Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Radler erleben Weihnachten in Indien
Biberacher Imke Frodermann und Ralph Lang sind an „ihrer“indischen Schule angekommen
BIBERACH - Wenn die Biberacher an Heiligabend in die Kirchen gehen und anschließend das Weihnachtsfest mit ihren Familien feiern, dann werden Imke Frodermann und Ralph Lang ihre Heimat sehr vermissen. Gleichzeitig wird das Paar aber auch dankbar sein für alles, was sie auf ihrer zweijährigen Weltreise mit dem Fahrrad erleben dürfen. Gerade befinden sich die beiden in Indien, genauer gesagt in der Stadt Jodhpur. Nicht weit entfernt von der indischen Schule, die die Gebhard-Müller-Schule (GMS) zusammen mit Spenden aus der Region finanziert.
Am 1. August 2016 haben sich die beiden Lehrer auf eine lange und waghalsige Reise begeben: einmal mit dem Rad um die Welt. Herzstück ihres Abenteuers sollte die Kerala-BhakarSchule im Bundesstaat Rajasthan sein. Dieses Ziel haben sie am 6. Dezember erreicht. „Es war sehr bewegend und hat uns tief berührt, endlich dort zu sein“, sagt die 43-Jährige. „Das Schönste war, den Schülern ins Gesicht zu sehen, als wir erklärt haben, dass wir auch Lehrer sind und mit dem Fahrrad zu ihnen gefahren sind und ihnen erzählt haben, dass es weit entfernt in Biberach Schüler gibt, denen ihr Schicksal nicht egal ist. Sie haben versucht, dieses Wunder zu begreifen, dass es Menschen gibt, die so weit weg sind und trotzdem an sie denken.“
Auch für Ralph Lang, der das Indienprojekt vor ein paar Jahren an der GMS initiiert hat, war das ein einzigartiges Erlebnis: „Wir hatten beide Tränen in den Augen. Wem ist es schon vergönnt, mit eigenen Augen sehen zu dürfen, was die Schüler aus Biberach geschafft haben. Das ist für uns wie ein Weihnachtsgeschenk. Es zeigt, dass es Hoffnung gibt und Menschen gemeinsam etwas bewegen können.“Die beiden sind den Biberacher Schülern und den vielen Spendern aus ihrer Heimat unendlich dankbar: „Wir können jetzt sehen, wie das Geld an unserer indischen Schule eingesetzt wird und hoffen, dass die 65 Schüler eine gute Zukunft haben und nicht im Steinbruch arbeiten müssen und dann vielleicht mit 30 sterben“, sagt der 47-Jährige. Denn die Lebenserwartung bei den Steinbrucharbeitern sei nicht besonders hoch. Gerade deshalb sei Bildung umso wichtiger.
In Jodhpur werden Imke Frodermann und Ralph Lang Heiligabend verbringen. „Klar vermissen wir unsere Familien und Freunde, vor allem jetzt an Weihnachten, aber irgendwie könnten wir Weihnachten hier nicht näher sein“, sagt Frodermann. „Wir sitzen hier bei den Ärmsten der Armen. Und das zu erleben, wofür Weihnachten steht, das ist ein Geschenk.“ Sie würden wie bei den Hirten sitzen, denen die Weihnachtsgeschichte erzählt wird.
An Heiligabend wollen sie in die Kirche gehen und einen Dankesgottesdienst feiern. „Wir sind dankbar für alles, was wir erleben dürfen und vor allem dafür, dass das Projekt uns Hoffnung gibt. Wenn Menschen sich zusammentun, können sie viel Gutes bewirken“, sagt Imke Frodermann. „Und wir sind dankbar, dass wir gesund sind und am Leben, denn mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, ist nicht ungefährlich“, sagt Ralph Lang.
Mehr als 500 Tage ist das Paar bereits unterwegs. Anfang des Jahres machten sie einen zweiwöchigen Stopp in Biberach und fuhren am 8. Februar wieder los – über die Alpen nach Österreich, Italien, Griechenland, Georgien, Armenien bis in den Iran, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgistan und Kasachstan. In China verbrachten sie drei Monate und diese Zeit hat sie geprägt. „Das ist der Polizeistaat des 21. Jahrhunderts, wir wurden ein Dutzend Mal verhaftet“, sagt Lang. „China führt eine ganz harte Politik. Es war zwar nie gefährlich für uns, aber auch nicht immer freundlich.“Die Regierung habe unglaubliche Imke Frodermann Angst, dass das wahre China nach außen dringe, sagt Imke Frodermann: „Es ist zwar nicht verboten, aber unerwünscht, sich als Individualtourist zu bewegen.“
Und trotzdem seien sie in China und eigentlich überall auf ihrer Reise vielen tollen Menschen begegnet. „Das ist wirklich das Schönste an unserer Reise, die Welt ist voller freundlicher Menschen“, sagt Frodermann. „So viele Menschen haben uns aufgenommen, uns zu essen und zu trinken gegeben und sind uns mit viel Nächstenliebe begegnet.“
Im Januar starten die Weltradler dann nach Myanmar, Laos, Kambodscha, Thailand, Malaysia und Singapur. Der Abschluss soll dann in Australien sein und passend zum Schulstart 2018 wird Imke Frodermann wieder an der Matthias-Erzberger-Schule unterrichten und Ralph Lang an der Gebhard-Müller-Schule.
„Klar vermissen wir unsere Familien und Freunde, vor allem jetzt an Weihnachten, aber irgendwie könnten wir Weihnachten hier nicht näher sein.“