Schwäbische Zeitung (Laupheim)
BUND befürchtet Industrieachse im Rißtal
Naturschützer kritisieren geplantes Industriegebiet – Gemeinden weisen Vorwurf zurück
WARTHAUSEN - Noch steht die Entscheidung im Zielabweichungsverfahren zum geplanten Industriegebiet im Rißtal (IGI) aus. Doch die Diskussion darüber nimmt weiter an Fahrt auf. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Biberach hat erneut Kritik geübt, vor allem am Flächenverbrauch im Rißtal. „Hier geht es nicht um den Bau von einzelnen Betriebsstätten in der Landschaft, hier geht es um die vollständige Auflösung einer Landschaft“, erklärt Esther Franzen vom BUND-Kreisverband Biberach in einer Mitteilung. Sie befürchte, dass das IGI „nur ein erster Schritt zur Umwandlung des Rißtals in eine durchgehende Industrieachse zwischen Ulm und Biberach sein könnte“.
Wie aus einem Gutachten hervorgeht, kommen für Industrieflächen im Rißtal langfristig rund 140 Hektar Fläche infrage. Dieses Gebiet könnte als Fläche für eine spätere Erweiterung des bislang geplanten Industriegebiets dienen. 140 Hektar entsprechen der Fläche von 196 Fußballfeldern und etwa der Wasserfläche des Federsees, dem zweitgrößten See Baden-Württembergs. Im Vergleich mit der Siedlungsfläche von Herrlishöfen wäre diese Fläche mehr als doppelt so groß. Franzen kommt daher zu dem Schluss: „Als BUND können wir einen solchen Flächenverbrauch nicht akzeptieren.“
Wolfgang Jautz, Bürgermeister von Warthausen und Vorsitzender des IGI-Zweckverbands, hat die Kritik zurückgewiesen. Im Gespräch mit der SZ erklärt er: „Der Bedarf ist sehr hoch angesetzt. Den wollen wir gar nicht unbedingt ausschöpfen.“Die 140 Hektar in 15 Jahren seien lediglich eine Zahl, die in einem Gutachten berechnet wurde. Er fügt hinzu: „Niemand geht davon aus, dass diese Zahl erreicht wird.“
Den bisherigen Bedarf deckten die 45 Hektar ab, die im Zielabweichungsverfahren stehen. Dennoch fügt Jautz hinzu: „Wie lange das reicht, wissen wir nicht.“Doch für jede Erweiterung sei erneut ein Genehmigungsverfahren nötig.
BUND-Kreisvorsitzende Franzen sieht allerdings langfristig die Gefahr, dass andere Industriegebiete folgen könnten: „Wie lange dauert es dann, bis das Rißtal völlig zubetoniert ist, wenn andere Gemeinden genauso hungrig nach Industriegebieten sind? Das ist keineswegs nachhaltig.“
Schemmerhofens Bürgermeister Mario Glaser hat diese Kritik am geplanten Industriegebiet zurückgewiesen: „Wir geben vielen Bürgern, die bei den Firmen aus der Region arbeiten, eine Perspektive. Wir wollen, dass die Unternehmen sich weiterentwickeln und weiterhin Arbeitsplätze anbieten können.“Zudem sei es Aufgabe der Gemeinden, dafür zu sorgen, „dass wir weiterhin in einer wirtschaftlich gesunden Region leben können, und die Bürger alle Annehmlichkeiten haben was Bildung, Betreuung oder Infrastruktur angeht“, sagte Glaser im Gespräch mit der SZ.
Esther Franzen vom BUND erklärt dagegen: „Arbeitsplätze sind wichtig, das bestreitet niemand. Mit diesen Aussagen bekommt die Industrie aber auch fast alles, was sie haben möchte.“Statt einem „schnellen Spatenstich im noch grünen Rißtal“sei es wichtig, dass zunächst „großflächige Parkplätze, sanierungsbedürftige Gebäude und Industrieleerflächen sinnvoll umgebaut werden“, betont sie.
Mit dem geplanten Industriegebiet steige zudem das Hochwasserrisiko und die Gefahr bei Starkregen, behaupten die Naturschützer. „Bei derartigen Ereignissen müsste das Wasser sehr schnell ins Umland abgeleitet werden, um die Industrieanlagen nicht zu zerstören“, heißt es in der Mitteilung des BUND – und weiter: „Welche Rückhalteeinrichtungen mit der Freigabe von Überflutungsflächen werden dann wohl erforderlich sein, um die Wassermassen zu beherrschen, ohne dass die Riß unterhalb von Biberach zu einem Hochwasserrisiko für die Gemeinden wird?“
Bürgermeister Jautz entgegnet auf den Vorwurf: „Versickerungsfläche gibt es nicht nur im Rißtal. Die ist ja überall vorhanden.“Natürlich mache es einen Unterschied, wie der Boden beschaffen ist. Aber im Rißtal sei sehr viel Kies im Boden vorhanden. „Das sieht man auch an den großen Kiesabbaugebieten.“Deshalb soll der Untergrund in einem weiteren Verfahrensschritt von Geologen untersucht werden. Dass das IGI nicht in einem Hochwassergebiet liegt, hat das Regierungspräsidium Tübingen indes bereits im August klargestellt.
Die Mitglieder im Zweckverband rechnen voraussichtlich noch im Januar 2018 mit einer Entscheidung im Zielabweichungsverfahren. Die Bürgerinitiative „Schutzgemeinschaft Rißtal“hat für das kommende Jahr bereits mehrere Aktionen angekündigt, um für den Schutz des Rißtals zu werben. So soll unter anderem eine Menschenkette stattfinden.