Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Traditionsreiche TV-Kreuzfahrt: Ein Traum von einem Schiff?
Die Älteren werden sich erinnern, dass damals, 1985, die „Lindenstraße“(ARD) und die „Schwarzwaldklinik“(ZDF) nahezu zeitgleich an den Start gingen. Die „Lindenstraße“wurde umgehend von der Kritik verrissen. Wie erfolgreiches Fernsehen funktioniere, könne sich das Erste bei der „Schwarzwaldklinik“von Produzent Wolfgang Rademann anschauen, hieß es. Die „Lindenstraße“ist, auch von der Kritik, längst rehabilitiert. Und dennoch: Ein Fan war ich nie. Das Verhandeln von Problemen, Problemchen und Phänomenen (Schwulsein, Aids, Fremdgehen ...) in trister Studioatmosphäre ödet mich bis heute an. Rademann dagegen hatte erst mit der „Schwarzwaldklinik“ und vor allem danach mit dem „Traumschiff“einen gegenteiligen Ansatz: statt Enge Weite, statt Straße die ganze Welt, statt Problemen Liebe und Leidenschaft, statt Mutter Beimer Sascha Hehn, statt aufgesetztem Realismus Kitsch pur. Herrlich.
Harald Schmidt, der mit Wolfgang Rademann bis zu dessen Tod 2016 eng befreundet war, hat immer wieder im „Traumschiff“Rollen übernommen. Wohl weil er erkannt hat, dass dieses Heile-Welt-Fernsehen seine Berechtigung und sein Publikum hat. Und wer es aus einer anderen Perspektive sehen will, findet auf hoher See noch immer traumhaften Trash.
d.grupe@schwaebische.de
Eigentlich sind wir – so rund um die Weihnachtsfeiertage – ja milde gestimmt. Wir sehen den TV-Gewaltigen gnädig die gefühlt 423. Wiederholung von „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“nach, riskieren eventuell sogar einen irritierten Blick auf Erik Ode, der als „Kommissar“in immerhin drei schwarz-weißen Einstellungen brillieren darf. Aber „Traumschiff“? So weit reicht unsere schier grenzenlose Leidensfähigkeit dann doch nicht. Nie und nimmer. Da lassen wir uns lieber kielholen, damit wir das ganze Elend nicht mit anschauen müssen.
Schon gut, werte Freunde des hochglänzenden Seelenverkäufers, bloß nicht gleich hyperventilieren, bloß nicht sofort die Wogen hochschlagen lassen! Selbstverständlich muss es nicht allabendlich der Urfaust sein, der uns in den Schlaf schaukelt. Aber ein bisschen mehr als den intellektuellen Tiefgang der schlichten, ewig gleichen Stories erwarten wir schon, wenn wir zwei kostbare Stunden unseres Lebens opfern sollen. Ehepaare, die sich seit 30 Jahren tagtäglich mit dem Baseballschläger traktieren, glücklich vereint beim Kapitänsdinner? Blinde, die an Bord sehen können? Alles vorstellbar in der schönen heilen Welt auf dem „Traumschiff“, nichts ist unmöglich, Wunder dauern bloß 90 Minuten. Ein Alptraum! Da gucken wir lieber „Titanic“.
Von Dirk Grupe
Von Dirk Uhlenbruch
d.uhlenbruch@schwaebische.de