Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Degradierter
Es gibt sicherlich schönere Zeiten, einen runden Geburtstag zu feiern. Für Kardinal Gerhard Ludwig Müller lief es in seinem 70. Lebensjahr gar nicht rund, im Gegenteil. Der gebürtige Mainzer hat die wohl schlimmste Schmach seiner Laufbahn hinter sich. Im Juli verlängerte Papst Franziskus Müllers Amtszeit als Präfekt der mächtigen Glaubenskongregation im Vatikan nicht. Eine Degradierung des einst so mächtigen deutschen Kirchenmannes, der wie wenig andere polarisiert.
Zu seinem 70. Geburtstag am 31. Dezember will der ehemalige Regensburger Bischof nach vorne schauen. „Jedes neue Jahr eröffnet uns Möglichkeiten und enthält Herausforderungen, die wir vielleicht noch nicht kennen“, sagt er.
Seiner Verbitterung über das Ende in der Glaubenskongregation machte er in den letzten Wochen und Monaten oft Luft. Hatte ihn Franziskus doch völlig überraschend und ohne Angaben von Gründen nach fünf Jahren vor die Tür gesetzt. Zu verschieden waren der deutsche Dogmatik-Professor und der argentinische Pontifex, der ihn 2014 in den Kardinalsstand gehoben hatte. Hier der konservative Glaubenshüter, dort der moderne „Pop-Papst“.
Als Chef der Glaubenskongregation unterlag es Müller, Missbrauchsfälle in der Kirche zu verfolgen. Doch genau hier traf er laut seinen Kritikern nicht den richtigen Ton. Ihm wurde vorgeworfen, zu wenig zu tun und nicht auf die Opfer einzugehen. Auch im Skandal um hundertfachen Missbrauch bei den Regensburger Domspatzen lehnte er eine Entschuldigung ab, sprach von Einzelfällen. Vor diesem Hintergrund gerät sein positives Wirken, zum Beispiel gegen Rechtsradikalismus, in den Hintergrund.
Eine Rückkehr nach Deutschland sieht Müller nicht. Es stünden nun „einige Publikationen an und größere Vortragsreisen auch in andere Kontinente“. Annette Reuther (dpa)