Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Unionspolitiker werfen Bischöfen Moralpredigten vor
Klöckner mahnt, Geistliche sollten „keine Parteiprogramme übernehmen“– Theologen kontern Kritik
BONN (KNA) - Klimawandel, Flüchtlinge oder Trump: In den Weihnachtspredigten evangelischer und katholischer Geistlicher ging es bisweilen recht politisch zu. Das gefällt nicht jedem. Nun wird darüber diskutiert, wie viel Politik ein Gottesdienst verträgt – zumal schon in den Silvestergottesdiensten die nächsten viel beachteten Predigten anstehen.
Auslöser der Debatte war eine Bemerkung von CDU-Vize Julia Klöckner zum Ausklang des Weihnachtsfestes. „Es kommt vor, dass aus manchen Kirchenkreisen mehr zum Thema Windenergie und Grüne Gentechnik zu hören ist, als über verfolgte Christen, über die Glaubensbotschaft oder gegen aktive Sterbehilfe“, kritisierte die Christdemokratin. In der „Bild“-Zeitung forderte sie, „dass Kirchen nicht parteipolitische Programme übernehmen“.
Die Politikerin, die auch katholische Theologie studiert hat, nimmt besonders die Predigt von Heinrich Bedford-Strohm aufs Korn. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und bayerische Landesbischof kritisierte darin die „America-First“-Politik von US-Präsident Donald Trump.
Landwirtschaftsminister Christian Schmidt sprang Klöckner zur Seite. Bisweilen würden tagespolitische Probleme stärker thematisiert als christliche Werte und deren Wurzeln, monierte der CSU-Politiker in der „Rheinischen Post“. Fragen etwa zu Abtreibung, Sterbehilfe oder Christenverfolgung sollten größeren Platz finden, so Schmidt.
BedfordStrohm verteidigte seine Worte. Die Aussagen gründeten „in biblisch verwurzelten geistlichen Überzeugungen“, schrieb der EKDChef auf Facebook und drehte den Spieß um: Die Politisierung komme „aus der Politik, indem deren politische Farbenlehren in die Kirche eingetragen werden“.
Neuen Zündstoff hatte da bereits ein Tweet von „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt geliefert: „Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht?“Eine Frage, die im Internet lebhaft diskutiert wurde. Ein Schreiber berief sich dabei auf einen namentlich nicht genannten Pfarrer: „Wenn Geistliche politisch moralisieren, haben sie theologisch häufig nichts mehr zu sagen.“Dagegen stellte Kardinal Rainer Maria Woelki im ARDMorgenmagazin fest: „Wir können nicht von Gott sprechen, ohne vom Menschen zu sprechen.“Die Bischöfe versuchten, das Evangelium ins Heute zu übersetzen. „Das hat nichts mit Parteipolitik zu tun.“Die unterstellte Parteinähe bezeichnet der Kölner Erzbischof als „Unfug“.
Auch andere Bischöfe sind der Ansicht, dass Gott und Welt eng miteinander verbunden sind. Sie rufen nicht nur zur Weihnachtszeit zum Zusammenhalt der Gesellschaft auf, lenken den Blick auf Flüchtlinge oder Arme, fordern Umweltschutz und fairen Handel.
Kardinal Reinhard Marx drückte aus München die Verbindung von Glaube und Leben so aus: „Wenn ich glaube, dass Gott in Jesus der Bruder aller geworden ist, stärkt das meine Verbundenheit und Offenheit, meine Bereitschaft zur Solidarität und zum Miteinander“, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.
Ein schmaler Grat
Der Grat zwischen Lebensnähe einerseits und Parteipolitik andererseits ist mitunter schmal – und groß die Gefahr, mal von der einen, mal von einer anderen Partei vereinnahmt zu werden. Als katholischer Flüchtlingsbeauftragter macht der Hamburger Erzbischof Stefan Heße öfters solche Erfahrungen. „Wenn einem eine Position der Kirche gefällt, dann verlangt er mehr davon. Wenn er etwas zu hören bekommt, das missfällt, dann bezweifelt er die Zuständigkeit oder die Kompetenz der Kirche“, erklärte Heße unlängst im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur.
Wie häufig hängt die Sicht der Dinge vom eigenen Blickwinkel ab. Simone Peter, Parteivorsitzende der Grünen, versteht die Kritik an den Predigten geradezu als Werbung für den Kirchgang – und twittert: „Dann sollte ich tatsächlich mal wieder in eine Christmette gehen. Hört sich gut an.“