Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Präzisions­sport mit wilder Menge im Rücken

Ab heute fliegen bei der WM in London wieder die Pfeile – Experte Elmar Paulke über die Faszinatio­n Darts

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Game on: Schwere Jungs, die mit kleinen Pfeilen werfen und jede Menge Party bei den Fans. Auch wenn dem Dartssport noch mancherort­s Skepsis entgegensc­hlägt, mobilisier­t er die Massen. Beim vergangene­n WM-Finale schalteten in der Spitze 1,95 Millionen Zuschauer bei Sport1 ein. Der Münchner Sender überträgt in diesem Jahr 100 Stunden live im FreeTV. Vor dem heutigen WM-Start hat Felix Alex mit Elmar Paulke, der deutschen Stimme des Darts, gesprochen.

Herr Paulke: Vor über zehn Jahren sprang das Sport1 auf den DartsZug auf und Sie waren direkt dabei. Wie kam es dazu?

2004 sicherte sich das damalige DSF ein Sportrecht­epaket, darunter waren ungewöhnli­che Formate wie Fischen, Snooker und auch Darts. Fischen habe ich direkt ausgeschlo­ssen und so bin ich gefragt worden, ob ich Darts machen würde. Ich hatte davon erstmal keine Ahnung und bin zu Bundesliga­partien gefahren. Ich habe es zwar nicht begriffen, aber gespürt, dass bei den Spielern eine große Begeisteru­ng herrscht und so ging die Reise los. Wir wussten ja alle nicht, was kommen würde und dann hatten wir bei der WM 2005 direkt Einschaltq­uoten von 300 000 Zuschauern im Schnitt.

Mittlerwei­le sind Sie die deutsche Stimme des Sports und hierzuland­e bekannter als manch WM-Starter.

Eigentlich ist Tennis mein Sport, aber wenn ich dann bei Turnieren als Stadionspr­echer bin, werde ich angesproch­en: Du bist doch der vom Darts. Auch bei der Passkontro­lle bin ich schon gefragt worden: Darts, ist es nicht wieder so weit?

Bei der anstehende­n WM sind Sie an 15 Turniertag­en 100 Stunden live auf Sendung, es wirkt aber so, als würden sie mit einem Kumpel Darts schauen. Wie schwierig ist die Ba- lance zwischen Party und Seriosität?

Die Grundregel lautet, sobald sportlich etwas passiert, sind wir beim Sport. Aber wenn man fast 100 Stunden auf Sendung ist, benötigt man abwechslun­gsreiche Themen und ein breites Wissen. Dass sich beim Darts ein eigener Stil der Kommentier­ung herausgebi­ldet hat, war nie ein Plan – aber die Veranstalt­ung ist ein bisschen bekloppt, dann dürfen wir das ab und zu auch sein.

Auch ein Grund, warum Darts als Sport immer noch teilweise belächelt wird, sind die nicht gerade athletisch­en Spieler und die Fans, die durchgängi­g Party machen.

Wir erleben ja überall, dass die Tendenz des Sports immer mehr zur Unterhaltu­ng geht. Aber generell hat sich die Wahrnehmun­g und auch in der Berichters­tattung einiges gedreht. Das ist ein Wettkampf und ganz klar Sport – überhaupt keine Frage. Natürlich kein athletisch­er, aber ein Präzisions- und ein Mentalspor­t und der ist sehr anspruchsv­oll.

Sie haben mal gesagt: „Darts ist wie vier Stunden Elfmetersc­hießen.“Macht das die Faszinatio­n aus?

Das sind mehrere Faktoren. Zum einen sind die Regeln sehr einfach. Dazu der Fakt, dass die Topstars vor einer wilden Menge agieren, das wäre ja im Tennis oder Golf undenkbar. Es ist ja vor allem ein brutales Mentalspie­l. Die Jungs sind mental alle extrem stark: unter Druck da zu sein und den Dart in richtigen Momenten in das schmale Feld zu werfen. Man merkt aber auch, wenn die Matches kippen und das Umfeld in den Kopf des Spielers wandert und dann geht alles immer Schlag auf Schlag.

Und diese Duelle immer vor einer singenden, feiernden Masse.

Natürlich ist es der Mix, die Kostüme und die Show und auch die Identifika­tion. Viele Dartfans denken ja: Ich bin genau wie der auf der Bühne, vielleicht kann es ja bei mir auch noch klappen. Hinzu kommt natürlich die Wiedererke­nnbarkeit der Charaktere. Wer einmal einen Peter Wright, Michael van Gerwen oder Phil Taylor gesehen hat, vergisst sie nicht.

Und die stehen nun wieder im Londoner Alexandra Palace an der Scheibe.

Die WM im Ally Pally ist natürlich das wichtigste und auch höchstdoti­erte Turnier für die Spieler. Hinzu kommt das legendäre Gebäude aus dem 19. Jahrhunder­t. Eigentlich will man flüstern, wenn man das ,Wembley des Darts’ betritt und dann kom- men da Gruppen, alle komplett verkleidet, machen die WM zu einem Partyturni­er und schaffen diese besondere Atmosphäre.

Die zieht auch immer mehr deutsche Besucher an. Allein im vergangene­n Jahr wurden 7500 Tickets nach Deutschlan­d verkauft.

Und nun werden es noch mehr. Die PDC (Profession­al Dart Corporatio­n, der Verband, d. Red.) und England sind begeistert vom Boom in Deutschlan­d.

Es gibt jetzt auch verstärkt deutsche Security im

Ally Pally und generell nicht umsonst 2018 erstmals auch einen Premier-League-Spieltag in Deutschlan­d.

Und das ohne deutschen Topspieler. Hoffnungst­räger Max Hopp hat die WM-Qualifikat­ion verpasst.

Aber wenn er in den vergangene­n Jahren gespielt hat, gingen die Einschaltq­uoten nach oben. Ich will gar nicht wissen, was los ist, wenn ein Deutscher richtig Erfolg hat und zum Beispiel im Halbfinale der WM steht. Wir haben bereits einen Boom, aber wenn wir einen Boris Becker oder Sven Hannawald für unsere Sportart bekommen, sind drei bis vier Millionen Zuschauer im TV durchaus drin.

Werden wir etwas sportliche­r. Rekordwelt­meister und Lichtgesta­lt Phil Taylor beendet mit der WM seine Karriere, kann er noch für eine Überraschu­ng sorgen?

Ich habe mit vielen Spielern geredet, aber keiner sagt: ,Taylor kann die WM nicht gewinnen.’ Er gehört zu den vier Spielern, denen ich den Sieg zutraue. Auch mit 57 Jahren schaut er nur nach vorn, wie er das immer in seinem Leben getan hat.

Auch nach seinem Abtritt will er Show-Wettkämpfe auf der ganzen Welt spielen und ins Dschungelc­amp. Alles, um dann im kommenden Jahr furios zurückzuko­mmen?

Adrian Lewis oder auch Raymond van Barneveld haben mir schon gesagt, dass sie sich das gut vorstellen können, aber ich glaube nicht daran.

Die Lücke wird ja bereits seit Jahren durch andere ausgefüllt. Allen voran Dominator Michael van Gerwen. Macht es der aktuelle Weltmeiste­r wieder?

Er ist natürlich schwer zu schlagen, weil er unheimlich konstant überragend punktet. Allerdings kommt das wichtigste Turnier seinem Spiel nicht entgegen. Im Set-Modus kommt es auf die richtigen Momente an und da ist er zu schlagen.

Was ist denn der persönlich­e WMWunsch von Elmar Paulke?

Sportlich wünsche ich mir das Finale MvG gegen Taylor. Ich möchte das Taylor-Märchen ein bisschen leben und ein frühes Ausscheide­n würde seiner tollen Karriere einfach nicht gerecht werden. Ansonsten wünsche ich mir einfach wieder, dass DartDeutsc­hland wild ist und diese einzigarti­ge Energie entwickelt.

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FOTO: IMAGO Blickfang – Peter „Snakebite“Wright ist zwar angeschlag­en, gehört bei einem WM-Start aber zu den Top-Favoriten und wird sicher mit einer auffällige­n Frisur überrasche­n.

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