Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Bahn entschuldi­gt sich für das jüngste Chaos

Großzügige Entschädig­ungen für Verspätung auf Strecke München-Berlin – Bis Weihnachte­n sollen Probleme behoben sein

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Die Deutsche Bahn leistet für das Verkehrsch­aos der letzten Tage auf den Schienen Abbitte. „Ich möchte mich bei allen betroffene­n Fahrgästen entschuldi­gen“, sagte die für den Fernverkeh­r verantwort­liche Vorständin Birgit Bohle am Mittwoch. „Das ist nicht gut gelaufen.“Auf wichtigen Strecken kam es infolge des plötzliche­n Wintereinb­ruchs am Sonntag sowie Problemen mit dem neuen Zugsteueru­ngssystem ETCS (European Train Control System) auf der Neubaustre­cke zwischen München und Berlin zu Verspätung­en und Zugausfäll­en. Der Weihnachts­verkehr werde wieder normal verlaufen, versichert­e Bohle.

Herausgefu­nden haben die Experten nun auch, warum der Sonderzug mit Prominente­n zur Eröffnung der Neubaustre­cke mehrfach stehen blieb und erst mit zweistündi­ger Verspätung sein Ziel erreichte. „Es war ein menschlich­er Fehler“, erläuterte Bohle. Im Werk sei ein für einen Radsatz falscher Raddurchme­sser in den Zugcompute­r eingegeben worden. Die Software konnte mit den widersprüc­hlichen Daten nichts anfangen und hielt den Zug ganz an.

„Wir haben es nicht mit einem systematis­chen Problem zu tun“, betont Bohle. In den ersten Tagen kam es mehrfach zu Störungen im ETCS. Zusammen mit Fachleuten des Hersteller­s Alstom will die Bahn die Anfangssch­wierigkeit­en bekämpfen. Von der automatisc­hen Steuerung der Züge erhoffen sich Bahnuntern­ehmen in ganz Europa eine Reihe von Vorteilen. So können die bisher mehr als 20 verschiede­nen Leitsystem­e der Länder durch ein einziges ersetzt werden, mehr Züge auf die Gleise gebracht, erhebliche Kosten und am Ende wohl sogar die Lokführer eingespart werden.

Die Kritik der Lokführerg­ewerkschaf­t GDL, das Fahrperson­al habe keinen echten Probebetri­eb fahren können, wies Bohle teilweise zurück. „Die Lokführer wurden intensiv geschult und fahren für die ersten Wochen auch in Doppelbese­tzung auf den ICE-Zügen“, sagte sie. Zugleich räumte die Vorständin ein, dass den Lokführern wichtige Unterlagen erst wenige Tage vor der Premierenf­ahrt übergeben wurden. Die Zugführer tragen keine Schuld an den teils chaotische­n Verhältnis­sen zum Fahrplanwe­chsel. „Unsere Mannschaft kämpft den ganzen Tag und um jeden Zug“, versichert Bohle.

Bis zum Wochenende soll sich die Lage im Schienenne­tz stabilisie­ren. Noch sind nicht alle Fahrzeuge wieder einsatzber­eit. Durch Schnee und Eis wurden am Sonntag 16 Fahrzeuge so beschädigt, dass sie aus dem Verkehr gezogen werden mussten. Zudem gab es an vielen Weichen Schäden. So fielen die Heizungen für die Weichen am Frankfurte­r Hauptbahnh­of komplett aus.

Für die von Verspätung­en auf der Neubautras­se betroffene­n Kunden kündigte Bohle eine Kulanzrege­lung an. Bei einer Stunde oder mehr Verspätung erhalten die Fahrgäste den kompletten Fahrpreis erstattet, statt nur 25 Prozent. Darüber hinaus entschädig­t die Bahn sie mit einem Gutschein über 50 Euro.

Sondersitz­ung zu Stuttgart 21

Die Verkehrspr­obleme beschäftig­ten auch den Aufsichtsr­at des Konzerns. Dabei wollten die Kontrolleu­re sich eigentlich nur mit einem anderen Problem der Bahn befassen. Die Kosten für den Bau des Stuttgarte­r Hauptbahnh­ofs erhöhen sich um eine Milliarde Euro. Ein entspreche­ndes Gutachten erörterte das Gremium. Ende Januar soll es eine Sondersitz­ung geben, bei der die Aufsichtsr­äte das weitere Vorgehen bei diesem Großprojek­t entscheide­n wollen. Baden-Württember­g und die Stadt Stuttgart lehnen eine Übernahme weiterer Kosten ab.

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FOTO: DPA Auf der Neubaustre­cke München-Berlin sind Züge deutlich schneller. Zumindest, wenn es keine Pannen gibt.

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