem ASML, ein niederländischer Hersteller von Maschinen zur Produktion von Computerchips, mit 24,9 Prozent beteiligt ist, verzeichnet denn auch den größten Zuwachs aller vier Sparten von Zeiss. Der Bereich wuchs um 25 Prozent und steuerte rund 1,2 Milliarden Euro zum Gesamtumsatz bei. Zeiss liefert an ASML optische Laseranlagen, mit denen die feinen Schaltkreise auf die Computerplatinen gebrannt werden. Einzig der immer noch nicht ausgestandene Patentstreit mit Nikon ärgert Kaschke. Dabei streiten Zeiss und ASML auf der einen und der japanische Konzern auf der anderen Seite um die Verlängerung eines Patentabkommens, das Zeiss und ASML berechtigte, Lizenzen von Nikon zu nutzen. Eigentlich wollten Kaschke und seine niederländischen Partner das Abkommen verlängern, doch Nikon verklagte ASML und Zeiss im Frühjahr. „Warum, darüber kann ich nur spekulieren“, hatte der Zeiss-Chef im Mai der „Schwäbischen Zeitung gesagt. Nun gab er sich noch wortkarger. „Es ist ein schwebendes Verfahren, es wird sich im Jahr 2018 nach vorne bewegen.“
Große Hoffnungen setzt Kaschke auf die Sparte Medizintechnik, die einen Umsatz von 1,4 Milliarden Euro erwirtschaftete. Die alternde Gesellschaft sei ein „Megatrend“und eine große Chance für Zeiss. Das Unternehmen stellt in dem Bereich vor allem Operationsmikroskope und Linsen her, die direkt ins Auge transplantiert werden. Neu vorgestellt hat Zeiss zuletzt das robotische Mikroskop Kinevo 900, das der Konzern für die Hirnchirurgie entwickelt hat.
Umsatzstärkste Sparte ist der Bereich Messtechnik und Mikroskopie. Sie steuerte mehr als 1,5 Milliarden zum Gesamtumsatz bei. Zeiss profitiert hier vor allem von der guten Entwicklung in der Autoindustrie, für die das Unternehmen optische Messgeräte baut, mit denen Werkteile oder das sogenannte Spaltmaß bei Autos, also die Lücke zwischen Autotür und Kotflügel, gemessen werden.
Am schwächsten entwickelte sich das Geschäft mit Brillengläsern, Fotoobjektiven und Ferngläsern. „Bei den Brillen sind wir etwas stärker gewachsen als der Markt, im Bereich Foto und Fernglas haben wir unseren Marktanteil gehalten, allerdings in einem Bereich, in dem das Geschäft weniger wird“, erläutert Kaschke. Rund 1,1 Milliarden Euro erlöste die Sparte, das waren zwei Prozent mehr als im Vorjahr.
Zwei Zukäufe vor Weihnachten
Kaschke geht fest davon aus, dass Zeiss die positive Entwicklung weiterführen kann. „Wir werden unseren Wachstumskurs auch nächstes Jahr fortsetzen“, sagte der Manager und kündigte an, dass das demnächst verstärkt auch über Zukäufe geschehen werde. Vor allem im Bereich Medizintechnik und bei Softwarekompetenzen sei Zeiss auf der Suche nach Unternehmen, die zur Gruppe passen. Zwei Zukäufe seien sogar fast ausverhandelt. „Wir schließen sie wohl noch vor Weihnachten ab“, erklärte Kaschke. „Aquisitionen werden künftig ein Schwerpunkt unserer Wachstumsstrategie sein.“
Probleme, Stellen zu besetzen
Ein Grund für den Fokus auf Zukäufe ist die Tatsache, dass ein organisches Wachstum durch die Ausweitung des Geschäftsbetriebes und die Einstellung neuer Mitarbeiter wegen des Fachkräftemangels begrenzt ist. „Wir modernisieren unsere Personalbeschaffung immer weiter, aber bereits jetzt haben wir große Probleme, alle offenen Stellen zu besetzen“, sagt Kaschke. Diese Problem wird sich künftig weiter vergrößern, denn Zeiss wird auch im kommenden Jahr weltweit 1500 neue Stelle schaffen – davon ein Drittel in Deutschland und etwa 250 am Standort Oberkochen auf der Ostalb.
Wahrscheinlich ist auch das ein Grund für die Zuversicht Kaschkes: Während Topmanager anderer Konzerne besorgt auf die Verwerfungen des Welthandels blicken, ist die größte Sorge von Zeiss die Frage, wie man ausreichend Ingenieure für den Traditionskonzern begeistert.