Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Bürgermeister mahnt zur Sachlichkeit
Nach der Bluttat von Kandel gibt es Zweifel am Alter des tatverdächtigen Afghanen
KANDEL (dpa) - Nach der tödlichen Messerattacke auf eine 15-Jährige in Rheinland-Pfalz hat der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Kandel zu Zurückhaltung und Sachlichkeit aufgerufen. „Ich denke, was im Moment zählt, ist wirklich die Anteilnahme, ist wirklich das tiefe Mitgefühl“, sagte der SPD-Politiker Volker Poß am Freitag. Er kritisierte pauschale Forderungen nach einem härteren Umgang mit Flüchtlingen.
Ihm seien vereinzelte Mails und Wortmeldungen „in einer für mich beschämenden Art und Weise“zugegangen, sagte Poß. „Da ist von Politikerversagen die Rede, da werden Abschiebungen gefordert, da werden Konsequenzen in Bezug auf den Umgang mit unseren Flüchtlingen eingefordert“, sagte der Verwaltungschef.
Das Mädchen war am Mittwoch in einem Drogeriemarkt der südpfälzischen Stadt Kandel mit einem Messer erstochen worden. Als dringend tatverdächtig gilt der Ex-Freund. Der mutmaßliche Täter ist ein nach Behördenangaben ebenfalls 15 Jahre alter Flüchtling aus Afghanistan. Er wurde nach der Tat in eine Jugendstrafanstalt gebracht.
Ob der Verdächtige weiter zu der Tat schweigt und ob er inzwischen überhaupt irgendetwas gesagt hat, wurde zunächst nicht bekannt. „Derzeit laufen die Ermittlungen auf Hochtouren“, war das Einzige, was Staatsanwaltschaft und Polizei am Freitag mitteilten. Über den Fortgang werde man voraussichtlich nächste Woche informieren.
Derweil sind Zweifel laut geworden, ob der Tatverdächtige wirklich 15 Jahre alt ist. Der Vater der getöteten 15-Jährigen äußerte die Zweifel im Gespräch mit der „Bild“-Zeitung. Fragen zur Altersbestimmung in diesem Fall könne nur die Staatsanwaltschaft beantworten, teilte am Freitag das Integrationsministerium in Mainz mit. Eine Sprecherin betonte jedoch: „Es gibt bisher keine verlässliche wissenschaftliche Methode, um das aktuelle Lebensalter eines Menschen festzustellen.“
Die Spannbreite einer ärztlichen Altersfeststellung betrage ein bis zwei Jahre nach oben und unten, erklärte das Ministerium und verwies dabei auf Stellungnahmen des Deutschen Ärztetages. Eine Altersdiagnostik bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen mittels radiologischer Verfahren und einer Genitaluntersuchung werde von der Deutschen Gesellschaft für Kinderund Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DKGJP) abgelehnt. Neben ethischen Bedenken sei die wissenschaftliche Beweiskraft fraglich. Sensibilisiert für das Thema sind die Behörden durch den Fall der vergewaltigten und ermordeten Studentin in Freiburg: Im Prozess gegen den Flüchtling Hussein K. vor dem Landgericht Freiburg geht es ebenfalls um die Frage, wie alt der Angeklagte ist. Er selbst hatte sein Alter mit 16 oder 17 angegeben, die Staatsanwaltschaft hält ihn für mindestens 22 Jahre alt.
Unterdessen berieten die zuständigen Ministerien in RheinlandPfalz weiter über das Gewaltverbrechen. Der Austausch soll einer Sprecherin des Integrationsministeriums zufolge fortgesetzt werden. Danach will die Landesregierung bewerten, „welche Konsequenzen unter Umständen aus diesen Erkenntnissen zu ziehen sind“.
Haftstrafe in Deutschland
Bei einer Verurteilung für die tödlichen Stiche müsste der Täter mit Haft in Deutschland rechnen. Der Sprecher des rheinland-pfälzischen Justizministeriums, Christoph Burmeister, sagte am Freitag: „Wenn er in Deutschland wegen einer Tat in Deutschland verurteilt werden würde, dann würde die Strafe auch in Deutschland vollstreckt – unabhängig von seinem aufenthaltsrechtlichen Status.“Selbst wenn der Verdächtige ausreisepflichtig wäre, ergänzte Burmeister, wäre der Strafanspruch des deutschen Staates vorrangig. „In solchen Fällen ist es üblich, dass ein großer Teil der Haftstrafe in Deutschland vollstreckt wird und sodann die Abschiebung noch aus der Haft heraus erfolgt“, sagte der Sprecher. Der Haftbefehl für den Rest der Strafe bliebe aber offen. Damit würde man vermeiden wollen, dass er nach Deutschland zurückkäme.