Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Aufruhr bei Teva: Gewerkschaft kritisiert Massenentlassungen
Arbeitnehmervertreter sprechen von schweren Fehlentscheidungen der Ratiopharm-Mutter - protestiert wird in Köln
ULM/KÖLN - Alles wie immer bei Ratiopharm im Donautal: Die Menschen gehen zur Arbeit und in der riesigen Baugrube des 500-Millionen-Euro-Biotech-Anlage wird geschuftet. Von Streiks oder anderen Protestkundgebungen keine Spur. In der Heimat des Mutterkonzerns Teva sieht das anders aus. Zahlreiche Beschäftigte hatten in Israel die Arbeit niedergelegt und damit gegen den massiven Sparkurs des Pharmakonzerns protestiert. Israels Gewerkschafts-Dachverband hatte aus Solidarität zu einem Generalstreik aufgerufen.
Sichtbarer Protest in der Bundesrepublik dagegen kommt erstaunlicherweise nicht aus Ulm sondern dem Norden: Der Köln-Bonner Bezirk der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE ) hatte für Montagabend unter dem Titel „Aufruhr bei Teva“zu einer bundesweiten Solidaritätskundgebung vor dem Kölner Dom aufgerufen. Jeder, der ein Zeichen für seine möglicherweise von Kündigung bedrohten TevaKollegen setzen wolle, sei dazu eingeladen. Teilnehmer wurden aufgefordert, Taschenlampen und Musikinstrumente mitzubringen, um ihren Protest akustisch und optisch zu untermalen. „Es wird fröhlich laut und lustig“, heißt es in der Ankündigung.
Konzern muss Rechte des Betriebsrates beachten
Lustig findet die Lage von Teva allerdings niemand. Der kriselnde Konzern will, wie berichtet, binnen zwei Jahren weltweit 14 000 Stellen streichen, wie er am Donnerstag mitgeteilt hatte. Teva will die „betroffenen Beschäftigten“innerhalb von 90 Tagen informieren. „In diesem Fall müssen die Rechte des Betriebsrates beachtet werden. Bei Betriebsänderungen gilt, diese im Voraus, rechtzeitig und umfassend, mit dem Betriebsrat abzustimmen“, teilt Catharina Clay, Landesbezirksleiterin IG BCE mit.
Als „Unding“bezeichnet Clay in einer Pressemitteilung die Absicht von Teva, die Entscheidung, wo und in welchem Umfang Standorte betroffen sein sollen, auf bis zu 90 Tage zu verzögern.
Clay spricht von einer Intransparenz, die zum Nachteil des Unternehmens werden könnte. Denn in Zeiten von Fachkräftemangel und demografischem Wandel müsse Teva aber damit rechnen, dass Menschen diese Zeit nicht sang- und klanglos verstreichen lassen, sondern Alternativen prüfen.
Dies sei umso mehr problematisch, als dass Teva seinen Standort in Ulm derzeit mit einer Biotech-Anlage ausbaut. Nach Informationen der Gewerkschaft ist Ratiopharm in Ulm wirtschaftlich stabil und solide aufgestellt. Der Standort erwirtschaftet die Vorgaben, die der Konzern aus Israel erwarte. „Wer da jetzt die Axt anlegt, gefährdet diese Stabilität“, warnt Clay. Die Absicht des Pharmakonzerns weltweit ein Viertel der Belegschaft einzusparen, ist für Clay laut Pressemitteilung die „zweite krasse Fehlentscheidung des israelischen Konzern-Managements“. Die erste Fehlentscheidung sei demnach die offenkundig nicht durchkalkulierte 30-Milliarden-Euro-Übernahme des Generika-Herstellers Actavis.
Noch keine Entscheidungen zu Stellenstreichungen
Wie berichtet, wandte sich die Geschäftsleitung am Freitag in einer Rundmail an alle Teva-Mitarbeiter in Deutschland. Ziel sei es, dass im Laufe des Januars Jahrespläne vorliegen. Erst dann könne die Firma wir Klarheit darüber haben, welche Restrukturierungsmaßnahmen tatsächlich in Deutschland umgesetzt werden. Vorher könne es keine Entscheidungen zu Stellenstreichungen in Deutschland geben.
Das Unternehmen Teva beschäftigt hierzulande rund 2900 Mitarbeiter, von denen die meisten am Standort Ulm arbeiten. Standortchef Christoph Stoller macht in dem Brief klar, dass der Standort Ulm hocheffizient und sehr erfolgreich arbeite. Doch Budgetkürzungen, Stellenstreichungen und schwere Entscheidungen werden auf Ulm zukommen.