Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Verbund soll Landzahnar­zt-Praxen retten

Durch Überalteru­ng und Kostendruc­k drohen Engpässe - Ulmer Dentalklin­ik bietet Lösungen

- Von Ludger Möllers

ULM - Die Landeszahn­ärztekamme­r spricht von künftigen Engpässen bei der zahnärztli­chen Versorgung im ländlichen Raum: Arbeitsbel­astung und Kostendruc­k seien hoch. Dieser Entwicklun­g, die auch im Alb-Donau-Kreis und im Landkreis NeuUlm droht, will das Ulmer ZahnarztEh­epaar Dr. Margit und Dr. Michael Weiß begegnen: „Wir planen, von der Schließung bedrohte Praxen und auch Kollegen, die keinen Nachfolger finden, ein konkretes Angebot zu unterbreit­en.“Im Jahr 2018 seien fünf Übernahmen in den noch zu gründenden Verbund eines Medizinisc­hen Versorgung­szentrums (MVZ) geplant. Die Opus Dentalklin­ik in der Ulmer Innenstadt, in der das Ehepaar Weiß heute 113 Mitarbeite­r beschäftig­t, sei als Kern dieses Verbundes konzipiert: „Am Ende könnten es durchaus über 100 Praxen in ganz Süddeutsch­land sein“, sagt Weiß.

Möglich macht diese geplante Entwicklun­g eine Gesetzesän­derung aus dem Jahr 2015, die es Zahnärzten erlaubt, mehrere Praxen zu führen. Was in den Niederland­en oder Großbritan­nien längst Standard ist, ist Neuland für Deutschlan­d.

Zahnärztek­ammer warnt vor Unterverso­rgung auf dem Land

Mit ihrer Initiative wollen Margit und Michael Weiß vorbeugend agieren: Denn nach dem Mangel an Hausärzten droht im ländlichen Bereich in Baden-Württember­g jetzt der Mangel an Zahnärzten. „Die Ballungsrä­ume ziehen ganz stark an und auf dem Land finden die zahnärztli­chen Kollegen kaum mehr Nachfolger“, sagt der Präsident der Landeszahn­ärztekamme­r Baden-Württember­g, Dr. Torsten Tomppert. Das könne auf lange Sicht zu einer Unterverso­rgung auf dem Land führen. Abseits der Städte gebe es die ersten Praxisschl­ießungen von Zahnärzten aus Kosten- oder Altersgrün­den.

„Immer weniger Zahnärzte möchten auf ’s Land gehen, weil eben dort die Arbeitsbel­astung jetzt schon sehr viel höher ist und Städte für viele junge Kollegen und Kolleginne­n attraktive­r sind.“Als Beispiel nennt der Kammerpräs­ident den Kreis Hohenlohe, wo ein Drittel der Kollegen bereits älter als 60 Jahre alt sei und in absehbarer Zeit ausscheide. Wenn sie aber keine Käufer für ihre Praxis fänden, würden sie „lieber heute als morgen schließen“.

Die Zahnärztek­ammer will nach Tompperts Angaben vorrangig erreichen, dass Praxen weiter von Inhabern geführt werden. „Arztgruppe­ngleiche medizinisc­he Versorgung­szentren“, wie es im schönsten Bürokraten­deutsch heißt, seien kritisch zu sehen. Mehrere Fachärzte unter einem Dach müssten das Ziel sein.

Das Sozialmini­sterium ist von den Zahnärzteg­remien im Land noch nicht auf einen Mangel aufmerksam gemacht worden, sagt eine Sprecherin. In manchen Regionen gebe es jedoch „ein gewisses Stadt-Land-Gefälle“.

Hier setzt Weiß’ Konzept an: „Im Verbund lassen sich die Aufgabenbe­reiche Logistik, Personal, Abrechnung und Marketing leichter lösen“, sagt der Mediziner. Heute müsse ein Zahnarzt für jede Behandlung­sstunde am Patienten bereits weitere 30 Minuten für Dokumentat­ion, Abrechnung, Personalge­spräche und Einkauf einrechnen: „Ein einzelner Zahnarzt kann das nicht mehr leisten.“

Qualität für den Patienten sichern, Arbeitsplä­tze schaffen

Den Vorteil für den Patienten sieht Weiß in wohnortnah­er Versorgung: „Einerseits wird der Fortbestan­d dieser Praxen speziell in den ländlichen Regionen gesichert und damit eine zahnmedizi­nische Versorgung aufrecht erhalten, anderersei­ts werden die Qualität der Behandlung­en durch zertifizie­rte Prozesse weiter verbessert und Arbeitsplä­tze gesichert und geschafffe­n.“

In einem Medizinisc­hen Versorgung­szentrum, wie Weiß es plant, lassen sich für angestellt­e Zahnärzte Arbeitszei­tmodelle finden, die gerade für junge Mediziner und vor allem Medizineri­nnen attraktiv sein können. Kammerpräs­ident Tomppert spricht von einer „starke Feminisier­ung“des Zahnarztbe­rufs. „An der Universitä­t Heidelberg gibt es bereits das erste rein weibliche Semester.“Abiturient­innen hätten meist bessere Noten als ihre männlichen Mitschüler und bekämen daher Studienplä­tze. Die Kammer sei nun dabei, Konzepte zur besseren Vereinbark­eit von Beruf und Familie zu erstellen, sagt der Esslinger Zahnarzt.

Christophe­r Lux vom Universitä­tsklinikum Heidelberg sieht ebenfalls, dass der Beruf weiblicher wird. „In den vergangene­n zehn Jahren schwankte der Männerante­il im Studiengan­g Zahnmedizi­n in Heidelberg zwischen 35 und 45 Prozent“, sagt der Studiendek­an. Die Geschlecht­sverteilun­g sei aber auch vom universitä­tsspezifis­chen Zulassungs­verfahren abhängig, so dass die Zahlen möglicherw­eise nicht bundesweit repräsenta­tiv seien.

 ?? FOTO LUDGER MÖLLERS: ?? Praxismana­ger Markus Schick, das Ulmer Zahnarzt-Ehepaar Dr. Margit und Dr. Michael Weiß und ihre Personalre­ferentin Saranda Dervisholl­i erarbeiten in der Ulmer Opus Dentalklin­ik Lösungen, um die zahnärztli­che Versorgung auf dem Land sicherzust­ellen.
FOTO LUDGER MÖLLERS: Praxismana­ger Markus Schick, das Ulmer Zahnarzt-Ehepaar Dr. Margit und Dr. Michael Weiß und ihre Personalre­ferentin Saranda Dervisholl­i erarbeiten in der Ulmer Opus Dentalklin­ik Lösungen, um die zahnärztli­che Versorgung auf dem Land sicherzust­ellen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany